ausgabe 1/16 das magazin der giz vielfalt – vom wert des anderen starthilfe für eine karriere in deutschland neue zuversicht für flüchtlinge im irak akzente
2 in der rolle der „superwoman“ zeigt sie ihren landsleuten im fernsehen und theater alternativen zur alltäglichen gewalt auf. nach bürgerkrieg und besatzung soll die junge demokratie friedvoller werden, daran arbeiten de sousa pereira und 800 weitere mediatoren. weitere „gesichter und geschichten“ finden sie online auf www.giz.de/geschichten. jacinta de sousa pereira mediatorin in timor-leste code mit smartphone einscannen und video ansehen ich zeige menschen, wie sie konflikte friedlich lösen können gesichter und geschichten
editorial 3 akzente 1/16 liebe leserinnen, liebe leser, aus der natur wissen wir: einfalt ist riskant. sie kann das zusammenspiel der tier- und pflanzen- welt empfindlich stören. längst betrachten wir artenvielfalt daher als einen schatz, den es zu pflegen und zu erhalten gilt. auch wenn das bemühen darum oft noch unzureichend ist, den nutzen haben wir erkannt. anders in der gesellschaft. hier begreifen wir den vor- teil der vielfalt erst allmählich, verstehen noch nicht lange, dass ein miteinander von geschlechtern, hautfarben, religionen, kul- turen und bräuchen wertvoller ist als die summe vieler einzelner. denn das ist einfa- cher gesagt als getan. ganz empfindlich hat uns in deutschland die ankunft von rund einer million flücht- lingen im jahr 2015 spüren lassen, wie fragil die frage der vielfalt ist. wie wollen wir le- ben? wie vielen unterschiedlichen menschen gewähren wir zugang zu unserer gesell- schaft? und zu welchen bedingungen? die hierzulande breit entfachte und weiter an- dauernde debatte zeigt einmal mehr, dass vielfalt zwar ein durch und durch positiv konnotierter begriff ist – fülle und reich- tum werden gern als synonyme verwendet. doch wenn es das eigene leben betrifft, mi- schen sich in die auseinandersetzung mit dem anderen, dem vielfältigen nicht nur positive töne. dabei belegen studien inzwischen: viel- falt beflügelt. sie schafft raum für kreativität und damit die grundlage für innovationen, bunt gemischt sabine tonscheidt, leiterin unternehmenskommunikation sabine.tonscheidt@giz.de die so wichtig sind in unserer globalisierten und digitalisierten welt. je mehr unterschie- de gesellschaften und unternehmen zulas- sen, desto produktiver können sie sein – wenn wir uns aktiv mit den unterschiedlich- keiten befassen und sie nicht einfach nur geschehen lassen. vielfalt geht über die ein- lösung verbriefter individueller rechte hin- aus. nicht ohne grund sagte die frühere us-amerikanische außenministerin made- leine al bright einmal: „vielfalt macht unsere gesellschaften in jeder hinsicht reicher.“ aber um vielfalt muss man ringen. dies beleuchtet beispielsweise die autorin der ti- telgeschichte, ingrid müller vom berliner „tagesspiegel“, die neben dem erwiesenen wert des anderen auch die schwie rigkeiten benennt, die gelebte vielfalt mit sich bringen kann. denn das zusammentreffen von un- terschieden erfordert ein hohes maß an tole- ranz, das manchmal auch kraft kostet. interessante extras finden sie in unse- rer app für tablet-pcs und auf unserer neu- en akzente-website akzente.giz.de. ob analog oder digital – ich wünsche ihnen viel freude mit dieser akzente-ausgabe. ihre warum vielfalt mehr ist als ein netter zusatz - und gerade deshalb nicht immer leichtfällt. fotos: sebastian löffler (s. 2), die hoffotografen/maria vogel (s. 3)
inhalt akzente 1/16 4 ausgabe 1/16 das magazin der giz vielfalt – vom wert des anderen starthilfe für eine karriere in deutschland neue zuversicht für flüchtlinge im irak akzente informiert exponiert 10 make it in hamburg! von einem projekt zur integration ausländischer fachkräfte profitieren beide seiten: jobsuchende und arbeitgeber. akzentuiert 14 vielfalt: vom wert des anderen wir leben in einer welt der vielfalt – zulassen, kennenlernen und klare regeln fürs miteinander sind da unerlässlich. 22 infografik diversity als wichtiger baustein für politischen und ökono- mischen erfolg: unterschiedlich zusammengesetzte firmen und parlamente arbeiten besser und erreichen mehr. 25 „fester bestandteil der unternehmenskultur“ interview mit susanna nezmeskal-berggötz, abteilungsleiterin für diversity bei der deutsche post dhl group 27 toleranz auf jordanisch ein gastbeitrag von kulturministerin lana mamkegh 6 notizen preis für exzellente stadtentwicklung, studie zur zukunft der energiesysteme, neue projekte in mexiko und marokko erklärt 30 erfolgsfaktor diversity die zusammenarbeit von menschen mit verschiedenen hinter- gründen ist bei der giz selbstverständlich. welche bedeutung sie hat, erklärt lutz zimmermann, leiter des personalbereichs. 3 editorial 28 fotografiert 42 spezial: weltweit im einsatz für die giz 44 service: veranstaltungen und publikationen 47 nachgehalten, impressum, vorschau akzente als app akzente können sie mit unserer app auch jederzeit auf ihrem tablet lesen. mehr infos zur app sowie aktuelle und frühere beiträge aus akzente finden sie auf unserer neuen website. akzente.giz.de illustration: fotolia (links), foto: laif/kent nishimura
akzente 1/16 5 vorgestellt 46 mbissine diouf „ich interessiere mich für alles, was mit kommunikation zu tun hat“, sagt die giz-mit- arbeiterin aus dem senegal. autoren und fotografen ingrid müller (1) vom „tagesspiegel“ in berlin leuchtet in ihrem es- say die vorteile von vielfalt aus – und die herausforderungen, die sie mit sich bringt. mirjam hecking (2), redakteurin beim „manager ma- gazin“, und fotograf tim hoppe (3) haben ausländische fachkräfte in hamburg getroffen und beobachtet, wie sie in einem seminar an die deutsche art und weise der bewerbung herangeführt werden. jorge cabrera (4) zeigt mit seinem foto einer kunstinstallation in hon- duras die schönheit von gebrauchtem. bewegende gespräche führte gabriele rzepka (5) mit flüchtlingen, die vor dem „islamischen staat“ in die nordirakische provinz dohuk geflohen sind. fotograf markus kirchgessner (6) begleitete sie. die äthiopisch-niederlän- dische journalistin marthe van der wolf (7) ließ sich von innova- tiven bauern im norden äthiopiens die früchte ihrer arbeit zeigen. die deutsche gesellschaft für interna tionale zusammenarbeit (giz) gmbh bietet nachhaltige und wirk same lösungen für politische, wirtschaftliche und soziale veränderungsprozesse. das bundes unter nehmen hat über 16.000 mitarbeiterinnen und mitarbeiter und ist in mehr als 130 ländern aktiv. www.giz.de unternehmensprofil 1 engagiert 32 endlich arbeit wie pakistan sein ausbildungssystem verbessert – und damit bewegung in das leben von misbah naz bringt. 36 reiche ernte in äthiopien wie bauern dafür sorgen, dass von ihren erfahrungen beim anbau auch andere landwirte profitieren. 40 ein neues leben wie nazrin iljaz und ihre familie in dohuk im nordirak schutz vor dem terror durch den „islamischen staat“ fanden. 2 3 4 5 6 7 fotos: markus kirchgessner (oben), sylvain cherkaoui (unten), doris spiekermann-klaas (foto ingrid müller) akzente 1/165 234 567
informiert akzente 1/16 6 229.277 menschen kommen jeden tag im durch- schnitt zur weltbevölkerung hinzu. im april 2016 leben rund 7,4 milliarden menschen auf der erde. selbstbestimmte familien- planung, also die freie entscheidung etwa hinsichtlich partnerwahl, zeitpunkt einer schwangerschaft oder anzahl der kinder, hat einen einfluss auf das bevölkerungs- wachstum. rund 225 millionen mädchen und frauen in entwicklungsländern fehlt es an modernen verhütungsmitteln. 875 millionen kleinwaffen sind nach schätzungen weltweit im umlauf, mit einer durchschnitt- lichen verwendungsdauer von 30 bis 50 jah- ren. kleinwaffen verursachen mehr opfer als jede andere waffenart, verschärfen konflikte, destabilisieren gesellschaften, hemmen entwicklung. in weiten teilen der welt kön- nen zivilisten kleinwaffen einfach und billig erwerben, oft geschieht dies illegal. 80 prozent aller humanitären notlagen werden durch konflikte hervorgerufen. beim ersten, von den vereinten nationen organisierten humanitären weltgipfel im mai 2016 in istanbul stehen deshalb die prävention so- wie politische lösungen zur beendigung von konflikten weit oben auf der tagesordnung. in zahlen foto: getty images/bernhard lang neue studie „im jahr 2040 setzen die verbraucher umfassende nachhaltigkeit von unternehmen, produkten und dienstleistungen voraus. nicht- nachhaltige produktion wird als unethisch ange- sehen.“ 400 experten haben diese und rund 50 weitere thesen zur zukunft der energie entwi- ckelt und bewertet. die thesen sind kern einer von der giz, dem bundesverband der energie- und wasserwirtschaft sowie der unternehmens- beratung pwc herausgebrachten delphi-studie. www.giz.de/energiesysteme-zukunft zukunft der energie
akzente 1/16 7 pierre el khoury geschäftsführer des libanesischen zentrums für energieeinsparung, das zum ministerium für energie und wasser gehört wie wichtig ist energieeinsparung im libanon? wir haben ein großes problem mit der stromver- sorgung: die nachfrage ist wesentlich höher als das, was der staatliche versorger liefern kann. das führt zu vielen stromausfällen, die dann durch private generatoren gedeckt werden müs- sen. die generatoren, ebenso wie die kraftwerke, haben jedoch keine gute bilanz. deshalb brau- chen wir energieeffizienz. welche schritte unternimmt ihr land dafür? eine der wichtigsten initiativen ist ein von der europäischen union finanziertes regionales pro- jekt, das energieeffizienz im bauwesen fördert. damit werden richtlinien für den neubau und die renovierung von gebäuden entwickelt. seit 2010 hat der libanon schon fünf prozent an jährlichem stromverbrauch eingespart. welche rolle spielt die giz bei dieser initiative? giz international services als führendes mitglied im konsortium des genannten projekts entwickelt die richtlinien mit und führt trainings durch. bei allen energieprojekten, die der libanon gemein- sam mit der giz umsetzt, orientiert sich die un- terstützung immer an den bedürfnissen, die die libanesischen ansprechpartner identifiziert haben. nkosazana dlamini-zuma, präsidentin der kommission der afrikanischen union, anlässlich des afrikanischen menschenrechtstags „die mitgliedsstaaten der afrikanischen union sollten einmal bilanzieren, was sie bisher getan haben, um eine kultur zu befördern, die die menschenrechte achtet.“ drei fragen an illustrationen: nate kitch (unten), elliot beaumont gutes zeugnis relevanz: note 1,5. das ist eines der ergebnisse der prüfung, der die giz ihre projekte alle zwei jahre unterzieht. der aktuelle monitoring- und evaluierungsbericht mit dem titel „wirkung messen – zu wirkung beitragen“ bewertete 200 projekte nach weltweit einheitlichen schlüsselkriterien: neben relevanz sind dies effektivität, übergeordnete politische wirkungen, effizienz und nachhaltigkeit. im gesamtwert verbesserte sich die giz von der note 2,4 auf 2,2 – ein zeugnis dafür, dass viele projekte dazu beitragen, die lebensbedingungen von menschen positiv zu verändern. doch nicht um selbstbestätigung geht es an erster stelle, sondern darum, die gründe für erfolge und misserfolge zu verstehen. erst das ermöglicht es, produktive lehren für die zukunft zu ziehen und dienstleistungen kontinuierlich und passgenau noch weiter zu verbessern. www.giz.de/evaluierung-ergebnisse messbare wirkung akzente 1/167
