Landwirtschaft in Sri Lanka

Neuanfang mit Milch

Bauernfamilien im Norden Sri Lankas schaffen mit Kühen einen Neuanfang nach dem Bürgerkrieg. Unternehmen unterstützen sie beim Aufbau der Milchwirtschaft des Landes. 

Text
Timot Szent-Ivanyi
Fotos
Thomas L. Kelly

Als Kajendran Kailayapilai den dumpfen Einschlag hörte, wusste er, dass etwas geschehen war. Der Beschuss mit Granaten kam so schnell näher, dass er gerade noch seine Familie in Sicherheit bringen konnte. Nun stand er vor den Trümmern seines Stalls, unter denen der blutige Kadaver seiner Kuh lag. Eine doppelte Tragödie für den Bauern aus dem Norden Sri Lankas, denn als Hindu sind Kühe für ihn heilige Tiere. Aber nicht nur das: Mit ihrer Milch ernährte die Kuh seine Familie.

Ein Mann und eine Frau stehen neben einem Kalb; im Hintergrund sind Kühe zu sehen. Der Mann, in einem karierten Hemd und traditionellen Lunghi, hält das Kalb an einer Leine, während die Frau in einem blumenbedruckten Kleid steht und Blätter in ihrer Hand hält. Sie befinden sich auf einer Farm in Sri Lanka.
Sellapa Ramkumar und Ram Kumar Kugendramalar mit einem Kalb

Es fällt dem Bauern sichtlich schwer, über diese Zeit zu sprechen. Der 47-Jährige stockt immer wieder und berichtet nur einsilbig über seine Erlebnisse während des brutalen Bürgerkriegs. Der Konflikt hielt das frühere Ceylon bis 2009 fast drei Jahrzehnte im Würgegriff. Mehrfach mussten er, seine Frau und die drei Kinder fliehen, denn ihr Grundstück lag in einer der Hauptkampfzonen. Jahrelang lebten sie in Lagern und litten Hunger. Ihr fruchtbares Land 20 Kilometer südöstlich der Provinzhauptstadt Jaffna lag brach. Während viele Tamilen noch heute unter den Folgen des Krieges leiden, hat Kailayapilai jedoch einen Neuanfang geschafft – auch dank deutscher Unterstützung.

Biogasanlage mit Kuhdung 

Stolz führt der Landwirt durch seine tadellos gepflegte kleine Farm. In einem neuen Stall stehen zehn wohlgenährte Kühe und sechs Kälber. Auf kleinen Äckern rund um das Wohnhaus herum baut Kailayapilai besonders ertragreiche Futterpflanzen an. Mit Kuhdung und Pflanzenabfällen betreibt er eine kleine Biogasanlage. Das Rohr, das aus einem unterirdischen Betonbehälter kommt, führt quer durch den Garten in die Küche, wo Ehefrau Thirumahal den neuen Gasherd vorführt. Auf einem Regal in der Wohnstube steht ein Pokal, der dem Bauern von der Provinzregierung verliehen wurde: „Bester Farmer 2015“.

Die Familie profitiert von einem Programm der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH zur Förderung der Milchwirtschaft im Norden Sri Lankas. Die GIZ arbeitet hier im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit zwei Unternehmen zusammen. Die Firma Tetra Laval hat sich  auf Lebensmittel-Verpackungen und Ausrüstungen für die Milchproduktion spezialisiert. Die Einzelhandelskette Cargills kauft die Milch auf, verarbeitet sie zu Fruchtmilch und verkauft sie landesweit in ihren Geschäften. Die beiden Firmen und die GIZ organisieren unter anderem Schulungen für die Bauern, schließlich sind viele noch unerfahren im Umgang mit Kühen. So wurden die Tiere häufig nur einmal am Tag gemolken, was für den Eigenverbrauch reichte und wegen fehlender Kühlmöglichkeiten auch Sinn machte. Doch dank des Sammelsystems können die Kühe heutzutage auch zweimal am Tag gemolken werden. Das regt die Milchproduktion an.

Neue Arbeitsplätze in der Milchindustrie

Beide Unternehmen haben ein Interesse daran, dass die Bauern eine steigende Menge Frischmilch in guter Qualität produzieren. Bisher haben die Partner zusammen gut eine halbe Million Euro investiert. Den Bauern und ihren Familien – 2020 sind es inzwischen – geht es heute besser. Viele haben mit Hilfe von Krediten zusätzliche Kühe erworben und die Milchwirtschaft zu ihrer wichtigsten Einkommensquelle gemacht. So hat sich die Milchproduktion in Chavakacheri und Poonageri innerhalb von anderthalb Jahren nahezu verdoppelt. Damit leistet das Projekt einen Beitrag zum Ziel der Regierung Sri Lankas, ohne Importe eine ausreichende Versorgung mit Milch sicherzustellen. Darüber hinaus wirkt sich der Ausbau der Milchwirtschaft auch positiv auf die Beschäftigung in der Region aus. Arbeitsplätze sind nicht nur in einer Kühl- und Sammelstation für Milch in Chavakacheri entstanden, sondern auch in einer neuen Milchfabrik von Cargills im nahegelegenen Kilinochchi.

