Schwerpunkt: Green Recovery Die richtigen Schlüsse ziehen Warum und wie sich die GIZ für die grüne Wirtschaftsbelebung engagiert. Ein Beitrag von INGRID-GABRIELA HOVEN Die Corona-Krise ist in vielerlei Hin- sicht ein großes Lernfeld: Sie hat uns vor allem gezeigt, wie verletzlich wir sind. Aber sie hat uns auch gelehrt, dass wir nicht weiter auf Kosten der Natur leben kön- nen, weil wir uns sonst den berühmten eige- nen Ast absägen, auf dem wir sitzen. Obwohl noch nicht ganz sicher ist, wie das Virus „in die Welt“ kam, gilt eine Zoonose als die wahr- scheinlichste Variante: das Überspringen des Virus von Tieren auf den Menschen. Tatsächlich gehen rund 70 Prozent aller neu auftretenden Krankheiten wie Ebola, Zika, Influenza oder HIV/Aids auf sol- che Zoonosen zurück. Nach Angaben des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) gibt es noch Hunderttausende nicht erkannte Viren in Säugetieren und Vögeln, von denen ein guter Teil auf den Menschen überspringen könnte. Je mehr intakte Ökosysteme zer- stört werden, desto wahrscheinlicher ist eine solche Übertragung. Deshalb sind wir gut beraten, aus der Corona-Krise die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und ein entscheidender lautet: Wir müssen ernst machen mit dem Umsteuern in Richtung Nachhaltigkeit. Die SDGs, das Pariser Klimaabkommen so- wie die globalen Biodiversitätsziele geben die Richtung dafür vor. Diese Erkenntnis ist nichts Neues, aber die Corona-Krise als Beschleuniger hat uns die Dringlichkeit der Sache noch einmal klar aufgezeigt. Das Gute ist, dass wir jetzt auch einen mächtigen Hebel dafür haben: die milliar- denschweren Konjunkturprogramme, die fast überall auf der Welt aufgelegt wurden, um die Volkswirtschaften nach Corona wieder anzu- kurbeln. Diese Programme für nachhaltige Investitionen einzusetzen, lautet das Gebot der Stunde. Während man sich in früheren Krisen – Ölkrise, Finanzkrise – meist auf das unmittelbar Ökonomische konzentriert hat, um den Wirtschaftsmotor wieder zum Lau- fen zu bringen, können wir mit diesen öffent- lichen Mitteln jetzt Veränderungen im Sinne Drei Beispiele sollen zeigen, wie Maßnah- men zur Green Recovery aussehen: Die GIZ hat Kolumbien dabei beraten, nachhaltige und grüne Ansätze in das nationale Covid- Recovery-Programm aufzunehmen, bei dem jetzt unter anderem Investitionen in erneu- erbare Energien und in die Pflanzung von 180 Millionen Bäumen auf dem Plan ste- hen. In Kenia ist durch die Pandemie der Tourismus nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Da der Naturschutz dort zu 90 Prozent aus Einnahmen des Tourismus getra- gen wird, drohte auch er zu leiden. Deshalb hat die GIZ Wildhegegebiete von lokalen Massai-Gemeinschaften unterstützt und da- mit 100.000 Einwohner*innen geholfen, die von diesen Gebieten abhängen. Zusammen mit der Europäischen Investitionsbank un- terstützt die GIZ eine Fazilität namens „FE- LICITY“, mit deren Hilfe Kommunen grüne Maßnahmen in Angriff nehmen können. Die mexikanische Stadt Naucalpan zum Beispiel hat mit den Geldern ein Projekt zum Abfall- management angestoßen. Und das sind nur drei Beispiele aus einer langen Liste. Wichtig ist uns dabei, dass die Maßnah- men auf die langfristigen Umwelt- und Kli- maschutzziele einzahlen und gleichzeitig dabei helfen, Jobs zu generieren und die Lebensver- hältnisse zu verbessern. Dann fahren sie eine doppelte Dividende ein und schaffen zugleich die Akzeptanz in Bevölkerungen und Gesell- schaften, die für diesen fundamentalen Um- bau nötig ist. Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend für das Erreichen der SDGs, den Erhalt der Biodiversität und die Bewälti- gung der Klimakrise. Sie wegen der Corona- Pandemie und deren Folgen aus dem Blick zu verlieren, wäre genau die falsche Antwort. Die Weltgemeinschaft muss noch viel kon- sequenter als bisher auf „Grün“ setzen. Und sie sollte auch darüber nachdenken, Gelder verstärkt in Länder zu leiten, die sich ambi- tionierte Ziele im Sinne der SDGs und einer Green Recovery gesteckt haben. — ) 6 3 . S ( H C S Z T N E R N A I L U J : N O I T A R T S U L L I INGRID-GABRIELA HOVEN ist Vorstandsmitglied der GIZ. ingrid-gabriela.hoven@giz.de einer sozial gerechten und grünen Wirtschafts- belebung anstoßen. Und das sollten wir auch. Konkret bedeutet das, nicht nur die un- mittelbaren Folgen der Krise abzufedern, so richtig und wichtig das ist, sondern auch lang- fristig strukturbildend zu wirken. Nicht mit alten Rezepten arbeiten, vielmehr die jetzige Lage für die Art von Transformation nutzen, die ohnehin ansteht, aber bisher nicht schnell und konsequent genug vonstattengeht. Also verstärkt in erneuerbare Energien und Ener- gieeffizienz investieren, Wälder erhalten oder wieder aufforsten, die Mobilitätssysteme um- bauen, auf effiziente Bewässerung umstellen, die Landwirtschaft naturnäher gestalten, auf Kreislaufwirtschaft setzen und manches mehr. Die GIZ nutzt diese einmalige Gele- genheit und berät ihre Partnerländer dabei, Wirtschaftsstrukturen abzusichern und wei- terzuentwickeln, die auf nachhaltigen Pro- duktions- und Konsummustern basieren und dabei Klima- und Umweltschutz mit sozialer Gerechtigkeit verbinden. Denn ohne die Ent- wicklungs- und Schwellenländer bleibt der Klimaschutz Stückwerk, auch der Ressour- cenverbrauch lässt sich nur mit ihnen dros- seln. Die ärmeren Länder verbrauchen zwar in der Regel von allem weniger pro Kopf als Menschen in den Industriestaaten, aber in der Summe sind sie ein entscheidender Baustein hin zu einer nachhaltigen Zukunft. 36 akzente 3/21