informiert akzente 1/16 8 verantwortung im neuen corporate responsibility index der bertelsmann stiftung liegt die giz auf einem spitzen- platz. sie gehört zu den corporate responsibility champions, den besten zehn prozent der 187 aufgeführten unternehmen. der alle zwei jahre erstellte index gilt als führendes messinstrument für unternehmerische verantwortung in deutschland. in der aktuellen ausgabe wurde die giz mit ihrem corporate sustainability handprint (csh) zudem als eines von fünf best-practice-beispielen ausgezeichnet. der csh bildet sowohl den ökologischen fußabdruck der giz als auch ihren aktiven beitrag – den handab- druck – in vier nachhaltigkeitsdimensio- nen ab: soziale verantwortung, ökologi- sches gleichgewicht, politische teilhabe und wirtschaftliche leistungsfähigkeit. „die giz hat damit rahmenbedingungen geschaffen, die alle geschäftsbereiche verbindlich dazu anhalten, corporate responsibility in ihre aktivitäten zu integrieren und cr-relevante daten online zu dokumentieren“, so die bertelsmann stiftung. www.giz.de/nachhaltigkeit in guten händen gründen geht schneller im vergleich die bedingungen für unternehmer un- terscheiden sich weltweit gewaltig, wie die grafik zur durchschnittlichen wartezeit bei einer firmengründung zeigt. doch die tendenz ist positiv. zwischen juni 2014 und 2015 führ- ten 122 länder hilfreiche reformen durch. treffen in frankfurt deutschland ist 2016 zum ersten mal gastgeber der jahrestagung der asiatischen entwick- lungsbank (adb), die vom 2. bis 5. mai in frankfurt am main stattfindet. neben den gouverneuren der 67 mitgliedsstaaten werden an dem treffen finanzminister, notenbankchefs sowie vertreter aus der privatwirtschaft, der wissenschaft und von nichtregierungsorganisationen teilnehmen. für die 3.000 gäste stehen unter dem motto „kooperation für nachhaltige entwicklung“ neue finanz instrumente im mittelpunkt ihrer debatten. damit soll die tagung dem großen finanz- bedarf in asien gerecht werden und einen beitrag zur „agenda 2030 für nachhaltige entwicklung“ leisten. asien am main die giz organisiert das treffen im auftrag des bundesministeriums für wirtschaftli- che zusammenarbeit und entwicklung (bmz) und beteiligt sich an der inhaltli- chen vorbereitung. die bundesregierung legt ihren schwerpunkt auf erneuerbare energien, energieeffizienz, klimawandel, nachhaltige produktionsketten, berufliche bildung, kommunale partnerschaften und stadtentwicklung sowie europäisch-asiati- sche finanzkooperation. von dem treffen erwartet der vorsitzende des adb-gouver- neursrats und parlamentarische staatsse- kretär im bmz, hans-joachim fuchtel, „eine hebelwirkung in der finanzierung nachhaltiger entwicklungsprojekte“. www.bmz.de/adbjahrestagung2016 quelle: doing business 2016, world bank group 0,5 10,5 29 97 tage neuseeland deutschland indien haiti
akzente 1/16 9 vietnam-wiki landessprache vietnamesisch / hauptstadt hanoi / regierungsform einparteiensystem / staatsoberhaupt staatspräsident truong tan sang / regierungschef premierminister nguyen tan dung / fläche 332.800 km2 / einwohnerzahl 90,7 millionen [1] / bevölkerungsdichte 279 einwohner pro km2 [2] / bruttoinlandsprodukt 186,2 milliarden usd [1] / währung dong quellen: [1] weltbank 2014, [2] un data 2015 neue projekte ausgezeichnet: eine stadt verändert sich berufsbildung fördern marokko berufliche bildung steht im mittelpunkt eines projekts, das giz inter- national services für den staatlichen ma- rokkanischen phosphathersteller office chérifien des phosphates umsetzen wird. das unternehmen plant vier zentren zur berufsbildung, in denen künftig vor allem nachwuchsfachkräfte aus den bereichen chemie, bergbau und industriemechanik ausgebildet werden sollen. zusammen mit dem gemeinnützigen verein codifor wird die giz das unternehmen beim auf- bau und beim betrieb der bildungszent- ren fachlich beraten. justiz stärken mexiko mindestens 26.000 menschen sind in mexiko allein in den jahren 2006 bis 2012 spurlos verschwunden. bisher konnten nur die wenigsten dieser fälle aufgeklärt werden. im auftrag des aus- wärtigen amts unterstützt die giz die be- hörden des landes dabei, künftig jene fälle von vermissten effektiver zu unter- suchen, bei denen es sich mit hoher wahrscheinlichkeit um gewaltverbrechen handelt. daneben berät sie die zuständi- gen mexikanischen behörden, den um- gang mit gewaltopfern und ihren fami- lien zu verbessern. fotos: ina riaskov (links), getty images/jordi camí (mitte), dpa/emily wabitsch (rechts) neues abwassersystem da nang ist ein beispiel für exzellenz im urbanen wandel. das hat die 900.000-einwohner-stadt in vietnam jetzt schriftlich: sie erhielt den gleichnamigen preis, der von der „financial times“ und der internationalen finanz- corporation, einer entwicklungsbank der weltbankgruppe, verliehen wird. die aus- zeichnung wurde mit der strategie für ein neues abwassersystem begründet. unter- stützt wird da nang dabei von der giz, die in südostasien im auftrag des bundesmi- nisteriums für wirtschaftliche zusammenarbeit und entwicklung neun weitere städte berät. bisher versickert das abwasser in undichten gruben – bei überschwemmungen flutet es die straßen. zudem soll eine kläranlage das abwasser filtern, damit städti- sche kooperativen es gefahrlos als dünger in der landwirtschaft nutzen können. www.giz.de/de/weltweit/32332.html lebensqualität erhöhen kuba erstmals seit 2003 ist die giz wie- der auf kuba aktiv. gemeinsam mit dem medizintechnik-unternehmen ottobock verbessert sie die versorgung der bevöl- kerung mit prothesen. dazu gehört die ausbildung von fachkräften nach interna- tionalen standards. das bundesministe- rium für wirtschaftliche zusammenarbeit und entwick lung als auftraggeber und ottobock tragen je rund die hälfte der kosten. auch die kubanische regierung beteiligt sich. das projekt läuft über developpp.de, ein programm für entwick- lungspartnerschaften mit der wirtschaft. akzente 1/169
10 akzente 1/16 exponiert exponiert make it in hamburg! von einem hamburger projekt zur integration ausländischer fachkräfte profitieren beide seiten: jobsuchende und arbeitgeber in deutschland.
11 akzente 1/16 text mirjam hecking fotos tim hoppe d er blick aus den dunklen augen ist konzentriert nach vorne gerichtet. un- bewusst streicht farhad haidari mit dem zeigefinger über seine oberlippe. weni- ge meter vor dem jungen mann aus afgha- nistan steht bernd wenske und erklärt, was in eine deutsche bewerbung gehört: „wenn da steht: ‚bitte senden sie uns ihre komplette bewerbung‘, dann heißt das, dass ihr sämtli- che zeugnisse samt lebenslauf mitschicken sollt“, erläutert der seminarleiter. „dasselbe gilt, wenn da ‚ausführlich‘, ‚aussagekräftig‘ oder ‚aussagefähig‘ steht“, fügt er in etwas deutsch gefärbtem englisch hinzu. und schließt mit einem leisen klick den stift, mit dem er die schlüsselwörter auf das flipchart geschrieben hat. die blond gelockte nachbarin von haidari lacht auf. „die deutschen haben immer so viele ausdrücke für genau dassel- be“, meint sie kopfschüttelnd, notiert sich aber sämtliche formulierungen. schließlich will sie bei ihrer nächsten bewerbung keine fehler machen. zusammen mit zehn weiteren teilneh- mern sitzen die beiden in einem lichtdurch- fluteten raum in der nähe des hamburger hauptbahnhofs. die kieferntische in dem altbauzimmer sind hufeisenförmig auf eine große digitale tafel ausgerichtet. kaffeetas- sen, wasserflaschen und laptops stehen auf den tischen der teilnehmer, die aus frank- reich, indien, polen, südafrika, zypern oder eben afghanistan kommen. es herrscht kon- zentrierte stille. nur ab und zu klickt die tas- tatur eines laptops. am fenster hängt ein poster, „make it in hamburg!“ steht darauf in rot. es ist der na- » me eines projekts, das die giz umsetzt. sein ziel: ausländische fachkräfte in hamburg bei der jobsuche zu unterstützen. dabei er- gänzt das vom kooperationspartner arbeit und leben hamburg durchgeführte dreitägi- ge bewerbertraining die persönliche bera- tung durch die giz. finanziert wird das pro- jekt zu gleichen teilen aus dem europäischen sozialfonds und von der stadt hamburg. alle anwesenden sprechen fließend englisch. viele haben exzellente studienab- schlüsse, einige sogar doktortitel. dennoch tun sie sich schwer damit, auf eigene faust in deutschland eine stelle zu finden. denn auch wenn die medien regelmäßig über den sich abzeichnenden fachkräftemangel in deutschland berichten: „wenn es darum geht, ausländische bewerber anzustellen, sind viele unternehmen noch sehr vorsich- tig“, sagt florian krins von der giz. der hamburger hat es schon oft erlebt. seit an- fang 2014 berät er bei „make it in ham- burg!“ gut ausgebildete jobsuchende aus dem ausland. doch es sind nicht nur die unterneh- men, die dazulernen müssen. viele der aus- ländischen bewerber wissen nicht, wie der deutsche arbeitsmarkt funktioniert. „die be- werbungskultur in deutschland unterschei- det sich fundamental von der in anderen ländern“, erklärt krins. mancher weiß gar nicht, wo er anfangen soll mehr als 450 ausländische fachkräfte aus mehr als 70 ländern haben seit dem start des projekts dessen unterstützung angenommen. sie lassen sich beraten, holen sich tipps oder nehmen an seminaren wie dem von bernd wenske teil. nicht alle, die in das giz-büro in der hamburger innenstadt kommen, brauchen ein bewerbertraining. manche müssen nur auf geeignete stellenbörsen hin- gewiesen werden. andere wissen gar nicht, wo sie anfangen sollen. ein bewerbertraining, wie haidari es ab- solviert, kann ihnen weiterhelfen. drei tage lang lernen jobsuchende die feinheiten und tücken der deutschen arbeitswelt kennen. worauf man bei einem lebenslauf achten muss. wie man sein gehalt aushandelt. und wie man ein anschreiben formulieren sollte, um unternehmen für sich zu interessieren. „wenn in einer stellenausschreibung zehn neustart: bei „make it in hamburg!“ lernt farhad haidari die feinheiten der deutschen arbeitswelt kennen – und erfährt manch überraschendes.
> ansprechpartner florian krins > florian.krins@giz.de anforderungen aufgelistet sind, ich aber nur neun erfüllen kann, soll ich mich dann wirk- lich bewerben?“ farhad haidari aus afgha- nistan kann es kaum glauben. mit hochgezo- genen brauen schaut er kursleiter wenske an. „ja“, antwortet wenske ruhig. der grau- haarige kursleiter in jeans und hellem kurz- armhemd rückt seine hornbrille zurecht. „eine stellenausschreibung ist so etwas wie eine wunschliste. da könnt ihr euch auch bewerben, wenn nicht alles hundertprozentig passt“, sagt er und blickt in die runde. dass es gar nicht so einfach ist, auf dem deutschen arbeitsmarkt fuß zu fassen, hat auch arunkumar jayaprakash erfahren müs- sen. der 33-jährige flugzeugingenieur aus bangalore lebt bereits seit mehr als drei jah- ren in hamburg. ein airbus-zulieferer hatte ihn in die stadt geholt. dort entwickelte er teile des a350. nun ist das flugzeug fertig. und jayaprakash arbeitslos. nach der telefonschulung schneller im gespräch ein neuer job muss her. doch schon die kontaktaufnahme zu möglichen neuen ar- beitgebern gestaltete sich schwieriger als er- wartet. „am telefon haben die meisten ein- fach aufgelegt“, erzählt jayaprakash und zupft einen fussel von seinem frisch gebügel- ten leinenhemd. „vielleicht hat sie schon mein name abgeschreckt.“ nach einer telefonschulung durch „makeit in hamburg!“ läuft es nun besser. „da haben wir geübt, dass man seinem ge- genüber zunächst einmal darlegt, worum es geht. und den namen vielleicht nicht als erstes nennt“, erzählt er. „mittlerweile erklä- re ich auch immer, welcher mein vorname und welcher mein nachname ist“, sagt jaya- prakash. dabei blitzen seine augen schel- misch. den vornamen, arunkumar, hat er si- cherheitshalber zu arun abgekürzt. einen job hat der junge inder zwar noch nicht. doch mittlerweile melden sich die firmen bei ihm zurück. „und einen termin für ein vorstel- lungsgespräch habe ich auch schon“, sagt er. ähnlich wie jayaprakash ging es zhuoli li – oder linda lee, wie sie sich hier in deutschland nennt. die 32-jährige chinesin ist bereits seit mehr als einem jahr in ham- burg. ein automobilzulieferer hatte die in- ternationale handelsfachkraft als kundenbe- treuerin aus schanghai nach deutschland ge- holt. nun läuft ihr vertrag aus. sie will in deutschland bleiben, denn sie schätzt die deutschen sozialstandards und gehälter. auch einen internationalen freundeskreis hat sich li in hamburg aufgebaut. mit der unterstützung der bewerbungs- trainer lernte sie, ein anschreiben zu formu- lieren. mit erfolg: sie wurde von einem technologiekonzern eingeladen. „das vor- stellungsgespräch ist ganz gut gelaufen“, er- zählt sie strahlend. wenige wochen später hat sie eine noch bessere nachricht: der ver- trag ist unterzeichnet. trotzdem paukt zhuoli li weiter fleißig deutsch. denn das, hat sie gemerkt, ist eine wichtige eintrittskarte in den deutschen ar- beitsmarkt. auch wenn im job vor allem englisch gesprochen wird: „die unterneh- men erwarten das einfach.“ 12 akzente 1/16 zusätzlich in der akzente-app und auf der website: zhuoli li auf jobsuche akzente.giz.de oben: im bewerbertraining hören far had haidari (zweiter von links) und die anderen teilnehmer, dass die an forderungen in einer stellenausschrei- bung zunächst als wunschliste zu ver- stehen sind. also: mut haben – und es mit einer bewerbung versuchen, auch wenn man nicht alle punkte erfüllt. rechts: die gruppen sind vergleichs- weise klein, jeder teilnehmer und jede teilnehmerin kann sich mit fragen zur jeweils persönlichen situation ein- bringen – seminarleiter bernd wenske (kleines bild unten) erklärt geduldig.
