Reportage

Lernen für Südafrikas Energiewende

Südafrika und seine Energiewende: Eine Reise ans Westkap zeigt, wie junge Menschen beim Umbau des Energiesektors mitgenommen werden.

Text: Helena Kreiensiek Fotos: Jesse David Preyser und Chris Preyser

Selbstbewusst erklärt Edward Lee seinen Mitauszubildenden den Aufbau eines Solarpanels. Im Klassenraum steht auch ein echtes Exemplar, doch der 24-Jährige konzentriert sich zunächst auf eine Zeichnung, die das Innenleben des Solarpanels darstellt – mit all seinen verschiedenen Verbindungen und Funktionen. Die Theorie kommt vor der Praxis. Lee gehört zu einer Gruppe von jungen Menschen, die in der südafrikanischen Stadt Vredenburg ein Ausbildungsprogramm zur Elektro- und Photovoltaik-Fachkraft absolvieren.

Vredenburg mit seinen rund 40.000 Einwohner*innen liegt etwa 130 Kilometer nordwestlich von Kapstadt. Diese Region rund um die Saldanha-Bucht soll nach den Plänen der südafrikanischen Regierung eine entscheidende Rolle als künftiges Energie-Zentrum des Landes spielen. Das geht nicht ohne Fachkräfte – eine gute Nachricht angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit in Südafrika von 45,5 Prozent.

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Edward Lee Jesse David Preyser

Edward Lee im Unterricht

„Es ist hier nicht einfach, ohne berufliche Erfahrung und Wissen einen Arbeitsplatz zu bekommen“, sagt Edward Lee nach dem Unterricht. Die Chance, im Ausbildungszentrum Vredenburg Fachwissen zu erwerben, ist für ihn deshalb unschätzbar wertvoll. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH fördert im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) die Qualifikation von jungen Südafrikaner*innen zusammen mit der südafrikanischen Organisation Yes4Youth.

„Uns geht es darum, Frauen und Männern innerhalb von zwölf Monaten das nötige Wissen an die Hand zu geben, damit sie in all den Bereichen arbeiten können, die für Südafrikas Energiewende relevant sind“, sagt Allison van der Walt von Yes4Youth. Sie und ihre Kolleg*innen sind ambitioniert. Sie wissen, dass die nächste Generation entscheidend ist für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Südafrikas.

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Allison van der Walt Jesse David Preyser

Allison van der Walt von der Organisation Yes4Youth

Jobs und Klimaschutz

Ein Bündel von Projekten, wie „Berufliche Perspektiven für Beschäftigung“ im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) und kofinanziert vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft sowie „Beschäftigungsperspektiven in der digitalen Welt in Südafrika“ und „Initiative für Jugendbeschäftigung“, zielt auf die Verbindung von mehr Jobs und mehr Klimaschutz. Die GIZ unterstützt damit Südafrika auf dem Weg zu einer gerechten und dekarbonisierten Gesellschaft.

Energiekrise bestimmt den Alltag

Seit gut 17 Jahren befindet sich das Land am Kap in einer Energiekrise. Unter anderem fehlende Wartungsarbeiten und ein veraltetes System, gepaart mit einem steigenden Energiebedarf, haben zu einer Überlastung der Stromnetze geführt. Die bisherige Lösung lautete „load shedding“, übersetzt Lastabwurf. Gemeint ist damit die gezielte Abschaltung von Strom über mehrere Stunden.

Diese eingeschränkte Stromversorgung bestimmt vielerorts den Alltag der Menschen – und macht vor allem kleinen Unternehmen zu schaffen. Ihnen fehlt oft das Geld, sich Energiealternativen wie Generatoren anzuschaffen. „Meine Mutter hatte einen Fischladen mit Imbiss. Aber jedes Mal, wenn der Strom ausfiel, konnte sie keine Fish and Chips zubereiten“, sagt Edward Lee. Ohne Ware kein Einkommen. Irgendwann habe seine Mutter, wie viele andere auch, ihre Firma nicht mehr halten können.

Die dramatische Energiekrise und ihre Folgen zwingen Südafrika zu einer neuen Energiepolitik. Ziel ist eine sozial gerechte und grüne Energiewende, eine „Just Energy Transition (JET)“. Mit einer Umstellung auf alternative und grünere Energiequellen, wie Sonne und Wind, sowie Zukunftstechnologien wie grünem Wasserstoff will Südafrikas Regierung der Energiekrise Herr werden – und das Land mit einer nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Energieinfrastruktur neu aufstellen.

Bis 2050 soll Südafrika klimaneutral sein, dann möchte das Land am Kap den Sprung von einer kohlebasierten Energieversorgung hin zu erneuerbaren Energien geschafft haben. Heute ist Südafrikas Energiesektor noch zu weiten Teilen von umweltschädlicher Kohle abhängig und das Land verzeichnet eine der höchsten Feinstaubbelastungen weltweit.

Just Energy Transition

Was bedeutet eine gerechte Energiewende, die „Just Energy Transition“? Der Begriff Transition – Übergang beschreibt die schrittweise Umstellung auf kohlenstoffarme Technologien. Gerecht bedeutet, dass dieser Übergang keine negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Arbeitsplätze und den Lebensunterhalt haben wird. Es geht also nicht nur darum, von Kohle und Öl auf erneuerbare Energien umzusteigen, sondern auch darum, dass der Wandel für alle fair und integrativ ist.

