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Interview

„Vorsichtig optimistisch“ für Südafrikas Energiesituation

Südafrikas Fortschritte und Herausforderungen auf dem Weg in eine grüne Energie-Zukunft: Aalia Cassim, Direktorin für Mikroökonomische Politik im südafrikanischen Finanzministerium, im akzente-Interview

Interview: Helena Kreiensiek

Frau Cassim, wie steht es um die Energiesituation in Südafrika?

Die vergangenen Jahre waren von ständigen Stromausfällen geprägt – das geht natürlich mit einer Abschwächung der Wirtschaftskraft einher und wirkt sich negativ auf das Bruttoinlandsprodukt aus. Ganz unmittelbar haben die Stromausfälle Folgen für kleine Unternehmen und das alltägliche Leben der Menschen. Die südafrikanische Regierung hat versucht, die Energiekrise zu lösen, indem sie zunächst die Energiemärkte für private Erzeuger öffnete. Anschließend hat sie die Zahl der privaten Erzeuger erneuerbarer Energien, die in das Netz einspeisen, erhöht und die staatliche Abnahme von erneuerbarer Energie beschleunigt. In den letzten drei Jahren gab es hier erhebliche Fortschritte.

Wie sind diese Fortschritte in Südafrikas Energiewende erzielt worden?

Auf den Energiemärkten hat es wichtige Veränderungen gegeben, die von der Regierung breit unterstützt werden. So wurde zum Beispiel eine Marktreform durchgeführt, um dem Privatsektor die Teilnahme an den Strommärkten zu ermöglichen. Dazu wurde ein unabhängiger Netzbetreiber gegründet. Zuvor hatte der staatliche Stromkonzern Eskom eine Monopolstellung. Außerdem hat Eskom zuletzt verstärkt Wartungsarbeiten durchgeführt, das ist wichtig angesichts des Zustands der Infrastruktur. Und es gibt Initiativen, die darauf zielen, den Zugang zu erneuerbarer Energie in abgelegenen und unterversorgten Gebieten zu verbessern.

Besteht Hoffnung, dass sich die Energiekrise langsam dem Ende zuneigt?

Ich denke schon, allerdings ist das System immer noch anfällig für Störungen. Südafrika kämpft nun einmal mit veralteten Kohlekraftwerken und einer Netzinfrastruktur, die schlecht gewartet worden ist. Es gibt noch viel zu tun, bis wir stabil aufgestellt sind. Vermutlich wäre „vorsichtig optimistisch“ der richtige Ausdruck mit Blick auf die Zukunft.

Wir sehen in Südafrika einen Trend hin zu sauberen Technologien. Wann wird das Land klimaneutral sein?

Derzeit arbeitet das Land an der Diversifizierung seines Energiemixes, indem zusätzliche erneuerbare Energien in das Netz eingespeist werden. Wir sind aber noch nicht an dem Punkt, an dem alte, emissionsintensive Kraftwerke im großen Stil abgeschaltet werden können, da sonst die Versorgungssicherheit gefährdet wäre. Es wurden jedoch Verpflichtungen für das Ziel eingegangen, bis 2050 keine Kohlenstoffemissionen mehr zu verursachen. Das erfordert einen Ausbau der erneuerbaren Energien und die Einführung energieeffizienter Praktiken. Die Energiekrise war der Anstoß, um über die Umsetzung von neuen, sauberen Technologien nachzudenken. Im nächsten Schritt kann sich auf die tatsächliche Dekarbonisierung der Wirtschaft konzentriert werden.

Was ist mit der Dekarbonisierung Südafrikas gemeint?

Das ist der Prozess, in dem der Anteil der schädlichen CO₂-Emissionen, die in Südafrika durch wirtschaftliche Aktivitäten verursacht werden, erheblich reduziert wird. Es geht darum, die Umwelt zu schützen und den Klimawandel zu bekämpfen, aber auch die Wirtschaft nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen. Allerdings muss eine bestimmte Reihenfolge bei der Umsetzung beachtet werden. Die Stilllegung der Kohlekraftwerke, die momentan den Großteil von Südafrikas Energie produzieren, kann erst erfolgen, wenn wir den Rest stabilisiert haben. Wir haben über die vergangenen Jahre gesehen, welche gravierenden Auswirkungen die Stromausfälle auf die südafrikanische Wirtschaft haben. Deshalb ist überlegtes Handeln angebracht und vor allem ein geordneter und gut gemanagter Übergang zur grünen Energieversorgung.

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Aalia Cassim Aalia Cassim

Aalia Cassim ist promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin und amtierende Direktorin für Mikroökonomische Politik im südafrikanischen Finanzministerium.

Was sind die langfristigen Vorteile der Dekarbonisierung für Südafrika?

Südafrika ist in erheblichem Maße Klimaschocks wie Überschwemmungen und Dürren ausgesetzt. Diese Risiken zu mindern, ist entscheidend für das Wohlergehen der Menschen und der Wirtschaft. Für die Menschen, die in der Nähe von Kohleminen leben, haben Klimaschutz und Dekarbonisierung unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit. Was den wirtschaftlichen Nutzen betrifft, so würden sich Investitionen in erneuerbare Energien und Batteriespeicher positiv auf den Bausektor und die Stahlindustrie auswirken. Und möglicherweise würden sich neue Märkte für Metalle ergeben, sofern die Energiewende mineralienintensiv wird. Die Struktur der Wirtschaft ändert sich, wenn die Nachfrage nach Öl und Gas sinkt. Die Auswirkungen auf die südafrikanische Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren müssen berücksichtigt werden, wenn Elektrofahrzeuge an Popularität gewinnen. In diesen Märkten der Zukunft liegen Chancen für Südafrika, aber die Risiken müssen sorgfältig abgewogen werden.

Welche Rolle spielt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in der grünen Energiewende von Südafrika?

Die GIZ spielt eine entscheidende Rolle bei technischer Hilfe und Schulungen zur Reform des Energiesektors. Die Organisation hat über mehrere Jahre hinweg die Umsetzung der Energiemarktreform unterstützt, mit Regierungsvertreter*innen bei der Gestaltung einer wirksamen Politik zusammengearbeitet, Beamtinnen und Beamte geschult sowie zum Schutz lokaler Ökosysteme beraten. Der Ansatz ist kooperativ, berücksichtigt die Prioritäten der Regierung und bietet Beratung in einem spezifischen Kontext, die leicht umsetzbar ist.

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