An der Kühlstation in Chavakacheri
An der Kühlstation in Chavakacheri

Der Norden und Nordosten Sri Lankas waren von dem Bürgerkrieg besonders stark betroffen. Wie Familie Kailayapilai mussten Hunderttausende Menschen ihre Heimatorte verlassen, als sich die von der Zentralregierung in Colombo kontrollierte Armee und tamilische Separatisten der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) zwischen 1983 und 2009 einen erbitterten Stellungskrieg lieferten. Die Tamilen wollten einen eigenen Staat gründen, denn sie fühlten sich nach dem Ende der britischen Kolonialherrschaft durch die singhalesische Mehrheit diskriminiert. Der Konflikt, bei dem nach UNO-Untersuchungen auf beiden Seiten schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen wurden, kostete bis zu 100.000 Menschen das Leben. Zehntausende verschwanden spurlos.

Sicheres Einkommen durch die Kühe

Kailayapilai konnte seine gesamte Familie sicher durch die schwere Zeit bringen. Schließlich kehrte er in sein Heimatdorf zurück. Ein wirtschaftlicher Neustart ist jedoch gerade im Norden nicht einfach, denn hier ist – anders als im Süden – aufgrund des Monsuns nur eine Ernte im Jahr möglich. Die Haltung von Kühen gilt daher als ideale Ergänzung, um Bauern über das gesamte Jahr ein regelmäßiges Einkommen zu verschaffen.

Bildergalerie

Angefangen haben die Bauern und die beiden Firmen praktisch bei Null. Die Milch der wenigen Kühe verbrauchten die Farmerfamilien weitgehend selbst. Heute, drei Jahre nach dem Start des Programms, geben die Kühe von Landwirt Kailayapilai zusammen 65 Liter täglich. „Das ist pro Kuh doppelt so viel wie früher“, berichtet er. Auch der Fettgehalt ist gestiegen – ein wesentliches Qualitätsmerkmal von Milch. Das hat er vor allem durch eine bessere Fütterung erreicht, die er auf Seminaren erlernt hat. Während er früher die Kühe einfach auf normalem Gras weiden ließ, verwendet er jetzt die selbst angebauten energiereichen Futterpflanzen und spezielles Kraftfutter.

Projektpartner bezahlen Tierärzte

Als große Hilfe lobt der Farmer auch die kostenlose Betreuung durch Tierärzte, deren Bezahlung die Projektpartner übernehmen. Die Ärzte helfen nicht nur bei Impfungen und Krankheiten, sondern organisieren auch die künstliche Befruchtung mit Samen von leistungsfähigen Zuchtbullen. „Einen Veterinär könnte ich mir nicht leisten“, so der Farmer. Für einheimische Verhältnisse verdient er inzwischen allerdings gar nicht so schlecht: Rund 200 Euro im Monat bleiben ihm und seiner Familie nach Abzug der Kosten und der Raten für einen Kredit, mit dessen Hilfe er den Stall gebaut hat. Kailayapilai will sich damit aber nicht zufrieden geben: „Ich will meine Farm weiter vergrößern“, sagt er. Sein Gesichtsausdruck lässt keinen Zweifel, dass er den Plan auch bald umsetzen wird.

Also alles wieder in Ordnung im Norden? Nein, sagt Kailayapilai. Noch immer seien zu viele Menschen ohne Beschäftigung. „Wir brauchen hier mehr Unternehmen, mehr Investitionen“, sagt er. Und vor allem wünscht er sich, dass die Verbrechen während des Bürgerkriegs aufgeklärt werden. „So viele Menschen sind verschwunden“, beklagt er: „Diejenigen, die dafür verantwortlich waren, müssen endlich zur Verantwortung gezogen werden.“

Ansprechpartner: Asanga Warnakulasuriyat  > asanga.warnakulasuriya@giz.de

August 2017

Gemeinsam mit Partnern

Projekt: Förderung der Milchwirtschaft im Norden Sri Lankas
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen des Programms develoPPP.de
Partner aus der Privatwirtschaft: Tetra Laval Food for Development Office, Cargills (Ceylon) PLC
Laufzeit: 2013 bis 2016
Auftragsvolumen: 535.000 Euro (BMZ 200.000 Euro, Tetra Laval 210.000 Euro, Cargills 125.000 Euro)

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