Ohne Wasserstoff keine Energiewende
Warum grüner Wasserstoff zwar kein Allheilmittel, aber ein unabdingbarer Baustein für die Energiewende ist und welche Rolle die GIZ beim Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft spielt, erklärt Jörg Baur.
Eines ist in den vergangenen Jahren, in denen sich die GIZ mit dem Thema Wasserstoff (H2) beschäftigt, deutlich geworden: Wasserstoff kann man weder überall kostengünstig produzieren noch überall einsetzen. Aber er ist für zentrale Bereiche der Energiewende schlicht alternativlos. Wir als GIZ setzen an den Stellen an, wo die Bedingungen gut sind und Wasserstoff einen echten Mehrwert bringt.
Der Hintergrund ist klar: Wir müssen dekarbonisieren und CO₂-Emissionen in allen Sektoren drastisch reduzieren. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass rund 80 Prozent der Emissionsminderungen mit fünf Technologien zu erreichen sind: Wind, Solarenergie, Batterien, Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge. Die restlichen 20 Prozent aber – auf globaler Ebene eine gewaltige Energiemenge – sind ohne Wasserstoff und wasserstoffbasierte Energieträger, sogenannte Derivate, kaum zu schaffen.

Jörg Baur ist Senior-Fachplaner Energie bei der GIZ.
Wasserstoff, wo Elektrifizierung an Grenzen stößt
Hier gibt es fünf große „Problemfelder“, für die Wasserstoff die vielversprechendste Lösung ist: erstens die Stahl- und Eisenproduktion, die mit Hilfe einer chemischen Reaktion mit Wasserstoff Eisenerz zu Eisen reduziert. Zweitens Ammoniak, vor allem als Dünger benötigt und bislang vor allem fossil hergestellt. Drittens der Flugverkehr: Für Langstreckenflüge gibt es auf absehbare Zeit keine leichten, leistungsfähigen Batterien – hier ist synthetisches Kerosin aus Wasserstoff Grundvoraussetzung. Viertens die internationale Schifffahrt, für die ebenfalls keine Alternative zu Wasserstoffderivaten in Sicht ist. Und ein weiterer, fünfter Anwendungsfall ist die Energiespeicherung für sogenannte Dunkelflauten, also Zeiten ohne Sonne oder Wind, wie sie in Deutschland regelmäßig vorkommen. Das sind die „Big Five“ der Wasserstoffanwendungen: überall dort, wo Elektrifizierung an ihre Grenzen stößt, weil Prozesse entweder stofflichen Wasserstoff benötigen oder weil Batterien und leitungsgebundener Strom nicht praktikabel sind.
Doch Wasserstoff bringt auch Herausforderungen mit sich. Die Hoffnung, dass Wasserstoff sich ähnlich wie Photovoltaik über die Zeit verbilligen würde, hat sich nicht in vollem Umfang erfüllt. Um massive Kostensenkungen zu erreichen, ist eine gigantische Ausweitung von H2-Produktionsanlagen erforderlich. Dafür sind Investitionen nötig, die wahrscheinlich fast Billionenhöhe erreichen. Außerdem lässt sich reiner Wasserstoff nicht so einfach weltweit verschiffen, da er dazu verflüssigt werden muss. Dies erfordert einen enormen Aufwand, um ihn auf etwa minus 250 Grad abzukühlen. Aus diesem Grund hat sich Ammoniak mittlerweile als der praktikabelste chemische Energieträger für den Transport etabliert.
Die richtigen Standorte finden
Dennoch: Weltweit werden künftig schätzungsweise zehn bis 20 Prozent der Endenergie auf Wasserstoff und seine Derivate entfallen. Um diesen Bedarf zu decken, kommt es entscheidend darauf an, die smartesten Standorte zu wählen – nämlich Länder mit exzellenten erneuerbaren Energieressourcen, politisch verlässlichen Rahmenbedingungen und einer industriellen Basis.
Genau hier sieht die GIZ ihre Rolle. Anfangs haben wir uns breit aufgestellt, inzwischen fokussieren wir stärker auf Standorte mit optimalen Bedingungen – etwa Brasilien, Chile, Südafrika, Namibia, Marokko oder Indien.
Die GIZ ist Vermittlerin zwischen Privatwirtschaft und Staat. Wir versuchen, für alle Seiten eine Win-win-Situation zu schaffen: In Brasilien etwa vernetzen wir deutsche Unternehmen mit brasilianischen Partnern oder organisieren Konferenzen, um den Austausch zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und politischen Akteuren zu ermöglichen. In Namibia beraten wir die Regierung dazu, wie sie ihr Wasserstoffpotenzial am gewinnbringendsten nutzen kann.
Darüber hinaus beauftragen wir Analysen von Umwelt- und Sozialrisiken und entwickeln beim Aufbau der neuen Industrien entsprechende Standards – in Ländern, in denen solche Strukturen bisher teils kaum existieren. Ein Beispiel dafür ist unsere Beratung in Mauretanien, wie trotz enormer Investoreninteressen möglichst viel für das Land herausspringt: Steueraufkommen, Jobs, Know-how und Umweltstandards. Letztlich profitieren auch Deutschland und seine Wasserstoffwirtschaft von solchen Kooperationen, da das Land seinen Bedarf nicht allein decken kann.
Mehr Akzeptanz für die Energiewende
Gleichzeitig stärkt unsere Arbeit die Akzeptanz für den Ausbau erneuerbarer Energien insgesamt. In manchen Ländern sind erneuerbare Energien immer noch ein rotes Tuch. Da herrscht das Gefühl vor: Jetzt wollen die westlichen Industrienationen auch noch, dass wir in erneuerbare Energien investieren. Die Diskussionen um grünen Wasserstoff bieten jedoch die Möglichkeit, auf die massiv gesunkenen Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien hinzuweisen, die ja auch die Grundlage für die Wasserstoffproduktion darstellen. Als Zusatznutzen zur Beratung zum Thema Wasserstoff kann so auch die Energiewende im Partnerland neue Impulse erhalten.
Die Arbeit der GIZ im Wasserstoffbereich ist ein wichtiger Baustein zum Aufbau einer breit aufgestellten globalen Wasserstoffwirtschaft. Wir bringen Know-how, Standards, Vernetzung und Partnerschaft ein. So schaffen wir Voraussetzungen, dass Wasserstoff dort zum Zug kommt, wo er wirklich gebraucht wird – als ein Schlüsselbeitrag für die „letzten 20 Prozent“ der Dekarbonisierung weltweit.