Nachhaltigkeit und soziale Verträglichkeit

Eine „Just Energy Transition“-Partnerschaft (JETP) unterstützt Südafrikas Pläne für eine gerechte Energiewende. Geldgeber dafür sind Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Dänemark, die USA und die EU, aber auch Entwicklungsbanken. Zudem verabschiedete die südafrikanische Nationalversammlung im März 2024 ein Gesetz, das die Umgestaltung des südafrikanischen Elektrizitätssektors zum Ziel hat. Derzeit hat der staatliche Stromkonzern Eskom noch eine Monopolstellung. Die Gesetzesreform soll es ermöglichen, dass zusätzlich unabhängige Stromerzeuger einsteigen können. Die GIZ berät das Land auch bei Strommarktreformen. Insgesamt erlebt Südafrika Umbrüche an mehreren Fronten mit einem deutlichen Aufschwung der Erneuerbaren.

Wichtig sei es, die Menschen bei diesen ambitionierten Vorhaben mitzunehmen, betont Patrick Lakabane vom Freeport Saldanha. Der Freeport Saldanha ist eine Sonderwirtschaftszone mit dem tiefsten natürlichen Hafen in Südafrika. Mit Blick auf seine Heimatregion sieht Lakabane in der Energiewende eine enorme Chance. Noch befinden sich rund um den Hafen von Saldanha Bay weite, offene Felder, über die der Wind pfeift. In Zukunft sollen hier, in unmittelbarer Nähe zur Atlantikküste, Windräder stehen und Solarparks gebaut werden. Saldanhas Infrastruktur mit Tiefwasserhafen, Straßen- und Eisenbahnanbindung sowie viel Wind und Sonne machen die Region auch für die Produktion von grünem Wasserstoff interessant.

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Solarpaneele Jesse David Preyser

„Vorsichtig optimistisch“

Aalia Cassim vom südafrikanischen Finanzministerium über Fortschritte und Herausforderungen auf dem Weg in eine grüne Energie-Zukunft.  
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Patrick Lakabane Jesse David Preyser

Patrick Lakabane, Manager Freeport Saldanha

Arbeitsplätze schaffen

Ausbildungsprogramme wie die von Yes4Youth“ in Vredenburg tragen dazu bei, Menschen der lokalen Gemeinden so auszubilden, dass sie eine wichtige Rolle in Südafrikas Energie-Aufbruch einnehmen. „Wir wollen jungen Leuten eine berufliche Orientierung geben und aufzeigen, was es für Möglichkeiten hier vor Ort gibt“, betont Manager Lakabane. Deshalb geht das Freeport-Team auch in Schulen, um für Berufe im Energiesektor zu werben.

Der Mensch im Vordergrund

Wie wichtig diese neuen beruflichen Perspektiven sind, weiß Lehrerin Thelma Hine von Yes4Youth: „Viele der jungen Menschen in unserem Programm kommen aus schwierigen Verhältnissen. Die Erfahrung, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen und Träume verwirklichen zu können, ist für sie neu und unglaublich wertvoll.“ Natürlich gehe es darum, die jungen Leute beruflich gut auszubilden. „Aber eben nicht nur. Der Mensch steht im Vordergrund.“ Und manchmal bedeutet das auch, dass sich Auszubildende für einen anderen Weg und eine ganz andere Branche entscheiden.

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Gruppe von jungen Menschen Jesse David Preyser

So wie die 18-jährige Brogan Smith. „Ich war mir nicht sicher, ob das Solar-Programm für mich das Richtige ist. Bei den Brand- und Sicherheitsübungen habe ich dann gemerkt, dass ich genau diesen Bereich spannend finde.“ Jetzt wird sich Smith für eine Laufbahn bei der Feuerwehr bewerben. „Als ich die Ausbildung anfing, hatte ich kaum Selbstvertrauen, jetzt habe ich gelernt, an mich zu glauben“, sagt die junge Frau.

Südafrika steht an einem Wendepunkt. Edward Lee, Brogan Smith und all die anderen bereiten sich nicht nur auf ihre persönliche berufliche Zukunft vor. Sie stehen für den größeren Wandel, der im ganzen Land stattfindet. Es geht nicht nur darum, eine Energiekrise zu bewältigen, sondern auch darum, eine Gesellschaft aufzubauen, die nachhaltig, gerecht und zukunftsorientiert ist.

Energiewende unterstützen

Die GIZ fördert in Südafrika die sozial gerechte Energiewende mit einem breiten Portfolio:

Unterstützung der Transformation des südafrikanischen Energiesektors im Auftrag des BMZ und kofinanziert von SECO, Kontakt: Lilian Laurisch

Verbesserung der Netz- und Systemintegration variabler erneuerbarer Energie im Auftrag des BMZ, Kontakt: Anna-Maria Heisig

Grünen Wasserstoff fördern im Auftrag des BMZ, Kontakt: Rebekka Hilz-D’bichi

Industrie, Luft- und Schifffahrt in Argentinien, Marokko und Südafrika klimaneutral gestalten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) durch die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI), Kontakt: Alexander Mahler

Just Transition to a Decarbonised Economy for South (JUST SA) im Auftrag des BMWK, Kontakt: Christina von Heyden

Energy-Cluster-Koordinator: Jan-Christoph Kuntze
Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:
SDG 7: Bezahlbare und saubere Energie SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum SDG 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz SDG 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele