Städte sind gefordert wie nie. Sie müssen Wohnraum schaffen, Bildung ermöglichen, die Luft reinhalten, die Wirtschaft anreizen, kulturelle Angebote bereithalten, Verkehr managen, Armut bekämpfen – und jetzt auch noch eine Pandemie bewältigen. Nirgends ist die Gefahr, sich mit dem Coronavirus anzustecken, höher als dort, wo Menschen eng aufeinander leben und soziale Distanz schwierig zu praktizieren ist. Ob Wuhan oder Bergamo, Madrid oder New York, Mexiko-Stadt oder Mumbai – die Krise betrifft Menschen überall.
Als hätten sie ohne Pandemie nicht schon genug zu bewältigen. Denn Städte wachsen unaufhörlich und mit ihnen die Herausforderungen. Seit 2007 leben dort mehr Menschen als auf dem Land – bis zur Mitte des Jahrhunderts werden es wahrscheinlich zwei Drittel sein. Schon vor zehn Jahren, als in Shanghai die Expo 2010 begann, gab es solche Prognosen. „Better City, Better Life“, lautete damals das Motto der Weltausstellung. Ich selbst war beruflich zweimal dort und konnte viele Ansätze bestaunen, wie intelligent geplante Städte das menschliche Leben verbessern helfen. Zwei davon sind mir dabei besonders in Erinnerung geblieben: die Simulation einer Stadt ganz ohne flimmernde Außenwerbung – von Künstlern auf die Metropole São Paulo projiziert. 22 Millionen Einwohner*innen zählt die Stadt, wenn man den Großraum mitzählt. Denn auch Licht kann – im Übermaß – belastend für Mensch und Umwelt sein. Licht- statt Luftverschmutzung nennt sich das dann. Das dänische Odense hingegen, mit 180.000 Bewohner*innen sehr beschaulich anmutend, präsentierte in Shanghai seine fahrradfreundliche Stadt und lud Besucher*innen ein, sich auf dem Rad selbst ein Bild davon zu machen.
Zwei Städte, zwei Beispiele. Beiden ist gemein: Es geht um den Menschen. Stadtentwicklung, früher oft fokussiert auf einzelne Sektoren wie Wasser, Abfallentsorgung oder Mobilität, die als Infrastrukturmaßnahmen eher kühl und technisch daherkommen, muss ganzheitlicher betrachtet werden. Nicht umsonst schreibt unsere Stadtexpertin Carmen Vogt in diesem Heft von einer nachhaltigen Stadtentwicklung, die mehr ist als die Summe vieler Einzelteile. Die Bürger*innen stehen im Mittelpunkt, so ihre Schlussfolgerung.
Deshalb lohnt es sich, Urbanisierung nicht einfach geschehen zu lassen, sondern sie aktiv zu gestalten und am menschlichen Bedarf auszurichten. Gerade in der Verdichtung liegt eine große Chance; man kann auf engem Raum sehr viel erreichen, nachhaltige Lösungen fürs Wohnen entwickeln, die Transportwende vorantreiben, Kreislaufsysteme einführen. Die Stadt verstanden als Labor – auch das war bereits ein Gedanke auf der Weltausstellung in Shanghai. Man kann in Städten, kurz gesagt, die schöpferische Kraft des Menschen besonders gut nutzen und sie zu dem machen, was sie eigentlich sein sollten: Orte des produktiven und lebenswerten Miteinanders. Vielleicht liegt in der aktuellen Zäsur durch das Coronavirus sogar eine Chance für dieses Ziel? So sieht es jedenfalls der Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan, der im Interview erläutert, was die Krise mit Nachhaltigkeit zu tun hat und warum diese durch die Pandemie noch wichtiger geworden ist.
Was die Urbanisierung für Afrika heißt bzw. nicht heißen sollte, beschreibt der ghanaische Professor für Stadtplanung Seth Asare Okyere sehr anschaulich in einem zukunftsweisenden Essay. Nicht gläserne Paläste, abgeschottet hinter sicheren Mauern, nicht smarte Hightechquartiere müssen das Ziel sein, sondern es braucht bezahlbaren Wohnraum, ausreichend Grünflächen, Basisdienstleistungen für alle und mehr Teilhabe der Bevölkerung. Dann werden auch wachsende Städte lebenswert. Dass Bürgerinnen und Bürger gemeinsam tatsächlich viel erreichen können – etwa beim Thema Klimaanpassung –, zeigt schließlich die Reportage aus der indischen Stadt Bhubaneswar.
Mehr über diese und andere kleine und große Initiativen zur Stadtentwicklung finden Sie in unserem Schwerpunkt. Vielleicht ist sogar eine Anregung für Ihre eigene Kommune dabei?
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