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GIZ-Akzente-3-15-Deutsch

41akzente 3/15 ENGAGIERT Aufgewachsen mit fünf Brüdern und einer Schwester, arbeitet Colette Traoré bereits im Alter von zwölf Jahren. Sie sortiert die Stein- chen aus der Baumwolle, die ihre Mutter zu dünnen Fäden spinnt. Bis heute kann Traoré nicht schreiben. „Ich musste irgendetwas ler- nen, um überleben zu können“, erzählt sie. Mit 17 will sie sich in einer Textilfabrik zur Weberin ausbilden lassen. Der Ausbilder weist sie ab: „Das schaffst du nicht. Du bist eine Frau.“ Die anderen Lehrlinge aus ihrer Gruppe gaben auf Traoré findet schließlich in einem älteren Mann einen Fürsprecher, den auch der Aus- bilder achtet. Sie kann die Lehre beginnen, umgeben von Männern, die ihr einreden, völlig ungeeignet zu sein. Als die sechs Mo- nate vorbei sind, ist sie die Einzige aus der Lehrlingsgruppe, die nicht aufgegeben hat. Trotz Schmerzen in den Schultern und Ar- men. „Heute sagt mein Meister, ich sei seine beste Schülerin gewesen“, sagt Traoré, lacht und klatscht die Hände zusammen. Es klingt ein bisschen nach Schadenfreude. Nach der Ausbildung mietet Traoré ei- nen Webstuhl und verkauft ihre Stoffe auf dem Markt. 2004 schließt sie sich mit ande- ren Kunsthandwerkerinnen zu der Koopera- tive Affat zusammen. Gemeinsam kaufen sie sich einen ersten Webstuhl. Sie produzieren Stoffe, die in Nähereien zu Kleidern oder Bettwäsche verarbeitet werden. Das Geschäft läuft gut. Wer die Mitgift für eine Hochzeit zusammenstellt, kommt zu Affat. Genauso wie die Touristen. Doch 2012 bricht in Mali überraschend Krieg aus. Das Land wird in seiner wirt- schaftlichen Entwicklung weit zurückgewor- fen. Affat überlebt, obwohl die Touristen fernbleiben. Mehr noch, Traoré liefert ihre Stoffe heute sogar an Käufer außerhalb Ma- lis, beispielsweise in Sierra Leone. Unterstützt hat sie die GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie der Europäischen Union. Das Ziel: die Wirt- schaft auf lokaler Ebene in Gang zu bringen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Frauen. Sie sollen in ihrem Engagement und Ideen- reichtum bestärkt werden. Deshalb werden kleine und mittlere Betriebe gefördert, die von Frauen geführt werden – darunter die Weberei von Colette Traoré. In speziellen Kursen lernen die Teilnehmerinnen bei- spielsweise, wie man ein Gewerbe anmeldet, Buchhaltung macht oder Mikrokredite be- antragt. Ein zentraler Lehrinhalt der Kurse ist auch das Marketing, das den Frauen hilft, ihren Kundenkreis langfristig zu erweitern. Traoré hat so die Möglichkeit bekom- men, an Messen in Bamako oder in Malis Nachbarland Senegal teilzunehmen. Außer- dem erhielt ihre Weberei eine finanzielle För- derung. So kann sie sich zusätzlich einen neuen Handwebstuhl kaufen, um größere Mengen Stoff zu verarbeiten. Die Weberei verdoppelte durch die Un- terstützung ihren Jahresgewinn von umge- rechnet 1.500 Euro auf 3.000 Euro. Traoré verdient heute im Monat bis zu 75 Euro. Damit liegt sie über dem gesetzlichen mo- natlichen Mindestlohn des Landes von 61 Euro. Es gab Zeiten, da verdiente sie mehr als ihr Mann, ein Lehrer. „Mittlerweile ist er Direktor der Schule und wir verdienen un- gefähr das Gleiche“, sagt sie. Die zwei Töchter des Ehepaars müssen nie in der Weberei mithelfen. Die Älteste geht auf ein Gymnasium, sie will Rechtsan- wältin werden. Die Jüngere möchte später im Gesundheitsbereich arbeiten. „Unsere Familie ist gerettet“, sagt die Unternehmerin Die Lebenslagen der geförderten malischen Frauen sind unterschiedlich. Einerseits gibt es Frauen wie Colette Traoré, die bereits er- folgreich Unternehmen aufgebaut haben und sich noch weiterentwickeln wollen. Anderer- seits sind da Frauen, die einer Unterstützung bedürfen, um ihr Potenzial überhaupt erst entfalten zu können. Frauen wie Néné Ba­ kadji. Sie war so arm, dass ihr ältester Sohn die Schule verlassen musste, um seine Mutter zu unterstützen. Etwa zur selben Zeit kehrte ihr der Ehemann den Rücken. Die 45-Jährige sitzt im Hof ihres Hauses, taucht ein weißes Baumwolltuch in die Bot- tiche und zieht einen klatschnassen schwar- zen Klumpen wieder heraus. Sie wringt und wringt, bis kein schwarzes Wasser mehr aus dem Stoff tropft. Eine der drei Angestellten schaut zu. Schon seit ihrer Jugend färbt Bakadji Stoffe und bedruckt sie mit traditionellen Mustern. Früher hat sie an einem Markttag vielleicht sechs ihrer Tücher verkauft. Heute dagegen bekommt sie durchaus schon mal Großbestellungen für etwa 40 Stück. Denn nach einer durch die GIZ geförderten Fort- bildung lässt die Unternehmerin Visitenkar- ten drucken und schaltet Werbung bei Ra- diosendern. Außerdem reist sie zu Messen, um ihre Produkte bekanntzumachen. In Mopti führt sie nun einen eigenen Laden und liefert sogar bis nach Burkina Faso. Néné Bakadji geht es heute gut. Mit ih- rer Färberei versorgt sie die gesamte Familie. Vier Kinder und zwei Enkelkinder gehören inzwischen dazu – und ihr arbeitsloser, zu- rückgekehrter Ehemann. „Unsere Familie ist gerettet“, sagt sie. Doch als Chefin, so wie Colette Traoré und andere Frauen, will sie sich nicht bezeichnen. „Diese Rolle fällt im- mer noch dem Mann zu“, meint sie. > Ansprechpartner GIZ Mali > giz-mali@giz.de Frauen fördern Seit 2002 unterstützt die GIZ die regio- nale Wirtschaftsentwicklung in Mali, in den Regionen Ségou, Mopti und Kayes auch durch die Förderung von Frauen als Unternehmerinnen. 200 Frauen aus den Bereichen Textil, Molkerei und Fischerei wurden bisher fortgebildet. Partner sind dabei das Ministerium für Territorialver- waltung und Dezentralisierung und das Netzwerk malischer Unternehmerinnen. www.pact-mali.org

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