13 akzente 1/16 > auf einen blick internationalität gehört zu hamburgs geschichte – die hafen- und handelsstadt hat seit jeher von vielfalt profitiert. gut ausgebildete fachkräfte mit neuen ideen sind hier immer gefragt. das projekt „make it in hamburg!“ unterstützt sie bei der inte- gration in den arbeitsmarkt. unter anderem gibt es eine servicestelle, an die job- suchende und unternehmen sich wenden können. die giz bietet im auftrag der hansestadt hamburg zudem bewerbungstrainings und interkulturelle workshops an. der europäische sozialfonds beteiligt sich an der finanzierung. rund 450 fachkräf- te haben die angebote bereits genutzt. etwa 300 nahmen an seminaren teil, mehr als 75 fanden im anschluss einen job, eine ausbildungsstelle oder ein praktikum. gut beraten in der offenen hansestadt exponiert
vom wert des anderen: die welt hat viel zu bieten, sie ist geprägt von verschiedenen kulturen und traditionen. um diesen schatz konstruktiv zu nutzen, braucht es vor allem offenheit und klare regeln für das miteinander. im überblick: beispiele aus der arbeit der giz infografik: diversity – voraussetzung für erfolg in wirtschaft und politik „fester bestandteil der unternehmenskultur“: interview mit susanna nezmeskal-berggötz, abteilungsleiterin diversity der deutsche post dhl group toleranz auf jordanisch: ein gastbeitrag von kulturministerin lana mamkegh vielfalt themen dieses schwerpunkts
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akzentuiert akzente 1/16 17 schiedlichen religionen (hier zum teil hass predigende buddhisten und muslime) und an verschiedenen spra- chen (sinotibetischen und indogermanischen ursprungs). in einer idealen welt würde sich wenigstens die heldin des landes der verfolgten annehmen. doch selbst die wegen ihres kampfes für die demokratie international verehrte friedensnobelpreisträgerin aung san suu kyi macht sich nicht stark für sie – es könnte womöglich un- terstützer kosten. die geschichte der rohingya macht deutlich, wa- rum es wichtig ist, dass sich die internationale gemein- schaft in zentralen fragen immer wieder auf völkerrecht- lich verbindliche grundlagen einigt, die umsetzung aber weitere arbeit erfordert. zehn jahre ist die unesco- konvention für kulturelle vielfalt im jahr 2015 alt ge- worden. sie schreibt fest, dass kultur als die „gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen, intellektu- ellen und emotionalen eigenschaften angesehen werden muss, die eine gesellschaft oder eine soziale gruppe kennzeichnen, und dass sie über kunst und literatur hi- naus auch lebensformen, formen des zusammenlebens, wertesysteme, traditionen und überzeugungen“ um- fasst. was hat die welt nicht alles zu bieten! doch wie m yanmar – das geheimnisvolle goldene land, sehn- suchtsort vieler touristen und heimat von offizi- ell 135 ethnien. selbst das riesige russland zählt mit 160 ethnischen gruppen kaum mehr, das mächtige china gerade mal 55. größere vielfalt geht also kaum. doch so einfach ist es leider nicht, denn obwohl rund 40 prozent der bevölkerung einer minderheit angehören, das anderssein also zur gesellschaftlichen normalität ge- hören müsste, wird myanmar von konflikten erschüttert, die bis zum bürgerkrieg reichen. vor allem lebt dort auch eine volksgruppe, die nicht dazugehören soll: die rohingya. bei den vereinten nati- onen gelten die staatenlosen muslime als die am stärksten verfolgte minderheit überhaupt. wie unter einer lupe zeigt ihr schicksal, woran sich immer wieder konflikte entzünden: am zusammenleben einer mehrheit (hier birmanen) mit einer minderheit (rohingya), an unter- vom wert des anderen wir leben in einer welt der vielfalt, in der verschiedene sprachen, kulturen und bräuche ausdrücklich erwünscht sind. zugleich über- fordert manche menschen diese fülle, verängstigt sie das andere. abschotten ist trotzdem keine lösung. nur zulassen, kennenlernen und klare regeln fürs miteinander schaffen den ausgleich. text ingrid müller fest der vielfalt: sportlerinnen und sportler aus der ganzen welt bei der eröffnungsfeier der „special olympics“ 2015 in los angeles » fotos: getty images/antonio iacobelli (s. 14/15), laif/kent nishimura (s. 16) akzente 1/1617
akzentuiert akzente 1/16 18 wenig wissen wir über den schatz der vielfalt? ist sie auch dort, wo wir uniformität sehen? verwechseln wir manch- mal vielfalt mit einem mehr vom gleichen? letzten endes profitieren alle davon, dass etwas an- ders sein oder anders gemacht werden kann – aber nicht muss. es gibt menschen, die sich selbst im weg stehen, wenn neues auf sie einströmt. vielleicht können sie aus unsicherheit darüber, wer sie selbst sind, den wert des anderen nicht (an)erkennen. wir nennen die welt gern bunt, weil es verschiedene lebensweisen gibt. doch trotz moderner kommunikation kennt wohl niemand sie alle. eine volle tasse tee bedeutet nicht überall das gleiche wenn menschen unterschiedlicher kulturkreise aufein- andertreffen, kommt es oft zu missverständnissen. wann ein termin genau stattfindet, ein gast wirklich erwartet wird, ist eine wissenschaft für sich – es gibt nicht nur die legendäre „african time“, häufig deutlich nach der verabredeten zeit. in pakistan werden selbst offizielle termine oft nicht länger im voraus ausge- macht. da ruft schon mal das büro des ministerpräsi- denten um mitternacht an, um ein gespräch für mor- gens um acht zu vereinbaren – in deutschland kaum denkbar. in japan gehört zum guten ton, was in europa je- dem kind ausgetrieben wird: die nase zieht man hoch, auf keinen fall wird ein taschentuch gezückt. schüttelt in indien jemand wackelnd den kopf, bedeutet das zu- stimmung, europäer aber verstehen das gegenteil. in sri lanka wundert sich mancher über die waschbecken in restaurants, an denen sich die gäste vor und nach dem essen die hände waschen. gegessen wird mit den fingern der rechten hand. dort fragen sich die men- schen eher, ob nicht vor ihren augen gespülte messer und gabeln wirklich sauber sein können. wenn west- europäer kasachen zum tee bewirten und die tasse gut füllen, kann es passieren, dass der gast überraschend schnell wieder aufbricht. denn in kasachstan ist zwar immer zeit für einen tee, aber eine volle tasse signali- siert nicht etwa besondere gastfreundschaft, sondern eile des gastgebers. ecuadorianer halten europäer für ziemlich verrückt, wenn die mit ihrem hund gassi ge- hen. dort sind die vierbeiner allein unterwegs – und kommen trotzdem zurück. unterschiede prallen auch oft aufeinander, wenn es um persönliche dinge wie den tod geht. stirbt in europa ein angehöriger, wird in aller stille kondoliert. in afrika- nischen ländern hingegen kommt meist nicht nur die indigene völker projekt: mehr rechte für minderheiten durchsetzen auftraggeber: auswärtiges amt politischer träger: vizeministerium für interkulturalität des peruanischen kulturministeriums laufzeit: 2012 bis 2016 peru fast ein drittel der peruanischen bevölkerung gehört einem indigenen volk an. diese ethnien sind immer noch benachteiligt und stärker als andere von armut betroffen. das projekt soll helfen, ein neues konsultationsrecht anzuwenden und indigene bevölkerungsgruppen besser in gesetzgebende prozesse einzubinden, indem sie vorher angehört werden. www.giz.de/de/weltweit/13344.html 1 aus der arbeit der frauen projekt: stärkere integration von frauen ins wirtschaftsleben auftraggeber: bundesministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit und entwicklung politische träger: regierungen von ägypten, jordanien, marokko, tunesien laufzeit: 2010 bis 2016 naher osten und nordafrika trotz fortschritten sind frauen in dieser region immer noch weniger aktiv an der wirtschaft beteiligt als irgendwo sonst auf der welt. dem sollen medienkampagnen und eine bessere qualifizierung von frauen dauerhaft entgegenwirken. www.giz.de/de/weltweit/15981.html foto: getty images/hanan isachar (s. 19)
akzente 1/16 19 » großfamilie ausgiebig zusammen. wer zufällig in der ge- gend ist, wird in die trauergesellschaft eingemeindet – und soll vielleicht in der ihm bis dahin unbekannten gruppe auch gleich eine ansprache halten. das eigene leben nach lust und laune gestalten im westen haben sich viele menschen daran gewöhnt, dass eine familie ganz verschiedene formen annehmen kann. ob jemand allein lebt, mit oder ohne trauschein, mit eigenen kindern oder fremden, frauen frauen oder männer männer heiraten, interessiert kaum mehr je- manden. vom recht darauf, dass alle ihre sexuelle orien- tierung frei ausleben können, ist die welt allerdings noch weit entfernt, auch wenn beim eurovision song contest 2014 conchita wurst mit bart in frauenkleidern den ti- tel holen konnte. in rund 80 staaten ist homosexualität immer noch verboten, 38 davon liegen in afrika. uganda wollte trotz massiver internationaler proteste noch 2014 die todesstrafe dafür einführen. sieben länder sehen für gleichgeschlechtliche liebe den tod vor. „eine zivilisation soll danach beurteilt werden, wie sie ihre minderheiten behandelt.“ mahatma gandhi, indischer widerstandskämpfer und pazifist 10 bis 20 prozent der weltbevöl- kerung gehören einer minder- heit an. diese schätzung der vereinten nationen – genaue zahlen gibt es nicht – ent- spräche zwischen 700 millionen und 1,4 milliarden menschen. quelle: un-hochkommissariat für menschenrechte wenn drei weltreligionen friedlich zueinanderfinden – wie hier beim „fest der feste“ im israelischen haifa. akzente 1/1619
akzente 1/16 20 akzentuiert
akzente 1/16 21 akzentuiert im russland von präsident putin muss sogar mit kon- sequenzen rechnen, wer in der öffentlichkeit über das thema spricht. selbst in ländern, die homosexualität nicht verboten haben, verheimlichen schwule und les- ben oft ihre neigung, wie das beispiel der katholisch ge- prägten philippinen zeigt. auch in deutschland währt diese freiheit noch nicht lange: paragraf 175 des straf- gesetzbuches stellte sex zwischen männern bis 1994 un- ter strafe. in der zwischenzeit hatte das land zwar ei- nen bekennend homosexuellen außenminister, viele (vor-)urteile von damals bestehen aber durchaus bis heute. deutsche vergessen manchmal, dass rechte, die sie lautstark von anderen fordern, auch im eigenen land recht neu sind: ehefrauen dürfen nach dem bürgerlichen gesetzbuch erst seit ende der 1950er jahre über ihr geld entscheiden. arbeiten ohne die ausdrückliche erlaubnis des ehemannes dürfen sie sogar erst seit 1977. wer zur mehrheit zählt oder in einer liberalen um- gebung lebt, ahnt oft nicht, wie es sich anfühlt, teil der „anderen“ zu sein. „gringa, gringo“, „weiße“ raunten einheimische irritiert, als wir in den 1990er jahren in peru abends während der heiligen woche zu fuß zu einer kathedrale unterwegs waren. damals wütete noch die terrorgruppe „leuchtender pfad“ in dem andenstaat. kaum ein ausländer wagte sich ins landesinnere, schon gar nicht nach sonnenuntergang und ohne auto. ähn- liches kann einem auch in den usa widerfahren: wer als weiße den melting pot new york gen new jersey ver- lässt, um in die schwarzen mittelstands-vororte zu fah ren, hört von polizisten und schwarzen busfahrern die ungläubige frage: „wollen sie wirklich da hin?“ am ziel folgen „das kann doch nicht sein“-blicke jugendli- cher, als käme ein alien. die meisten weißen trauen sich nicht in die gegend. und viele schwarze wissen nicht, dass sie praktisch in einem ähnlichen umfeld leben wie die weiße mittelschicht – weil sie deren viertel meiden. doch selbst, wenn wir uns eigene eindrücke ver- schaffen, können wir dann immer sicher sein, dass wir richtig einschätzen, was wir sehen? oder denken wir vor allem in kategorien von schwarz und weiß? sind uns grautöne zu anstrengend? nehmen wir die schleier muslimischer frauen. für viele christen steht fest: dahinter steckt immer eine ent- rechtete frau. doch die realität ist – wie so oft – kompli- zierter. längst ist der schleier zu einer art kulturkampf- zone geworden und daher eine besonders delikate sache. ein blick nach pakistan mag das dilemma verdeutlichen: manche professorin trägt ihr kopftuch als sichtbares zei- chen gegen vermeintliche feinde im westen, gleichzeitig ziehen viele studentinnen ihre dupatta nur übers haar, wenn der koran zitiert wird, muezzin oder vater rufen – aber nie im basar. eine verschleierte im konservativen grenzgebiet wirft der ausländerin ohne kopftuch einen unerträglichen affront vor, eine andere sagt: „mach doch, was du willst. ich brauche den respekt meiner leute, um für die rechte von frauen zu kämpfen, also trage ich schleier.“ heute legen zwar viele mädchen ein kopftuch um, sind aber zugleich mit der eigenen vespa unterwegs. und dann wieder gibt es die eloquente frau aus den quasi unzugänglichen stammesgebieten: sie hat studiert, arbei- tet seit jahren im ausland und hat der familie wegen dennoch einer arrangierten ehe zugestimmt. bei besu- chen zu hause geht sie im ganzkörperschleier an der hand ihres bruders, damit sie nicht fällt, weil sie prak- tisch nichts sieht. selbst der schleier birgt also eine ge- wisse vielfalt. vielfalt, die konservativen missfällt: jenen selbst er- nannten tugendwächtern im alltag auch vieler ara- bischer länder, denen es vor allem um macht über an- dere geht. sie allein wollen definieren, was sich gehört und was nicht. furchtbarstes beispiel dafür sind die brutalen islamisten des sogenannten „islamischen staats“, die sich derzeit mit gewalt die ganze welt » fotos: getty images/veronique lee (s. 20), ullstein verlag (2. 21) es gibt ihn nicht, den einen schlüssel zum glück. jeder muss seinen weg selbst finden – und akzeptieren, dass es auch unendlich viele andere wege gibt. fast schon ein klassiker: facebook-vorstandsmit- glied sheryl sandbergs aufruf an alle frauen, vor führungsaufgaben nicht zurückzuschrecken, son- dern beherzt nach oben zu streben. „lean in. frauen und der wille zum erfolg“. ullstein verlag „meine vorstellung von einer perfekten welt ist, dass wir (...) alle gleichbe- rechtigt, aber auf keinen fall gleich sind.“ barbra streisand, us-amerikanische schauspielerin akzente 1/1621
