Interview
Blaupause für einen erfolgreichen Kohleausstieg
Südafrika hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2050 will das Land klimaneutral werden und langfristig aus der Kohleindustrie aussteigen. Bei der Weltklimakonferenz in Glasgow letzten November einigten sich Südafrika, Deutschland, die EU und andere Staaten auf eine Partnerschaft, die eine sozial gerechte Energiewende anstrebt. Im Auftrag der Bundesregierung unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH Südafrika in verschiedenen Projekten für den Klimaschutz, den Ausbau erneuerbarer Energien und neue Jobperspektiven. Das Zentrum der südafrikanischen Energieproduktion ist die Provinz Mpumalanga im Nordosten des Landes. Um dort einen nachhaltigen Wirtschaftssektor, ein „Green Economy“-Cluster, aufzubauen, arbeitet die GIZ mit südafrikanischen Partnern zusammen. Mehr dazu von Nkosinathi Nkonyane. Er ist in der Provinzregierung von Mpumalanga zuständig für wirtschaftliche Entwicklung.
Herr Nkonyane, wieso reicht es nicht, nur auf den Ausstieg aus der Kohle und den Aufbau von erneuerbaren Energien zu setzen?
In Südafrika arbeiten etwa 200.000 Menschen in den Minen, den Kraftwerken und dem Kohletransport, ein Großteil davon in Mpumalanga. Dort stehen zwölf der insgesamt vierzehn Kohlekraftwerke Südafrikas. Außerdem wird dort in rund 200 Bergwerken Kohle abgebaut. Viele Beschäftige in der Kohleindustrie haben Angst vor der Veränderung und dem Verlust ihres Jobs. Wir müssen die Betroffenen selbst mit in den Umbau einbeziehen.
Südafrika hat eine Arbeitslosenquote von 35 Prozent. Neue Jobs zu schaffen ist also ein zentraler Aspekt?
Ja, auf jeden Fall. Ich bin mein Leben lang von Bergwerken umgeben gewesen und es ist auch für mich schwer vorstellbar, dass all diese Jobs kurzfristig ersetzt werden können. Weiterbildungs- und Umschulungsprogramme sind daher ein Kern unseres Konzepts.
Was steckt hinter dem „Green Economy“-Cluster?
Es geht nicht nur darum, Kohlestrom durch erneuerbare Energien zu ersetzen, vielmehr müssen die Ressourcen nachhaltig genutzt werden. Durch den Kohleabbau hat die Umwelt Schaden genommen: Flüsse, Grundwasser, ganze Landstriche müssen rehabilitiert werden. Dank einer Pilotstudie wissen wir nun, dass das möglich ist und auf sanierten, ehemaligen Minengeländen sogar Landwirtschaft betrieben werden kann. Es ist essenziell, dass beim Umbau eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft geschaffen wird, die viele Arbeitsplätze bietet.
Was bedeutet Ihnen vor diesem Hintergrund die bei der Weltklimakonferenz verkündete Energiepartnerschaft?
Gerade Deutschland ist ein wichtiger strategischer Partner für uns, wir arbeiten schon lange gut zusammen. Bei Energiewende und Strukturwandel können wir von den Erfahrungen Deutschlands und seinen technologischen Entwicklungen profitieren.
Damit Mpumalanga eine Art Blaupause für andere Regionen werden könnte?
Absolut. Wir wollen, dass unsere Arbeit Modellcharakter hat. Es gibt bereits Länder, die daran interessiert sind und es werden mehr werden, sobald unsere Initiativen dann auch tatsächlich in die Tat umgesetzt werden. Vielleicht schlagen andere afrikanische Staaten dann einen ähnlichen Weg ein.
Der Ausbau erneuerbarer Energien konzentriert sich bislang auf andere Regionen Südafrikas: Im Norden herrschen optimale Bedingungen für Sonnenergie, im Westen für Windkraft. Welche Rolle kann Mpumalanga spielen?
In Bezug auf Solarenergie haben andere Regionen Südafrikas tatsächlich bessere Voraussetzungen. Aber es laufen Studien, die das Potenzial von Windenergie in Mpumalanga ausloten und da gibt es durchaus Chancen. Wir wollen aber auch mit der Herstellung von Komponenten für erneuerbare Energien, wie Rotorblättern, beginnen. Dafür richten wir derzeit eine Sonderwirtschaftszone ein. Dort soll auch geforscht und Innovationen entwickelt werden, etwa im Bereich grüner Wasserstoff.
Um all diese unterschiedlichen Pläne und Aktivitäten zu bündeln, hat die Provinzregierung zusammen mit anderen Akteuren die Gründung der „Mpumalanga Green Economy Cluster Agency“ unterstützt. Wie funktioniert diese Agentur?
Sie koordiniert die Arbeit all der unterschiedlichen Beteiligten. Denn es gab zuvor zu wenig Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dem Privatsektor und die Regierung. Die Agentur bildet nun eine Plattform, um enger zusammenzuarbeiten, Ideen auszutauschen und über gesetzliche Rahmenbedingungen zu beraten. Momentan befinden wir uns noch in der konzeptionellen Phase: Wir führen Studien durch und planen Projekte, die in den nächsten zwei bis fünf Jahren umgesetzt werden sollen. Es ist aufregend, mitzuerleben, wie das Ganze Form annimmt.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) unterstützt die GIZ im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) Südafrikas Umweltministerium bei der Erreichung der ehrgeizigen Klimaschutzziele. Das Klimaschutzprogramm (Climate Support Programme, CSP) setzt unter anderem auf sogenannte „Flagship-Projekte“, die auch subnationale Stellen einbinden und ein Vorbild für andere sein können.
Kontakt: Gregor Schmorl, gregor.schmorl@giz.de
Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt die GIZ u.a. über das Südafrikanisch-deutsche Energieprogramm (South African-German Energy Programme, SAGEN) die Verbesserung der technischen und regulatorischen Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien und Energieeffizienz in Südafrika. Dabei fördert sie über verschiedene Maßnahmen eine gerechte Energiewende im Land.
Kontakt: Jan-Christoph Kuntze, jan-christoph.kuntze@giz.de
März 2022