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Erklärt

Die Wirtschaft im Blick

Warum eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Privatsektor unabdingbar ist und was die neue geopolitische Lage damit zu tun hat. 

Die Welt ändert sich gewaltig. Alte Allianzen schwinden, neue wirtschaftliche Kraftzentren entstehen. Alles ist in Bewegung. Noch ist nicht klar, wohin genau die Reise geht. Aber es steht außer Frage, dass sich Deutschlands Rolle in der Welt ändert – und mit ihr die Arbeit der GIZ.  

Gerade in dieser Phase des Umbruchs sind Deutschlands Kontakte in alle Welt wichtiger denn je. Das gilt besonders für den Globalen Süden, der für alle großen Themen auf der internationalen Agenda eine wichtige Rolle spielt – von der Energiewende bis zum Artenschwund, vom Klimawandel bis zur Seuchenbekämpfung, von der Rohstoffsicherung bis zur Migrationsfrage – und der auch wirtschaftlich rasant an Stärke gewinnt. 

Auf all diese Veränderungen kann die Antwort nur lauten: Beziehungen aufbauen und pflegen, bei denen gleichberechtigte Partner gemeinsame Ziele verfolgen. Und das auf ganz vielen Ebenen – bilateral und multilateral, mit der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und viel stärker als früher auch mit der Wirtschaft. 
 

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Thorsten Giehler

Thorsten Giehler ist seit Herbst 2024 Abteilungsleiter für Wirtschaft, Beschäftigung und Soziale Entwicklung. Davor war er viele Jahre Regionaldirektor Ostasien der GIZ in Peking. 

GIZ als Türöffner für die Wirtschaft

Aus zwei Gründen ist die Wirtschaft hier zentral: Zum einen ist der Finanzbedarf für die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) riesig. Die Unterfinanzierung für die Agenda 2030 liegt nach UN-Berechnungen bei jährlich über 1,5 Billionen US-Dollar. Zuletzt waren nur 16 Prozent der SDG-Indikatoren im Plan; deshalb braucht es weitere Kraftanstrengungen und deutlich mehr Finanzen. 

Weil staatliche Mittel dafür nicht ausreichen – weder aus den OECD-Staaten noch aus dem Globalen Süden –, spielen private Investitionen eine entscheidende Rolle. Die technische Zusammenarbeit (TZ) kann eine Art Türöffner- und Geländer-Funktion für Firmen aus Deutschland in den Schwellen- und Entwicklungsländern übernehmen. Die Partnerländer selbst erwarten dieses Einbetten der TZ in die Wirtschaftsbeziehungen immer stärker.

Zum anderen stellen die neuen geopolitischen und geoökonomischen Realitäten auch die deutsche Wirtschaft vor große Herausforderungen: Der bisherige WTO-Motor für transparente und regelbasierte wirtschaftliche Beziehungen zwischen den Ländern stottert; immer mehr Länder schaffen ihre eigenen Regeln und Ansprüche. Die Zollpolitik der Trump-Administration ist nur ein Beispiel. Sanktionen, Exportkontrollen, Subventionen und Zölle sind auf der einen Seite Reaktionen auf schwindende globale Regeln. Sie tragen aber andererseits auch dazu bei, dass Übereinkünfte einer regellosen Fragmentierung weichen.

Wohlstand nachhaltig sichern

In diesem Kontext braucht die deutsche und europäische Wirtschaft die Flankierung durch eine neue Form der „wirtschaftlichen Zusammenarbeit für nachhaltigen Wohlstand weltweit“, wie dies Bundesentwicklungsministerin Alabali Radovan kürzlich ausdrückte. Es geht um gute Rahmenbedingungen vor Ort, aber auch um konzertierte Aktionen von technischer und finanzieller Zusammenarbeit und den Wirtschaftsfördereinrichtungen des Bundes. Mit der Kreditversicherungsgruppe Allianz Trade hat die GIZ im Juni ein Memorandum of Understanding geschlossen, das vorsieht, die Instrumente der Exportkreditgarantien und neuer TZ-Projekte in den Partnerländern frühzeitig abzustimmen. 