internationale giz die giz ist bereits ein sehr vielfältiges unternehmen mit einem hohen anteil an mitarbeitern, die in ihrem jeweiligen heimatland für die giz arbeiten, und vielen frauen, auch in führungspositionen. der vorstand ist mit einem frauenanteil von 50 prozent beispielhaft. 140 nationalitäten 69% lokale mitarbeiter 45% frauen 32 % naher osten/nordafrika 8 % afrika südlich der sahara europa/kaukasus asien/pazifik zentralasien lateinamerika/karibik 21 % 7 % 11 % 21 % die lokalen mitarbeiter der giz verteilen sich über den ganzen globus, mit dem größten anteil in afrikanischen ländern südlich der sahara und dem kleinsten in europa und dem kaukasus. mehr innovationen die chefs großer firmen erachten diversity laut einer forbes-umfrage mehrheitlich als entscheidenden treiber für innovationen. 48 % 37 % höheres wachstum wenn frauen in allen ländern gleichberechtigt am arbeits- markt teilhätten, könnte das wirtschaftswachstum global um 26 prozent steigen. +35 % bessere umsätze firmen mit gemischter belegschaft haben eine deutlich höhere wahrscheinlichkeit, überdurchschnittliche umsätze zu erzielen, als homogene firmen: die sogenannte „diversity- dividende“ liegt bei 35 prozent. + 35% vielfalt gilt inzwischen als wichtiger baustein für wirtschaftlichen und politischen erfolg. ob geschlecht, religion, ethnie, sexuelle orientierung oder behinderung - unterschiedlich zu- sammengesetzte firmen, teams und parlamente, so die ergebnisse neuerer studien, arbeiten besser und erreichen mehr, weil sie ideen und kompetenzen aus einer größeren quelle schöpfen können. doch diversität herzustellen, ist nicht immer leicht. diversity gewinnt
23 akzentuiert mit ihrer menschenverachtenden interpretation von kultur, religion und gesellschaft untertan machen, al- les andere vernichten wollen. mehr und weniger abwechslung zugleich selten ist die bedrohung derart monströs. doch in vielen regionen fürchten menschen um ihre sprache, ihre tra- dition, also ihre identität. immer öfter verlangen sie des- halb mehr rechte: katalanen in spanien, schotten in großbritannien, kurden in der türkei, tamilen in sri lanka. die erfahrung zeigt: nur wenn alle gruppen in einer gemeinschaft schutz genießen und gehört werden, bleibt es auf dauer friedlich. meint die mehrheit zu lange, sie könne die minderheit beherrschen oder igno- rieren, ist das allzu oft das einfallstor für militante. auf dem papier gibt es immer mehr rechte, doch gleichzeitig nimmt die kulturelle vielfalt ab. studien zu- folge verschwindet alle zwei wochen irgendwo auf der welt eine sprache. vielerorts geht schleichend auch das wissen um die ernährung verloren, weil menschen „mo- dern“ essen und trinken wollen. mediziner registrieren in haiti wie indien steigende zahlen dicker kinder und junger diabetiker. obwohl ihre familien gemüse oder obst anbauen könnten, gibt es softdrinks und burger. in industrieländern ist es kaum besser. nach jüngsten stu- dien schätzen die deutschen speisen fremder länder. ähnlich wie in den usa essen sie aber mittlerweile am liebsten im restaurant oder unterwegs oder bereiten ab- gepackte fertiggerichte zu. immer weniger deutsche ko- chen selbst, manche haben sogar ihren herd abgeschafft. globalisierung macht manches einfacher. viele ru- ander zum beispiel hatten eher handys als leute in in- dustrieländern. aus einem einfachen grund: früher gab es telefone nur in der hauptstadt kigali und vielleicht in einem laden pro dorf, weil es sehr mühsam und teuer gewesen wäre, ein ganzes unwegsames land mit kabeln zu durchziehen. das flächendeckende angebot kam erst mit dem mobilzeitalter – und dann griffen die menschen schnell zu. inzwischen gehören die mobilen geräte in vielen ländern afrikas zum alltag und erleichtern selbst bauern die arbeit: die app icow zum beispiel erinnert kenias viehbauern per sprachnachricht an termine, gibt tipps zum füttern und melken. in ghana existiert ein service namens esoko, mit dem bauern die marktpreise vergleichen und so herausfinden können, ob der zwi- schenhändler sie übervorteilen will. neue vielfalt. doch die globalisierte wirtschaft führt auch zu uniformität: in buenos aires wird der gleiche tablet- » „7 milliarden andere“ heißt ein videoprojekt, bei dem tausende von men- schen fragen über ihre wünsche und sehnsüchte beantworten. die filme zeigen, dass die menschen, trotz aller unterschiede, gar nicht so viel trennt. www.7billionothers.org/de quellen: mckinsey, forbes, giz, national academy of engineering, unesco, inter-parliamentary union minderheit in parlamenten nur knapp 22 prozent aller parlamentarier weltweit sind frauen. die höchste quote haben mit mehr als 40 prozent die nordischen länder, die niedrigste hat mit rund 13 prozent die region pazifik. der staat mit dem höchsten frauenanteil im parlament ist ruanda; er lag dort im januar 2014 bei 64 prozent. 21,8 % 78,2 % fehlende inklusion rund 57 millionen kinder weltweit besuchen keine grundschule. etwa ein drittel davon sind kinder mit behinderungen. 57 mio. weiße männer unter sich ingenieure sind in den usa noch immer eine beson- ders homogene gruppe: die meisten sind männer und gehören keiner ethnischen minderheit an. afroameri- kaner und „hispanics“ sind dagegen deutlich unter- repräsentiert. doch inzwischen müssen auch ingeni- eurleistungen stärker auf eine vielfältige kundschaft eingehen - die us-bevölkerung wird immer bunter. 3,1 % afroamerikanisch 4,9 % hispanisch
akzentuiert akzente 1/16 24 » soziale integration projekt: neuen konflikten durch bessere teilhabe vorbeugen auftraggeber: bundesministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit und entwicklung politischer träger: ministerium für nationale sprachen und soziale integration von sri lanka laufzeit: 2002 bis 2017 sri lanka in sri lanka sind verschiedene ethnische gruppen politisch und wirtschaft- lich benachteiligt, was in der vergangenheit immer wieder zu konflikten geführt hat. um dem vorzubeugen, hat die giz zahlreiche konzepte und ak- tivitäten für eine stärkere teilhabe von minderheiten entwickelt. www.giz.de/de/weltweit/18405.html 3 aus der arbeit der biologische vielfalt projekt: programm zum schutz der arten auftraggeber: bundesministerium für umwelt, naturschutz, bau und reaktorsicherheit politischer träger: umwelt- und energieministerium costa ricas laufzeit: 2014 bis 2020 costa rica costa rica gehört zu den 20 artenreichsten ländern der erde. um diesen reichtum zu bewahren, hat es bereits rund ein viertel seiner fläche unter allgemeinen naturschutz gestellt. für das überleben vieler arten ist es zu- dem wichtig, diese flächen zu verbinden. deshalb richtet costa rica nun sogenannte „biokorridore“ ein. die giz unterstützt das land dabei. www.giz.de/de/weltweit/35382.html 4 computer genutzt wie in neu-delhi, in washington der gleiche kaffee wie in rom angeboten. immer öfter be- schleicht menschen die angst, die vernetzung sei gift für die vielfalt. ein beispiel dafür ist die auseinandersetzung um das handels- und investitionsabkommen ttip, über das europäische union und usa derzeit verhandeln. kaum ein politiker hatte sich träumen lassen, dass ein derart sperriges thema mehr als 150.000 demonstranten nach berlin locken würde, wie im herbst 2015 gesche- hen. doch es geht um zentrale bereiche des lebens. wer- den 1,3 millionen jobs neu geschaffen oder fallen 600.000 weg? bedeutet es das aus für arbeitnehmer- rechte, verbraucherschutz, lebensmittelsicherheit und regionale produkte wie feta-käse oder schwarzwälder schinken? der wirtschaftsminister hält in ganzseitigen anzeigen dagegen, die vielfalt bleibe erhalten. verfechter und gegner argumentieren mit härte wie bestimmtheit. konzerne wissen, wie kreativ eine bunte mischung sein kann konzerne wissen längst, wie produktiv und kreativ eine bunte mischung sein kann, studien belegen es. in großen unternehmen hat das sogenannte diversity management einzug gehalten; zu den „neuen sozialen wirklichkeiten“ gehören die förderung von frauen und die inklusion von menschen mit behinderungen. dem deutschen verein charta der vielfalt gehören 18 große unternehmen wie adidas, bayer, bmw, die telekom und sap an, 2.300 unterzeichner haben sich dem kodex verpflichtet. „die unternehmen machen das nicht, weil es ‚nice to have‘ ist. als exporteure wissen auch mittelständler, wie wichtig es ist, jeden kunden richtig anzusprechen“, so die ge- schäftsführerin des vereins, aletta gräfin von harden- berg. „wir können wirtschaftlich nur erfolgreich sein, wenn wir die vorhandene vielfalt erkennen und nutzen“, sagt der deutsche bundesjustizminister heiko maas, der sich sehr für diversity einsetzt. doch: nicht nur jede firma, auch das land profi- tiert von vielfalt. dass heute viel mehr frauen mit kin- dern arbeiten als vor zehn jahren, hat ein plus von fast fünf milliarden euro beim deutschen bruttoinlandspro- dukt gebracht. ohne ausländer würden ganze branchen zusammenbrechen, deutsche mit migrationshinter- grund zahlen mehr als 50 milliarden euro steuern im jahr. und nur wenige wissen: jeder dritte spitzenmana- ger in deutschland hat keinen deutschen pass. doch diese vielfalt bringt auch allerlei reibung mit sich. oft greifen wir beim umgang mit anderen auf un- bewusste denkmuster und vorurteile zurück. das hat
akzente 1/16 25 ihr unternehmen schreibt diversity ganz groß. warum ist das so? der grund ist ganz einfach: wir sind in 220 ländern und territorien tätig und da- mit eines der internationalsten unter nehmen überhaupt. unsere rund 490.000 mitarbeiter kommen aus allen ländern, kulturen und religionen dieser welt. ihre verschiedenen sichtweisen wollen und müssen wir ins unternehmen einbringen. dabei geht es uns vor allem um wert- schätzung und motivation unserer be- schäftigten. aber diese vielfalt ist auch der schlüssel für neue märkte, denn sie spiegelt die vielfalt unserer kunden, lieferanten und investoren weltweit wider. aus diesem grund ist diversity bei uns ein fester bestandteil der unternehmens- kultur. was bedeutet die aussage, diversity sei teil der unternehmenskultur, konkret? wir haben 2006 einen verhaltenskodex entwickelt, in dem wir ausdrücklich wert auf ein respektvolles und wertschätzendes arbeitsumfeld legen. aber das ist nicht alles. diversity gilt bei uns auch als managementaufgabe und steht im „pflich- tenheft“ der führungskräfte. sie sorgen dafür, dass in den teams vielfalt herrscht und zum erfolg führt. wie divers ist ihr unternehmen genau? etwa 60 prozent unserer mitarbeiter sind außerhalb deutschlands tätig mit einer bunten vielfalt an nationalitäten, davon wiederum ein gutes drittel außerhalb europas. aber auch unsere rund 200.000 hierzulande angestellten setzen sich aus 160 verschiedenen nationalitäten zusam- men. unser frauenanteil ist mit etwa 36 prozent der weltweiten belegschaft ebenfalls beachtlich. im mittleren und oberen management beträgt ihr anteil fast zwanzig prozent. und der anteil der menschen mit behinderungen liegt in deutschland mit knapp neun prozent etwa doppelt so hoch wie der bundesdeutsche durchschnitt der privaten wirtschaft und deutlich über der gesetzlichen quote. wann und wie haben sie festgestellt, dass diversity für das unternehmen wichtig ist? das thema ist nicht neu für uns. wir be- schäftigen uns seit den 90er jahren damit, damals ging es eher um chancengleichheit zwischen männern und frauen und für menschen mit behinderungen. dann haben wir das thema weiter geöffnet. denn unser unternehmen, eine ehemalige behörde, ist seit der privatisierung in den 90er jahren durch zukäufe und fusionen immer inter- nationaler geworden und hat seine ge- schäftstätigkeit in die ganze welt expan- diert. etwa zwei drittel des umsatzes erzielen wir außerhalb deutschlands; das war vor 15 jahren noch anders. parallel zu diesem fundamentalen wandel ist auch das thema diversity immer wichtiger für uns geworden. wir sind ein „people business“ in einer dienstleistungsbranche, haben mit kunden aus verschiedenen bereichen, kulturen und mit unterschied- licher herkunft zu tun. diese vielfalt wol- len wir mit unserer belegschaft abbilden, um unsere kunden bestmöglich abzuholen. nicht alle länder haben dieselben vorstel- lungen zum beispiel von frauenrechten oder rechten homosexueller. wie gehen sie damit um? von unseren standards im unternehmen selbst, niedergelegt im schon erwähnten verhaltenskodex, rücken wir nicht ab. aber es braucht natürlich eine gewisse sensi bilität gegenüber dem kulturellen umfeld oder den gesetzlichen gegebenheiten in einzelnen ländern. in bezug auf diversity management bedeutet das, dass in den regionen und ländern unterschiedliche handlungsschwerpunkte gesetzt werden. entsprechend unterschiedlich haben wir auch unsere „diversity-trainings“ ausge- staltet. mit der jährlichen „diversity week“ greifen wir das thema global auf. wo in ihrem unternehmen gibt es in sachen vielfalt noch nachholbedarf? unser ziel ist eine nachhaltige personal arbeit, um vielfalt für den unternehmens- erfolg zu sichern. so wie sich unsere um- welt, märkte und demografien entwickeln, wird sich auch diversity management im- mer weiterentwickeln. denn für uns steht außer zweifel, dass vielfalt einen einfluss auf servicequalität, engagement und motivation hat – und damit ein echter wettbewerbsvorteil ist. interview: friederike bauer „die vielfalt der kunden abbilden“ susanna nezmeskal-berggötz ist seit 2005 abteilungsleiterin für diversity bei der deutsche post dhl group. für sie ist diversity ein wichtiger wirtschaftsfaktor im globalen wettbewerb um märkte und kunden. „wir legen wert auf ein respektvolles und wertschätzendes arbeitsumfeld.“ foto: deutsche post dhl group akzente 1/1625
akzentuiert akzente 1/16 26 wenn für jeden etwas dabei ist – reichhaltiges angebot in einem westlichen supermarkt. der film eines us-ameri- kanischen autozulieferers zeigt in zwei minuten, worum es bei vielfalt geht. (nur auf englisch) www.youtube.com/ watch?v=g19s2h037zg nicht allein mit psychologie zu tun, die wir mit bildung aushebeln können, sagen forscher. demnach prägen tief im hirn verschaltete biologische mechanismen unseren blick auf diversität. das hirn speichert unsere erfah- rungen und ruft sie für entscheidungen automatisch ab. das könnte eine erklärung dafür sein, warum es so lange dauert, bis verzerrungen korrigiert sind – etwa dass erst nach all den jahren männlicher dominanz auch weib- liche führungskräfte als „normal“ wahrgenommen wer- den oder menschen oft personen aus dem eigenen kul- turkreis anderen vorziehen. offenbar sind unsere inneren bilder schlicht allge- genwärtig – auch jeder noch so liberale mensch kann sein leben auf der inneren festplatte nicht einfach lö- schen. jessica gedamu und albert kehrer, die nach dem vorbild von poetry-slams vorurteile in kurzen bühnen- shows aufgreifen, nennen die eher impulsiv erfolgenden reaktionen des gehirns unseren „homer-simpson-an- teil“. den sollten wir uns neben unserem eher rationalen „mr. spock“-handeln immer bewusst machen – um ihn nicht stören zu lassen. vielfalt braucht austausch. kennenlernen hilft und schafft neue erfahrungen, die alte überlagern können. nur so entsteht akzeptanz. doch vielfalt erfordert kom- promisse. wer toleranz für sich erwartet, muss sie auch anderen entgegenbringen. das kann im alltag anstren- gend sein und bringt auch zumutungen mit sich – für alle seiten. sich aneinander zu gewöhnen, kostet zeit, mehr als mancher enthusiast gern hätte oder persönlich braucht. toleranz heißt grenzen ausloten – aber auch setzen. das miteinander braucht klare regeln, an die sich alle halten, damit jeder zu seinem recht kommt, die ei- nen nicht unter den anderen leiden. europa erlebt in dieser hinsicht gerade ein experi- ment: wie die vielen flüchtlinge aufgenommen und in die gesellschaft integriert werden, ist für einheimische wie zuziehende eine prüfung. doch es geht weit darüber hinaus: die welt beobachtet, wie kulturen einen aus- gleich finden. es könnte ein großes vorbild entstehen. www.giz.de/gender www.giz.de/unternehmensbericht
akzentuiert akzente 1/16 27 toleranz auf jordanisch ein gastbeitrag von lana mamkegh zur person lana mamkegh ist kulturministerin in jorda- nien. die gelernte journalistin und autorin setzt sich vehement für kulturelle vielfalt in ihrem land und andernorts ein. d ie menschliche kultur ist geprägt von vielfalt, da sie für eine vielzahl an glau- bensformen, verhaltensweisen, spra- chen, religionen, gesetzen, künsten, tech- nologien, sitten, traditionen, bräuchen sowie ökonomischen und politischen systemen steht. daher muss die zugehörigkeit zu einer gruppe keineswegs die verneinung einer an- deren mit sich bringen. und sie muss auch nicht deren herabsetzung bedeuten. um un- sere eigene gruppe angemessen vertreten zu können, müssen wir vielmehr andere identi- täten respektieren, wenn diese auch unsere respektieren sollen. deshalb sollte der staat jeder gruppe das gefühl geben, teil des sys- tems zu sein und vom staat repräsentiert zu werden. das geht nur, indem erträge fair ver- teilt und glaubens- sowie meinungsfreiheit garantiert werden. jordaniens soziales gefüge ist religiös und ethnisch divers. es gibt eine religiöse und eine ethnische mehrheit, dennoch war nie von minderheiten im üblichen sinne die rede. schon allein das ist ein deutlicher hin- weis auf die bestehende vielfalt im land, die wiederum eine kollektive identität schafft. dazu wäre es ohne entsprechend offene ge- setze niemals gekommen. die freiheit, die eigene kulturelle iden- tität auszuleben, ist also vorhanden. sie wird gestützt durch eine beispielhafte akzeptanz in der bevölkerung. bisher wurde kein vor- fall bekannt, bei dem bestimmte kulturelle praktiken gesellschaftlich missbilligt worden wären. sondern es sind im gegenteil regel- mäßig fälle von gegenseitiger wertschätzung zu beobachten. das kulturministerium lässt verschie- denen kulturellen, ethnischen und religiösen gruppen, vereinen und zivilgesellschaftlichen institutionen so viel unterstützung wie mög- lich zukommen. jeder, der sich dafür interes- siert, kann auf der website des ministeriums sehen, wie zahlreiche kulturelle institutionen unter diesem dach miteinander verbunden sind. quer durch alle teile des gesellschaft- lichen gefüges – von der subtropischen steppe und der wüste bis hin zur großstadt – ist allen kulturellen gruppen das recht garantiert, ih- ren jeweiligen besonderheiten ausdruck zu verleihen. die einzige einschränkung ist: sie müssen dabei die gesetzlich garantierten gren- zen anderer respektieren. um alle kulturellen ausdrucksformen zu schützen, braucht es eine atmosphäre der offenheit und des austauschs. nur dann können individuen, gruppen und nationen die energien freisetzen, die nötig sind, um menschliche entwicklung voranzubringen. andernfalls kapseln wir uns durch das stre- ben nach ethnischer, sozialer und kultureller reinheit ab. dann werden die nach mensch- licher entwicklung strebenden bewegungen behindert – durch böswillige und rückwärts- gewandte kräfte. für nachhaltige entwicklung gibt es viele definitionen, aber alle stimmen in zwei punkten überein: sie muss in die zukunft wirken, das ergibt sich aus dem wort „nach- haltig“. und sie muss umfassend sein, indem sie alle mitnimmt und indem sie die ökono- mische, soziale und kulturelle entwicklung in einklang bringt. das bedeutet, den hori- zont so zu erweitern, dass eine echte partner- schaft zwischen den generationen im um- gang mit den natürlichen lebensgrundlagen entsteht. und es bedeutet, eine wahre part- nerschaft zwischen den menschen trotz kul- tureller unterschiede zu schaffen. daraus folgt: nachhaltige entwicklung und kulturelle vielfalt bestärken einander; die abwesenheit der einen wirkt sich nega- tiv auf die andere aus. daher schadet es zwangsläufig der entwicklung generell, ir- gendeinen teil der gesellschaft auszuschal- ten. vielmehr gilt: nachhaltige entwick- lung ist erst dann wirklich eine, wenn jeder dazu beitragen kann. foto: getty images/chuck keeler (s. 26), illustration: elliot beaumont (s. 27) akzente 1/1627
fotografiert
plastikflaschen bezaubern in einer vom museum für nationale identität in tegucigalpa, honduras, beauftragten installation. ziel ist es, den blick für den wert gebrauchter materialien zu schärfen und zum recycling zu ermuntern. eine nachhaltige abfall- und kreislaufwirtschaft wird zunehmend als wichtiger beitrag zur lösung von problemen wie rohstoffknappheit und umweltverschmutzung erkannt. fotograf: jorge cabrera gebrauchtes neu sehen
akzente 1/16 30 erklärt lutz zimmermann leitet bei der giz den personalbereich. die zusammenarbeit von menschen mit verschiedenen hintergründen ist bei der giz selbstverständlich – ein selbstläufer ist sie nicht. welche bedeutung vielfalt hat und wie der gemeinsame alltag aussieht, erklärt lutz zimmermann. erfolgsfaktor diversity f ür die giz ist diversity alles andere als ein modethema. ohne vielfalt bei unse- ren kolleginnen und kollegen könnten wir überhaupt nicht arbeiten. unsere auf- traggeber, unsere partner, unsere zielgruppen in der ganzen welt – sie alle sind vielfältig. es liegt also in der natur der sache, dass auch wir selbst es sind. diese vielfalt zeigt sich etwa an der ho- hen zahl von mitarbeiterinnen und mitar- beitern, die in ihrem jeweiligen heimatland für uns arbeiten. ihr anteil an den mehr als 16.000 giz-mitarbeitern weltweit liegt bei rund 70 prozent – tendenz steigend. die lo- kalen mitarbeiter spielen aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ eine wichtige rolle. wir müssen auf die speziel- len bedingungen unserer einsatzländer ein- gehen, dafür brauchen wir die landeskennt- nis und die erfahrung dieser kolleginnen und kollegen. sie sind unser türöffner und unser gesicht in den ministerien, partner- organisationen und institutionen der einzel- nen länder. dass die mitarbeiterschaft der giz so verschieden ist, liegt aber auch daran, dass wir zunehmend europäische und internatio- nale fachkräfte rekrutieren. besonders deut- lich zeigt sich das in ländern, in denen wir vor allem im auftrag von regierungen an- derer staaten, internationalen einrichtun- gen oder unternehmen arbeiten. vielfältig ist natürlich auch unsere repräsentanz in brüssel – dort arbeiten frauen und männer aus zwölf verschiedenen ländern. in afrika hat die giz ebenfalls viele gesichter, in unserem büro in ghana sind zehn nationalitäten vertreten, in botsuana sind es neun. die mitarbeiter kommen aus dem land selbst, aus der region und aus anderen ländern auf der ganzen welt. aller- dings: eine hohe diversität ist nicht in allen unseren büros möglich. in ländern mit eth- nischen und religiösen spannungen wäre eine solche zusammenarbeit deutlich schwieriger. zum beispiel wird dagegen sonntags ganz selbstverständlich gearbeitet. auch in ande- ren ländern der welt sind job und freizeit viel stärker vermischt, gehen fließend inein- ander über. in solchen fällen kann man nicht ein- fach das deutsche modell überstülpen – ge- fragt sind kulturadäquate antworten. viel- falt muss gesteuert und geregelt werden. es wäre allerdings ein fehler zu glauben, man könne das von eschborn oder bonn aus für die ganze welt tun. wir haben eine policy, die wichtige orientierungspunkte bietet, ansonsten aber wird die zusammenarbeit vor ort gestaltet. dafür gibt es keine ein- heitlichen vorgaben und kein einheitliches management – sondern ein diverses. uns auf andere arbeitskulturen einzu- stellen ist umso wichtiger, als die bedeutung unserer nationalen und internationalen kol- legen in zukunft noch wachsen wird. die projekte unserer verschiedenen auftragge- ber erfordern ein zunehmend spezielles know-how, das wir in deutschland nicht immer finden. und die lokalen mitarbeiter sind vielerorts schon heute das rückgrat un- serer arbeit. ausbildungsniveau und quali- fikation der menschen in den partnerlän- dern steigen – sie bringen eine hohe fach- und managementkompetenz mit. wir haben weltweit inzwischen rund 900 natio- nale führungskräfte. das ist eine entwick- lung, die wir unterstützen und die dazu bei- trägt, unsere arbeit noch erfolgreicher zu machen. frühere beiträge aus der rubrik „erklärt“ über die arbeit der giz finden sie hier: akzente.giz.de überhaupt ist vielfalt kein selbstläufer. wo menschen unterschiedlicher herkunft zu- sammenkommen, stoßen auch verschiedene arbeitskulturen, gewohnheiten und erwar- tungen aufeinander. was für den einen selbstverständlich ist, muss es für den ande- ren längst nicht sein. so unterscheiden wir deutschen etwa sehr klar zwischen arbeit und freizeit. wir sind daran gewöhnt, sams- tags und sonntags frei zu haben und das büro zu schließen. im südasiatischen raum illustration: elliot beaumont
endlich arbeit pakistan wie das land sein ausbildungssys- tem verbessert – und damit bewegung in das leben von misbah naz bringt. seite 32 reiche ernte äthiopien wie berhanu hiluf und weitere landwirte vom erfahrungsaustausch unterein- ander profitieren. seite 36 ein neues leben irak wie familie iljaz in dohuk schutz vor krieg und terror findet – und auch neue zuversicht. seite 40 engagiert wo die giz im einsatz ist, wie sie neue aufgaben angeht, was ihre projekte bewirken: drei aktuelle beispiele aus der arbeit im irak, in äthiopien und pakistan.