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Schon bisher Zusammenarbeit mit der Wirtschaft

Die bisherige Zusammenarbeit der GIZ mit der Wirtschaft nahm bewusst je nach Politikfeld andere Formen an: in der Klimapolitik im Auftrag des Bundesumweltministeriums andere als in bilateralen außenwirtschaftspolitischen Vorhaben im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und wiederum andere bei Projekten der Entwicklungszusammenarbeit. 

Energiepartnerschaften mit Ländern wie Indien oder das Projektentwicklungsprogramm zur Anbahnung von deutschen Investitionen sind Beispiele für die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Klima- und Energiebereich.

In den außenwirtschaftspolitischen Vorhaben der Qualitätsinfrastruktur mit Schwellenländern oder zu industriellen Datenökosystemen geht es um gemeinsame Standards – etwa in der Medizintechnik, im Fahrzeugbau, im Datenverkehr – oder um simple, aber entscheidende Dinge wie harmonisierte Steckdosen für die Elektromobilität. Als GIZ wirken wir auf Partnerländer entsprechend ein und versuchen so, die Arbeit der deutschen Wirtschaft im Ausland zu erleichtern oder Reziprozität zu erreichen. Dies geschieht im Rahmen bilateraler staatlicher Zusammenarbeit und unterscheidet sich damit von der Wirtschaftsförderung. Die beiden ergänzen sich. Jedes Instrument hat seine Besonderheiten. Auf das Zusammenspiel kommt es an.

Auch in der Entwicklungszusammenarbeit gab es immer Beziehungen zur deutschen Wirtschaft, zum Beispiel über das Programm develoPPP, das seit 25 Jahren existiert. Es unterstützt Unternehmen dann, wenn sie mit ihren Aktivitäten einen entwicklungspolitischen Nutzen stiften. Wenn die Firmen also zum Beispiel neben einer Produktionsstätte einen Kindergarten errichten oder mit Kaffeeproduzenten zusammenarbeiten, die nachhaltig anpflanzen, etc., dann können daraus Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft entstehen. Zukünftig soll die Entwicklungszusammenarbeit jedoch nicht nur „mit“ der, sondern auch „für“ die Wirtschaft arbeiten.

Auf der bisherigen Arbeit der GIZ lässt sich gut aufbauen. Die Aktivitäten in der Außenwirtschaftspolitik sowie das Energie- und Klimaengagement funktionieren und sind zeitgemäß. Sie könnten noch skaliert werden. Aber vor allem muss dieser Blick erweitert werden durch Konzepte der wirtschaftlichen Sicherheit: Rohstoffe, diversifizierte Lieferketten und sichere Energieversorgung sind hier nicht erst seit der Covid-19-Pandemie die Stichworte. 

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Privatsektor von Anfang an mitdenken

Doch die entscheidende Frage ist: Wie können wir unsere Arbeit stärker mit den Aktivitäten der Privatwirtschaft verzahnen, ohne in eine paternalistische Rolle zu verfallen? Die wirtschaftliche Zusammenarbeit wäre beschädigt, wenn Deutschland plötzlich nur noch seine Interessen im Sinn hätte. Zusammenarbeit basiert auf Partnerschaft. Deshalb wird es darum gehen, die bisherigen Prinzipien und Praktiken klug weiterzuentwickeln. 

Das könnte etwa geschehen, indem die GIZ Aktivitäten der deutschen Wirtschaft im jeweiligen Land gezielt mitberücksichtigt, und zwar schon beim Entwickeln von Vorhaben. Auf diese Weise könnten branchenspezifische Export- und Investitionsinteressen in die Konzeption eingebettet werden. Denkbar wären auch Maßnahmen für ein investitionsfreundliches Klima in bilateralen Vorhaben oder in den Projekten der EU sowie konkrete Maßnahmen etwa zur Energieeffizienz. All das würde den Unternehmen helfen, aber auch die positiven Wirkungen im Partnerland vergrößern – alle hätten einen Nutzen davon.

An solchen und anderen Vorschlägen arbeiten wir derzeit intensiv. Letztlich entscheiden muss darüber die Bundesregierung. Aber die GIZ steht bereit, weil wir die Zeichen der Zeit erkannt haben. 

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