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engagiert 33 akzente 1/16 w enn misbah naz um neun uhr morgens ihren arbeitsplatz im zen- trum von lahore erreicht, knattert vor der tür bereits ein alter stromgenerator. dreirädrige autorikschas wirbeln staub auf, der bis in die nase dringt. in dem büroge- bäude, das sich mehrere internationale un- ternehmen teilen, führt eine schwarze wen- deltreppe nach oben. hinter einer glastür, auf der das logo der deutschen bahn klebt, empfängt ein rezeptionist mit dichtem bart und bunter gebetskappe die besucher. hier hat cei supply chain ihren sitz, die pakista- nische partnerfirma des deutschen logistik- unternehmens db schenker. seit 20 jahren koordinieren die mitarbeiter transporte durch ganz pakistan. naz ist die neue im team. die 25-jäh- rige trägt eine reich verzierte tunika, wie sie für pakistanerinnen typisch ist. von ihrem schreibtisch in der abteilung für entwick- lung aus analysiert naz den markt, setzt preise für angebotene dienstleistungen fest und durchsucht das internet nach potenziel- len kunden. „ich gebe mein bestes. am meisten freue ich mich, wenn ich einen aus- sichtsreichen auftrag für meine firma an land ziehe“, sagt sie. freude bei der arbeit sei das a und o. außerdem könne sie ihre stärke im kommunizieren zeigen. naz muss lachen: „ich habe schon immer gerne gere- det. hier erhalte ich die gelegenheit dazu.“ das deutsche system als inspiration in lahore ist misbah naz eine der ersten ab- solventinnen des dualen ausbildungspro- gramms, das die giz im auftrag des bundes- ministeriums für wirtschaftliche zusammen- arbeit und entwicklung und in kooperation mit der pakistanischen regierung entwickelt hat. zusätzlich beteiligen sich die europä ische union sowie die regierungen der nie- derlande und norwegens finanziell an dem großangelegten reformprogramm. wo be- rufsschulen in pakistan früher nur graue theorie vermittelten, sollen die auszubilden- den nun von anfang an den realen berufs- alltag kennenlernen. inspiration dafür bie- tet das deutsche duale ausbildungssystem, in dem schulische und betriebliche ausbildung eng verknüpft sind. übergeordnetes ziel der deutsch-pakistanischen zusammenarbeit ist eine grundlegende reform der beruflichen bildung im land. auch naz hatte nach ihrem vierjährigen wirtschaftsstudium kaum erfahrung mit der praxis. wie die meisten ihrer freunde fand sie als uniabsolventin keinen job. daher be- warb sie sich für die einjährige ausbildung zur kundenberaterin. sechs monate berufs- schule später trat sie bei cei supply chain eine traineestelle im bereich logistik an. ihrem chef amir munir fiel die wahl nicht schwer. gleich im ersten vorstellungs- gespräch habe er gespürt, dass naz seine firma bereichern wird. „sie ist sehr ehrgeizig und weiß, wie man sich im geschäftsleben die pionierin: misbah naz gehört zu den ersten absolventen des neuen ausbildungsprogramms. sie fand sofort eine passende stelle. alle theorie ist grau? in pakistan gehört zur beruflichen bildung deshalb immer öfter auch die praxis. die landesweite reform der ausbildung liefert bereits deutliche erfolge, wie etwa die geschichte von misbah naz zeigt. endlich arbeit text marian brehmer fotos abdul majeed goraya shazia kanwal, verbindungsbeauftragte der giz im territorium gilgit-baltistan „meine stelle im programm zur unter- stützung der berufsbildungsreform gibt mir das gefühl, für eine gute sache zu arbeiten. es ist mein beitrag zur entwick- lung meiner region – gilgit-baltistan ist meine heimat. die giz bietet mir eine umgebung, in der ich mich einbringen kann. ich darf eigene ideen umsetzen und bekomme wertvolle rückmeldung.“
34 akzente 1/16 dem die zentral- und provinzverwaltungen kaum miteinander kooperieren. naz’ theoretische ausbildung bestand aus den fächern kundenservice, soziale kompetenzen, informatik und englisch. zu beginn ihrer praxisphase erfuhr sie bei cei supply chain alles über die produkte von db schenker. sie lernte, mit nie gehörten begriffen wie „freight forwarding“, also frachttransport, umzugehen. danach be- kam sie einblick in die verschiedenen abtei- lungen. „ich beherrsche jetzt jede aufgabe hier. wenn irgendwo jemand ausfällt, kann ich seine arbeit erledigen.“ das ist auch das verdienst einer mento- rin, die die auszubildenden bei cei supply chain während der praxisphase betreut. die mentoren werden in von der giz organi- sierten pädagogikseminaren in deutschland auf ihre aufgabe vorbereitet. eine ausbildung hat bislang wenig prestige naz gehörte bis vor kurzem noch zur größ- ten altersgruppe ihres landes: mehr als die hälfte der 185 millionen einwohner ist jün- ger als 25 jahre. pakistan hat damit nicht nur eine der jüngsten bevölkerungen der welt, sondern auch eine hohe zahl an schulab- gängern. „das ist ein enormes potenzial an arbeitskraft, das jedoch für die wirtschaftli- che entwicklung des landes bisher kaum ge- nutzt wird“, erklärt hans-ludwig bruns von der giz. nur weniger als zehn prozent der jun- gen menschen entscheiden sich für eine be- rufsausbildung, die als wenig prestigeträch- tig gilt. stattdessen strömen die meisten an die universitäten, um dann oft wegen man- gelnder praxiserfahrung in der arbeitslosig- keit zu landen. hinzu kommt, dass ein gro- ßer teil der pakistanischen wirtschaft aus nicht formalisiertem handwerk besteht. zwischen dem büro von cei supply chain und lahores größter berufsschule liegt eine belebte basarstraße. verkäufer, schlachter, floristen – hier brummt der sogenannte in- formelle sektor. väter übertragen ihre be- rufe auf söhne und töchter, ohne eine for- zusätzlich in der akzente-app und auf der website: sanita (18) berichtet von ihrer it-ausbildung. akzente.giz.de oben: auszubildende der elektrotechnik lernen in der staatlichen technischen berufsschule in lahore den berufsalltag kennen. unten: ganz nah dran – ein azubi arbeitet an der werkbank (links). die logistikerin misbah naz hat immer eine landkarte parat, etwa um transportrou- ten durch ganz pakistan zu koordinieren (rechts). verhalten muss“, schwärmt der manager. seine firma gehört zu den rund 80 unter- nehmen in lahore und karatschi, die nach dem neuen verfahren ausbilden. ob er nach einführung des dualen sys- tems bei seinen auszubildenden einen un- terschied feststelle? „selbstbewusstsein“, ant- wortet munir ohne zögern. außerdem seien die jungen menschen besser vorbereitet. „was die berufsschüler im unterricht in der schule lernen, passt nun mit dem zusam- men, was sie im unternehmen erfahren.“ den lehrplan für die logistik-ausbildung hat munir gemeinsam mit der giz entwi- ckelt. die standardisierung von lehrplänen an den rund 3.500 pakistanischen berufs- schulen ist eine herausforderung – nicht einfach zu bewältigen in einem land, in
engagiert 35 akzente 1/16 > ansprechpartner hans-ludwig bruns > hans-ludwig.bruns@giz.de male qualifikation zu haben – also ohne staatliche anerkennung. daher unterstützt die giz pakistan dabei, landesweit einheitli- che zertifizierungen einzuführen. „fragt mich!“ - lehrer fördern selbstbewusstsein im „government technical training insti- tute“, der staatlichen technischen berufs- schule, werden die berufsanwärter bereits systematisch an ihr metier herangeführt. zi shan qureshi bildet hier seit 1993 elektro- techniker aus. seit kurzem unterrichtet der 45-jährige nach dem lehrplan des deutsch- pakistanischen ausbildungsprogramms. ei- nes der ziele war es, die schüler zur interak- tion und zum nachfragen zu ermuntern. in- zwischen seien die schüler ihm gegenüber nicht mehr so gehemmt, meint qureshi. im unterrichtsraum für fortgeschrittene elektrotechnik schrauben 13 schüler in ak- kurat gebügelten schuluniformen mit voller aufmerksamkeit an modellplatten, auf de- nen farbige glühbirnen angebracht sind. an einer pinnwand hängen verblichene skizzen komplexer schaltkreise. in ein paar monaten werden sich die jungen männer bei einem der ausbildungsbetriebe bewerben. während des trainings bekommen sie in den firmen ein durchschnittliches stipendium von 8.500 rupien, etwa 75 euro. „am ende der ausbil- dung haben die schüler ein gefühl für das große ganze“, sagt qureshi. „auch der ruf, den manuelle arbeit in der gesellschaft hat, wandelt sich langsam.“ misbah naz verdient monatlich 18.000 rupien, rund 160 euro und etwa ein drittel mehr als der gesetzliche mindestlohn. von dem gehalt trägt sie auch zum familienein- kommen bei. damit will sie etwas von der unterstützung durch ihre eltern zurückge- ben. die sind stolz auf das, was ihre tochter erreicht hat – sie ist die erste frau in der fa- milie mit einer eigenen karriere. hauptstadt: islamabad einwohner: 185 millionen1 bruttoinlandsprodukt: 246,9 milliarden usd1 wirtschaftswachstum: 5,4 prozent1 rang im human development index: 146 (von 187) quelle: 1 weltbank 2014 fit für den job projekt: unterstützung der berufsbildungsreform in pakistan auftraggeber: bundesministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit und entwicklung politischer träger: pakistanische nationale kommission für berufsbildung laufzeit: 2011 bis 2016 millionen jungen menschen, die jedes jahr auf den pakistanischen arbeitsmarkt strömen, fehlt die nötige qualifikation, um einen job zu finden. die giz unterstützt daher die regierung bei der reform der berufsbildung. die europäische union, die niederlande und norwegen beteiligen sich an der finanzierung. zum projekt gehört eine trainingsinitiative, die – ähnlich dem deutschen dualen ausbildungssystem – das lernen in schule und betrieb verbindet. sie kooperiert mit mehr als 80 unter- nehmen in lahore und karatschi, wo mehr als 500 junge männer und frauen unter anderem zu fachleuten der elektrik, mechatronik und logistik ausgebildet werden. in lahore erhalten außerdem 1.500 menschen mit behinderung durch ein berufs- training die chance auf ein selbstbestimmtes leben. auch mehr als 10.000 lehrer und neue berufsschullehrer werden aus- und weitergebildet. mehr als 50.000 ar- beitnehmer – davon ein drittel frauen – haben bereits von der reform profitiert. pakistan www.giz.de/berufsbildung-pakistan pakistan indien china iran afghanistan
36 akzente 1/16 bauern teilen ihre erfahrungen mit neuen methoden untereinander, systematisch und flächendeckend. berhanu hiluf und aberehech tesfay sind zwei von ihnen. reiche ernte in äthiopien text marthe van der wolf fotos thomas imo
engagiert 37 akzente 1/16 i n den hochebenen von tigray, der nörd- lichsten region äthiopiens, winden sich steile straßen durch eine bergige, atembe- raubende landschaft. doch etwas stimmt hier nicht. zwischen den grünen berghängen liegen – in starkem kontrast dazu – große trockene gebiete ohne wälder. verlässt man die asphaltstraße und fährt weiter ins innere des distrikts raya azebo, hängen noch lange nach der durchfahrt staubwolken in der luft. bäume und farmland haben regen sichtlich nötig, das vieh wirkt schlecht er- nährt und die bauern sorgen sich wegen der mageren ernte, die angesichts der ausgelaug- ten felder zu erwarten ist. rund eineinhalb kilometer von der hauptstraße entfernt erscheint plötzlich eine üppige oase. die bäume hängen voller früchte und auf den feldern wachsen ge- treide und gemüse. einer, der dort das land bearbeitet und stolz seine gut gedeihenden pflanzen inspiziert, ist berhanu hiluf, ein 38-jähriger priester der äthiopischen ortho- doxen kirche. auf seinem viertelhektar land wachsen papayas neben mangos, bananen, orangen, kaffee und der äthiopischen ge- treidesorte teff. dieser teil von raya azebo war nicht immer so reich an ernte. bis vor sieben jah- ren erstreckte sich dort dasselbe ödland wie entlang des weges hierher. erst durch ein programm zur nachhaltigen landbewirt- schaftung wendete sich 2008 für hiluf und sein dorf das blatt zum besseren. das programm trägt vor allem dazu bei, landwirtschaftliche anbauflächen wiederzu- gewinnen – eine schwierige und existenziell wichtige aufgabe angesichts dertatsache, dass in dem ostafrikanischen land jedes jahr mehr als 30.000 hektar land verloren gehen, weil sich die böden verschlechtern. weitere ziele des programms sind nahrungssicherheit und schutz vor den folgen des klimawandels. es läuft in 177 distrikten äthiopiens. leitung und umsetzung liegen bei der äthiopischen regierung und ihren rund 70.000 landwirt- schaftsberatern – äthiopischen mitarbeitern, die vor ort in den ländlichen gebieten infor- mieren und ausbilden. unterstützt wird die regierung von der giz, die im auftrag des bundesministeriums für wirtschaftliche zu- sammenarbeit und entwicklung gemeinsam mit der kfw entwicklungsbank arbeitet. die weltbank, die europäische union, norwegen und kanada beteiligen sich an der finanzie- rung des programms. aus skepsis wird überzeugung wie berhanu hiluf leben die meisten in raya azebo von den früchten des bodens. seit generationen wird das wissen über ackerbau und viehhaltung vom vater an den sohn, von der mutter an die tochter weiter- gegeben. doch die traditionellen anbaume- thoden genügen nun selbst in jahren mit gutem niederschlag nicht mehr – das liegt an einer relativ neuen entwicklung in äthi- opien: der überbevölkerung. während das land 1985 rund 40 millionen einwohner hatte, ist es heute mit 97 millionen das be- völkerungsmäßig zweitgrößte land afrikas. und die zahl der einwohner steigt weiter. weniger fruchtbares land bei einer wach- senden bevölkerung führt zu weniger ertrag für den einzelnen. das kann in einem land, in dem 80 prozent der bevölkerung klein- bauern sind und die landwirtschaft 41 pro- zent des bruttosozialprodukts ausmacht, ka- tastrophale folgen haben. wenn früher der boden ausgelaugt war, packten die bauern ihre habseligkeiten zu- sammen und zogen weiter, um anderswo fel- der zu bestellen. es gab auch genug grasland für die tiere. doch das bevölkerungswachs- tum hat die mobilität der bauern einge- schränkt, weideland zu finden ist mühsam geworden. eine zunehmende entwaldung und verarmung der böden sind die folgen. hiluf hat 15 jahre lang versucht, dem überweideten, an bodenerosion leidenden land eine gute ernte abzuringen. er erinnert sich noch gut an den tag vor rund sieben jahren, als das neue programm zur verbesse- rung der böden bei einem gemeindetreffen vorgestellt wurde. die reaktion der bauern war zögerlich bis ablehnend. seit generatio- nen weitergegebene methoden zu ändern, schien ihnen ein schwieriges unterfangen. insbesondere der vorschlag, das vieh nicht mehr frei grasen zu lassen, stieß auf abwehr. die bauern sorgten sich vor allem wegen der zusätzlichen kosten und arbeit, die durch den anbau des futters entstehen würden. doch als die bauern einmal vertrauen gefasst hatten, zeigten sich schnell verbesse- rungen, etwa durch den bau von dämmen. hiluf half dabei, rückhaltedämme in einer schlucht zu errichten. so wurde land ge- wonnen, eine der neuen parzellen gehört nun ihm. das habe sein leben verändert, sagt er. zuvor nutzten die bauern nur kleine, notdürftige dämme aus holz, die in der regenzeit meist von den fluten zerstört weiter durch wissen: berhanu hiluf freut sich, dass die neuen anbaumethoden früchte tragen. 15 jahre lang mühte er sich vergeblich. tewodros gebreegziabher, programmmanager nachhaltige landbewirtschaftung, region tigray „wenn wir die verschlechterung der böden nicht aufhalten, wird es für die bauern in unserem land schwer zu über- leben. für mich ist es deshalb erfüllend, für die giz zu arbeiten: als experte für boden- und wasserkonservierung kann ich so für meine leute wirklich etwas tun. gut ist auch: wir beteiligen die ge- meinden daran, lösungen zu entwickeln.“
38 akzente 1/16 nicht mehr frei grasen zu lassen, trug nun maßgeblich zum erfolg bei, denn das vieh konnte die jungen pflanzen nicht gleich wie- der zerstören. breite wirkung in einem riesigen land äthiopiens geografische vielfalt ist groß. jede region steht vor ganz eigenen heraus- forderungen. mancherorts sind anlagen zur wasserspeicherung und terrassen entschei- dend, während anderswo das pflanzen ver- schiedener arten von bäumen den wandel bringen kann. das programm zeigt den bauern daher eine ganze palette von mög- lichkeiten auf, wie sie den anbau verbessern sowie ernte und ertrag steigern können. „die leistung des programms lässt sich an seiner breiten umsetzung messen“, fasst in der akzente-app und auf der website: ein orts- vorsteher beschreibt die verwandlung seines dorfes. akzente.giz.de links: frau mit weitblick – aberehech tesfay hat statt drei heute 50 hühner und will ihre farm noch weiter vergrößern. rechts: grüne landschaften – ti- grays hügel dort, wo die böden wieder gesund sind (oben). prächtige früchte: berhanu hiluf bei der zitronenernte (links). kleine herden: die rinderzucht ist eine wichtige einnahmequelle (rechts). wurden. „über das projekt bekamen wir das nötige material und das wissen, um den oberen teil des stroms abzudichten. sofort gab es keine überflutungen mehr.“ sie konnten an den hängen den boden und das wasser erhalten und umgehend mit der zu- rückgewinnung des landes beginnen. ein erfolgsbeispiel sind auch die obst- bäume. früher brachten die bauern ihre ernte einmal in der woche zu einem sechs kilometer entfernten markt. doch die nach- richt von der reichen ernte im tal sprach sich schnell herum. heute kommen die käufer mit lastwagen direkt zu den feldern. in manchen regionen führten die veränderun- gen zu bis zu 85 prozent mehr ernte und deutlich mehr einkommen für die bauern. vor dem pflanzen der obstbäume wur- den die bauern umfassend geschult. der zu- nächst so umstrittene vorschlag, die tiere
engagiert 39 akzente 1/16 > ansprechpartner johannes schoeneberger > hans.schoeneberger@giz.de johannes schoeneberger von der giz den erfolg zusammen. mehr als 194.000 haus- halte, also rund eine million menschen, ha- ben erfolgreich die besseren methoden auf ihrem land umgesetzt. dadurch wurden 180.000 hektar land wieder nutzbar ge- macht und erhalten. aberehech tesfay war eine der ersten teilnehmerinnen aus dem dorf alage in der region tigray. die menschen in der umge- bung von alage leiden unter den folgen ei- ner schweren dürre. doch dank des pro- gramms spürt die 35-jährige bäuerin davon wenig. auf dem halben hektar land, das sie und ihr mann besitzen, bauen sie ausrei- chend weizen und teff an. nie wieder von der hand in den mund zuvor hatte das paar, das acht kinder hat, jahrelang mühsam das land bestellt. die schulung führte tesfay in ein 150 kilometer entferntes dorf, wo die erfolge anderer bau- ern sich bereits deutlich zeigten. angesichts der bilder dort habe sie beinahe geweint, sagt tesfay. „als ich ihre felder sah, wollte ich, dass mein dorf genauso grün wird.“ erfah- rungsaustausche wie dieser haben sich als der beste weg erwiesen, landwirte zu ermutigen. der dialog erhöht die bereitschaft, neue techniken auszuprobieren. das zum programm gehörende ausbil- dungszentrum bei alage bietet fortbildun- gen zu ganz unterschiedlichen themen an. am meisten habe ihr die schulung zu effizi- enter hühner- und legehennenhaltung ge- bracht, sagt tesfay: „früher hatte ich zwei oder drei hühner“, erzählt sie, „heute sind es 50 hühner und drei milchkühe.“ zudem konnte tesfay zwei ziegen kaufen. ihr leben habe sich komplett verändert: „früher haben wir von der hand in den mund gelebt.“ aberehech tesfay kann es kaum erwar- ten, ihr land und ihre tierhaltung noch wei- ter zu verbessern. hauptstadt: addis abeba einwohner: 97 millionen1 bruttoinlandsprodukt: 54,8 milliarden usd1 wirtschaftswachstum: 9,9 prozent1 rang im human development index: 173 (von 187) quelle: 1 weltbank 2014 für bessere böden projekt: nachhaltige landbewirtschaftung auftraggeber: bundesministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit und entwicklung politischer träger: äthiopisches ministerium für landwirtschaft und naturressourcenmanagement laufzeit: 2015 bis 2017 in den sechs an dem programm beteiligten regionen leben mehr als 85 prozent der äthiopier. jedes jahr gehen dort zehntausende hektar boden für die landwirt- schaftliche nutzung verloren, etwa durch erosion. das 2012 begonnene und 2015 verlängerte programm ist teil einer initiative der äthiopischen regierung zum kampf gegen diese entwicklung. es wird kofinanziert durch die kfw entwicklungs- bank, die weltbank, die europäische union, norwegen und kanada. die giz stärkt durch beratung und fortbildung das wissen und die kenntnisse der äthiopischen partner. mehr als 500 kleinbäuerliche verbände bewirtschaften nun mit nachhalti- gen methoden ihre felder. auf rund 180.000 hektar land, das in schlechtem zu- stand war, wenden bauern techniken wie die terrassenförmige abstufung des ge- ländes an. das führt neben besseren böden auch zu höheren einkommen. äthiopien www.giz.de/de/weltweit/18912.html äthiopien somalia südsudan eritrea sudan kenia
40 akzente 1/16 40 sie konnten kaum mehr retten als das eigene leben: wie hunderttausende weitere flüchtlinge, fanden nazrin iljaz und ihre kinder im nordirak schutz vor krieg und terror. ein neues leben text gabriele rzepka foto markus kirchgessner
engagiert 41 akzente1/16 i n der nacht zum 3. august 2014 brach nazrin iljaz’ welt zusammen. die truppen der terrororganisation „islamischer staat“ (is) fielen in den distrikt sindschar im nor- den des irak ein, ermordeten die jesidischen männer, verschleppten frauen und kinder, vergewaltigten. wer konnte, floh. iljaz harrte aus; sie hoffte bis zuletzt, dass die terroristen nicht bis zu ihr vordringen würden. schnell erlosch die hoffnung. die alleinerziehende bäuerin nahm ihre sieben kinder und flüch- tete in die berge. fast monoton erzählt sie: „von der anhöhe habe ich gesehen, wie mei- ne freunde und nachbarn gestorben sind.“ auf einmal blitzt wut in ihren augen auf: „einige nicht jesidische nachbarn haben sich dem is angeschlossen, meinen hof und mei- ne wohnung geplündert.“ leiser sagt sie: „wir waren doch nachbarn.“ mitnehmen konnte iljaz bei ihrer über- stürzten flucht fast nichts: proviant, ein biss- chen goldschmuck und die kleider, die sie und die kinder am leib trugen. nach tage- langen fußmärschen durch die berge stieß die familie auf kurdische peschmerga-kämp- fer, die sie – wie hunderttausende weitere flüchtlinge – zur irakischen grenze eskor- tierten. hilfsbereite bürger der provinz do- huk holten die erschöpften menschen dort mit ihren privatfahrzeugen, mit bussen, taxis und lastwagen ab. iljaz und ihre kinder fan- den in den ersten wochen unterschlupf in einer schule. die kurdische regierung und die bevölkerung versorgten sie mit essen, kleidung, decken und spielsachen. seit ende september 2014 lebt die achtköpfige familie im flüchtlingslager shariya. zwei zelte bewohnt sie hier. shariya ist eines von elf flüchtlingslagern in dohuk, in denen die giz die provinzregie- rung dabei unterstützt, die not von men- schen wie nazrin iljaz zu lindern. im auftrag des bundesministeriums für wirtschaftliche zusammenarbeit und entwicklung baut die giz 14 gemeindezentren, zehn schulen, sie- ben gesundheitsstationen und ein kranken- haus. zudem wurden rund 4.000 bodenplat- ten für flüchtlingszelte gelegt, entstanden straßen und systeme für die wasserver- und abwasserentsorgung. in schulungen bereitet die giz die verwalter der flüchtlingslager auf ihre aufgaben vor und bildet sie zu streit- schlichtern aus. sie arbeitet dabei mit der welthungerhilfe und unicef zusammen. das grauen verfolgt sie noch lange rund 20.000 menschen leben im flücht- lingslager shariya, insgesamt flohen seit som- mer 2014 binnen eines jahres rund 550.000 in die provinz dohuk, die meisten aus syrien und dem irak. um ihnen in den camps be- schäftigung und abwechslung zu bieten, sie auf andere gedanken zu bringen, organisiert unicef im auftrag der giz fußballtur- niere und lesungen. hunderte kinder neh- men an theatergruppen teil, in jedem lager erstellen jugendliche eine eigene zeitung. drei mobile kinos touren regelmäßig durch die camps. „als wir ankamen, gab es schon wasser und strom in unserem zelt. der müll wird täglich abgeholt und wenn etwas nicht funktioniert, kümmert sich die verwaltung sofort darum.“ ein dach über dem kopf, wasser, le- bensmittel, kleidung und sogar etwas unter- haltung – die familie ist mit dem wesentli- chen versorgt. doch das grauen im kopf bleibt. iljaz leidet unter panikattacken, schlafstörungen und angstzuständen. ihre kinder schrecken nachts schreiend aus dem schlaf. hilfe findet die mutter bei der sozial- arbeiterin khoshi zubeir im gemeindezent- rum des lagers. zubeir hört iljaz geduldig zu und hat sie davon überzeugt, die zahlreichen angebote des gemeindezentrums wahrzu- nehmen. „es ist wichtig, dass die frauen und mädchen beschäftigt sind, eine struktur in ihren tag bringen und sich so etwas wie all- tag einstellt.“ ein alltag auf zeit. für iljaz, die keine schule besuchte und isoliert in den bergen lebte, erschließt sich allmählich so etwas wie eine neue welt: „ich nehme an gruppen teil und freue mich über all die angebote. ich kann mein leben jetzt selbstständig planen.“ sie besucht den alpha- betisierungskurs, einen nähkurs und infor- mationsveranstaltungen. andere flüchtlinge beteiligen sich am aufbau der infrastruktur des camps und erhalten dafür einen lohn. auch eine anwältin steht den besuchern der gemeindezentren zur seite. sie hilft bei neuen pässen, heirats- oder geburtsurkun- den – wichtige dokumente, die viele men- schen bei der flucht zurückgelassen haben. gibt es eine hoffnung auf rückkehr? offiziellen angaben zufolge sind 38.000 jesi- den in ihre heimat zurückgekehrt, seit die stadt sindschar im november 2015 vom is befreit wurde. doch die heimat ist vermint und völlig zerstört. für nazrin iljaz und ihre kinder bleibt die zukunft offen – trotzdem blicken sie mit neuer zuversicht nach vorn. hoffnungsvoll: nazrin iljaz und sechs ihrer sieben kinder. alle acht sind in dohuk gut versorgt. auch ihre seelische gesundung wird gefördert. > ansprechpartnerin sandra albers > sandra.albers@giz.de ayuob mohammed ali, chefingenieur der giz in dohuk „ich komme aus dohuk, habe hier studiert. die giz hat viel erfahrung mit flücht- lingslagern. mir hat imponiert, wie der projektleiter die flüchtlinge überzeugt hat, als wir 4.000 betonböden unter die zelte legen wollten. sie waren skeptisch, wollten die zelte nicht räumen. der lei- ter sagte: gebt uns 100 zelte, wir zeigen euch, wie schnell wir sind. die giz wurde pünktlich fertig, alle waren begeistert.“
42 akzente 1/16 1 sharon nangoyi simwanza-mulelnga, botsuana sie berät für die giz die entwick- lungsgemeinschaft des südlichen afrika unter anderem bei der reform der management- strukturen. „ich liebe meine arbeit, weil ich das gefühl habe, zum fortkommen der region beizutragen, zu der ich gehöre.“ ihr plan ist es, eines tages zurückzukehren in ihre heimat sambia, um auch dort etwas zu bewirken. 2 max fernandez mora, costa rica der hobby-biogärtner ist als berater im bereich erneuerbare energien und energieeffizienz zu- ständig für costa rica und panama. er wünscht sich eine noch bessere vernetzung aller länder seiner region, denn die probleme seien dieselben. „wenn wir stärker zusam- menarbeiten würden, könnten wir sie leichter überwinden.“ 3 cut sri rozanna, indonesien für die stellvertretende leiterin des programms sozi- ale sicherung ist der schönste teil ihrer ar- beit, menschen zu treffen, mit ihnen gemein- sam zu lernen und zusammen etwas nützli- ches zu schaffen. „ich glaube, dass meine dreijährige tochter und ihre ganze generation bessere perspektiven haben werden. und ich arbeite daran mit.“ 4 oyun-erdene bat-erdene, mongolei „meine arbeit erlaubt mir, kreativ, innovativ und aktiv zu sein.“ obendrein treffe sie die unterschiedlichsten menschen, sagt die pr- beraterin. oyun-erdene bat-erdene und ihre kollegen arbeiten daran, die natürliche viel- die eigene region voranbringen: weltweit im einsatz für die giz sie sind hebammen, it-experten oder maschinenbauingenieure, sie kommen aus costa rica, nigeria oder der mongolei. neun mitarbeiterinnen und mitarbeiter der giz auf drei kontinenten erzählen, warum sie tun, was sie tun. spezial
43 akzente 1/16 falt der mongolei zu schützen und die anpas- sung von waldgebieten an den klimawandel zu fördern. „manchmal ist es schwer, die menschen davon zu überzeugen, wie wichtig und vorteilhaft die nachhaltige nutzung und erhaltung der wälder ist.“ 5 ikenna agbai, nigeria er ist der it-verant- wortliche in einem programm zur nachhalti- gen wirtschaftsentwicklung, das kleinere un- ternehmen fördert. „ich liebe computer. es macht spaß, im job mit etwas zu tun zu ha- ben, das man liebt.“ trotzdem sei es manch- mal schwierig, die arbeit gut zu machen und gleichzeitig alle kollegen zufriedenzustellen. „die meisten leute denken, jedes computer- problem lässt sich in fünf minuten lösen.“ 6 ntaba francis, grenada das programm, für das sie arbeitet, beschäftigt sich mit dem klimawandel und dessen folgen. es gibt ant- worten auf die frage, wie man sich dagegen wappnen kann. „das ist ein sehr wichtiges thema für eine kleine insel wie grenada.“ die arbeit in dem überschaubaren team macht ihr freude, weil alle kollegen mit viel energie dabei sind. „deshalb fühle ich mich gut: ich weiß, dass ich etwas für mein land tue, und habe noch spaß dabei.“ 7 héctor ribera, el salvador der maschi- nenbauingenieur berät in el salvador zu the- men rund um energie. vom potenzial erneuer- barer energien ist er begeistert. „ich möchte meine expertise noch weiter ausbauen, damit ich in dieser region auf höchstem niveau meinen beitrag leisten kann.“ 8 samera taher, jemen die hebamme be- schäftigt sich mit der stärkung des gesund- heitssystems. sie hat dabei vor allem mütter und kinder im blick. taher bildet trainer aus, die frauen auf dem land informationen zu verhütung und gesundheit vermitteln. „ich bin stolz auf meinen job – trotz der vielen pro bleme, die wir im jemen haben.“ 9 moses kunyarimwe, simbabwe seit bald 30 jahren arbeitet er als fahrer für die giz. in seiner freizeit mag er es sportlich: er joggt, spielt squash und tennis. was ihm an seiner arbeit am besten gefällt, darüber muss er nicht lange nachdenken: „die anerkennung und die komplimente von anderen simbab- wern mit blick auf die gute arbeit, die die giz in unserem land macht“. foto von ntaba francis: andre joseph-witzig zusätzlich in der akzente-app: in videos erzählen die neun giz-mitarbeiter, was für sie glück bedeutet und was sie sich für die zukunft erhoffen. akzente.giz.de
44 akzente 1/16 wahrheit und wirklichkeit film mit „letzte gespräche“ von eduardo coutinho eröffnet das 20. internationale dokumentarfilmfestival brasiliens in são paulo und rio de janeiro. in dem film erzählen brasilianische jugendliche von ihren träumen und nöten – so entsteht ein bild davon, was die junge generation des landes heute bewegt. nach den wettbewerben reisen zahlreiche der gezeigten und ausge- zeichneten filme bis ende juni weiter nach belo horizonte und brasília. é tudo verdade – it’s all true dokumentarfilmfestival und tour 7. april bis 27. juni 2016 www.etudoverdade.com.br lokal und global kunst die „dak’art 2016“ macht senegals hauptstadt dakar einen monat lang zum zentrum für zeitgenössische afrikanische kunst. die organisatoren der biennale, die bereits zum zwölften mal in dem westafrika- nischen land läuft, wollen kunst in jeden winkel der stadt bringen. dazu wurden 66 künstler aus 24 afrikani- schen und nichtafrikanischen ländern ausgewählt. nigeria und katar sind gastländer. dak’art 2016 biennale für zeitgenössische afrikanische kunst 3. mai bis 3. juni 2016 www.dakart.net tipps der redaktion
guidelines for value chain selection englisch jochem schneemann, trude vredeveld die publikation bietet richtlinien zur entwick- lung von wertschöpfungsketten. der ganzheit- liche, strukturierte ansatz richtet sich an praktiker und ist besonders geeignet für die anfangsphase neuer projekte. eingeflossen sind interviews aus 20 ländern, die die giz und die mitherausgebende internationale ar- beitsorganisation 2015 geführt haben. synergies and trade-offs between green growth policies and inclusiveness englisch anna pegels das diskussionspapier nimmt ein dilemma in der entwicklungspolitik in den blick: eines der wichtigsten ziele ist es, armut zu verrin- gern, doch gleichzeitig darf wirtschaftliches wachstum nicht auf kosten der umwelt ge- hen. die publikation zeigt auf, wie die sozia- len folgen umweltverträglicher wachstums- strategien analysiert werden können. giz-publikationen deutschland in den augen der welt deutsch, englisch jochen köhler, sabine tonscheidt die qualitative studie zeigt, wie deutschland international wahrge- nommen wird. dafür wurden 179 menschen aus 26 ländern befragt – vom studierenden bis zum ministerpräsidenten. die interviews geben tiefe einblicke, die die politische de- batte bereichern. litprom empfiehlt giz-publikationen kostenlos downloaden oder bestellen unter www.giz.de/publikationen fotos: driss ouadahi/frac centre (s. 44 oben), chico albuquerque (s. 44 unten) 45 akzente 1/16 service morgen werde ich zwanzig literatur gesättigt durch eigene erfahrun- gen, erzählt mabanckou vom zehnjährigen michel, der durch die straßen von pointe- noire zieht. aus der naiven sicht des jungen wird die umwelt der republik kongo und die politische weltgeschichte der 1970er jahre auf den kopf gestellt. mit afrikanischem zungenschlag. witzig, schräg und reich an schwänken. ruthard stäblein, literaturkritiker und -redakteur alain mabanckou, kongo roman aus dem französischen von holger fock und sabine müller liebeskind verlag, 368 seiten tigermann literatur ein junger mann geht los und beißt einem nachbarn die kehle durch. ein tiger würde in ihm wohnen, erklärt er anschließend. kurniawan verbindet auf scharfsinnige weise westjavanische tiger mythen mit moderner psychologie. ein enormer wutroman, der sich seinem brennenden kern kreisend nähert, ihn aber erst auf der letzten seite tatsächlich erreicht. man bleibt schockiert zurück. katharina borchardt, literaturkritikerin und -redakteurin eka kurniawan, indonesien roman aus dem indonesischen von martina heinschke ostasien verlag, 227 seiten litprom – gesellschaft zur förderung der literatur aus afrika, asien und lateinamerika veröffentlicht regelmäßig die bestenliste „weltempfänger“. in akzente erklären die jurymitglieder ihre wahl. www.litprom.de
ich interessiere mich für alles, was mit kommunikation zu tun hat“, sagt mbissine diouf, die seit elf jahren für die giz im senegal arbeitet. als assistentin der leitung des landesbüros in dem westafrikanischen land hat sie mit allen bereichen des unternehmens zu tun. ihr arbeitsplatz ist vor allem das büro in dakar. in der senegalesischen hauptstadt hat sie kommunikati- on und germanistik studiert. doch sie nutzt so oft wie möglich die gelegenheit, die vom bundesministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit und entwicklung geförderten projekte im lan- desinneren zu besuchen, darunter eines zu energieeffizienz und eines zur dezentralisierung und lokalen entwicklung. gleichzei- tig leitet diouf die abteilung eventmanagement. das kann schon einmal bedeuten, eine konferenz mit 600 teilnehmern zu orga- nisieren, wie kürzlich für ecowas, die westafrikanische wirt- schaftsgemeinschaft. daneben führt diouf fortbildungen ihrer kollegen in sachen kommunikation durch. pr-expertin die giz sucht regelmäßig expertinnen und experten für projektein- sätze. besuchen sie uns im giz-stellenmarkt: www.giz.de/jobs. mbissine diouf, vorgestellt zusätzlich in der akzente-app und auf der website: im video erzählt mbissine diouf von ihrem arbeitsalltag im senegal. akzente.giz.de
arbeit sie sichert die existenz – und ist doch viel mehr als das: arbeit strukturiert das leben, gibt ihm sinn und entscheidet über unsere sozi- ale stellung. obwohl sie eine überragende rolle spielt, ist sie vielerorts ein rares gut: es fehlen menschenwürdige jobs, die angemessen bezahlt vorschau akzente-ausgabe 2/16 sind. was bedeutet dieser mangel für den ein- zelnen und die gesellschaft? und: wie lässt er sich beheben? antworten auf diese und andere fragen bietet akzente 2/16. einige beiträge kön- nen sie bereits ab anfang september vorab auf der akzente-website lesen: akzente.giz.de. akzente herausgeber: deutsche gesellschaft für internationale zusammenarbeit (giz) gmbh sitz der gesellschaft: bonn und eschborn • friedrich-ebert-allee 36 + 40, 53113 bonn, tel.: +49 228 44 60-0, fax: +49 228 44 60-17 66 • dag-hammarskjöld-weg 1-5, 65760 eschborn, tel.: +49 61 96 79-0, fax: +49 61 96 79-11 15 sabine tonscheidt, leiterin unternehmenskommunikation e-mail: akzente@giz.de internet: akzente.giz.de verantwortlich: anja tomic, stellvertretende leitung unternehmenskommunikation (giz) redaktion und gestaltung: giz: miriam droller (leitung), kerstin nauth, kerstin stotz frankfurter societäts-medien gmbh: helen sibum (projektleitung), friederike bauer, judith reker, oliver hick-schulz (layout), corinna potthoff (bildredaktion) lektorat: textschrittmacher produktion/lithografie: frankfurter societäts-medien gmbh druck: druckerei lokay e. k., reinheim papier: arctic volume, nach fsc-standard zertifiziert kartenmaterial: giz/ira olaleye die kartografische darstellung dient nur dem informa- tiven zweck und beinhaltet keine völkerrechtliche an- erkennung von grenzen und gebieten. die giz über- nimmt keine gewähr für die aktualität, kor rektheit oder vollständigkeit des bereitgestellten kartenmaterials. jegliche haftung für schäden, die direkt oder indirekt aus der benutzung entstehen, wird ausgeschlossen. titelbild: getty images/flickr rf/junaid rashid alle nicht gekennzeichneten bilder: giz redaktionsschluss: märz 2016 erscheinungsweise: viermal jährlich erscheinungsdatum der vorliegenden ausgabe: apr. 2016 issn: 0945-4497 namentlich gekennzeichnete beiträge geben nicht unbedingt die meinung des herausgebers wieder. akzente legt wert auf die sprachliche gleichbehand- lung von frauen und männern. aus gründen der besseren lesbarkeit werden jedoch nicht durchgehend beide formen verwendet. akzente wurde für seine journa- listische qualität und die gestal- tung mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2015 mit dem „best of corporate publishing award“ in silber. impressum projekt: förderung des gesundheits- systems in togo auftraggeber: bundesministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit und entwicklung laufzeit: 1994 bis 2007 damals: togo gehört zu den ärmsten ländern der welt – was sich unter anderem in der schlechten gesundheitsversorgung widerspiegelt. es fehlt an ärztlichem fachwissen, professioneller ausrüstung und einer guten zusammenar- beit der verantwortlichen. unter den folgen leiden nicht zuletzt frauen und kinder: die hälfte aller geburten läuft ohne medizinisch geschultes personal ab, etwa jede 150. frau stirbt bei oder nach der geburt. jedes 20. kind wird nicht älter als fünf jahre. auch die zahl der hiv-infektionen und der malaria-erkrankungen ist in togo hoch. cholera ist ebenfalls eine ständige bedrohung. heute: immer mehr menschen kommen in gesundheitsstationen, beispielsweise für untersuchungen zur schwangerschaftsvorsorge. in der gemeinde lomé und der zent- ralregion, auf die sich das gemeinsam mit der europäischen union umgesetzte pro- jekt konzentrierte, sind die hiv-rate und die kindersterblichkeit zurückgegangen. das gleiche gilt, landesweit betrachtet, für die müttersterblichkeit. etwa jede 220. frau ist noch betroffen. neue fälle von cholera gab es in den vergangenen jah- ren in der zentralregion nicht: viele familien desinfizieren ihr trinkwasser mit chlorwasserkonzentrat aus eigens errichteten produktionsstätten. verbessert haben sich auch die strukturen des gesundheitssystems – drei viertel der patienten sind mit dem neuen angebot sehr zufrieden. eine große herausforderung bleibt die bekämpfung von malaria. www.giz.de/de/downloads/giz2011-de-togo-health-ex- post-evaluierung.pdf n achgehalten blick zurück auf ein projekt und se i n e w i r k u n g 47 akzente 1/16 fotos: sylvain cherkaoui/cosmos (s. 46), getty images/billy hustace (s. 47) tel.: +492284460-0, fax: +492284460-1766 tel.: +49619679-0, fax: +49619679-1115
in unserer vielfältigen welt können le- bensentwürfe unterschiedlich gestrickt sein. missverständnisse sind da nicht ausgeschlossen. klare regeln fürs mitei- nander schaffen ein gleichgewicht. akzente.giz.de