Sodzi Sodzi-Tettey ist studierter Mediziner, Experte für öffentliche Gesundheit und Geschäftsführer des Nationalen Impfstoffinstituts Ghanas. Das Institut hat in erster Linie die Aufgabe, ein Ökosystem aufzubauen, mit dem es Ghana gelingt, Impfstoffe lokal herzustellen. Dafür soll das Nationale Impfstoffinstitut mit mindestens 150 hochqualifizierten Fachkräften ausgestattet werden, die seine Tragfähigkeit sicherstellen und dafür sorgen, dass Ghana Impfstoffe entwickeln und herstellen kann. Damit wird das Land in der Lage sein, etwaige Krankheitsausbrüche zu managen und einzudämmen.

„Schutz vor künftigen Pandemien“
Sodzi Sodzi-Tettey leitet das Nationale Impfstoffinstitut Ghanas. Im Interview mit akzente erläutert er, warum Afrika selbst mehr Impfstoffe herstellen muss, warum das wirtschaftlich rentabel ist und wie die Zusammenarbeit mit der GIZ funktioniert.
Ghana arbeitet an der Herstellung von Impfstoffen für die eigene Bevölkerung und ganz Afrika. Warum ist das wichtig?
Das hat einen ganz einfachen Grund. Afrika stellt weniger als ein Prozent der auf dem Kontinent verwendeten Impfstoffe selbst her. Während der Covid-19-Pandemie wurde sehr deutlich, welche negativen Folgen das hat: Aufgrund des Impfstoffnationalismus und der anfälligen globalen Lieferketten bekamen wir nicht die Impfdosen, die wir benötigt hätten.
Aus dieser Erfahrung haben wir gelernt, dass Ghana – und ganz Afrika – in dieser Hinsicht unabhängiger und damit resilienter werden muss. Deshalb formulierte die Behörde der Afrikanischen Union für Seuchenkontrolle und -prävention (Africa Centres for Disease Control and Prevention) das Ziel, die Impfstoffproduktion in Afrika bis 2040 von einem Prozent auf 60 Prozent zu steigern. Es ist eine Frage der Gesundheitssicherheit und Ghana unterstützt dieses Ziel.
Warum ist das sowohl für Ghana als auch für Deutschland relevant und welche Vorteile sind damit für beide Seiten verbunden?
Es handelt sich um eine wichtige Vorsichtsmaßnahme, um die nächste Pandemie zu verhindern oder zu bekämpfen. Wir alle wissen: Die Frage ist nicht, ob es passiert, sondern wann. Je besser wir vorbereitet sind, desto einfacher wird es sein, damit umzugehen. Viren machen weder an nationalen noch an kontinentalen Grenzen halt. Daher ist es auch im Interesse Deutschlands, dass wir unsere lokalen Herstellungskapazitäten stärken und die erforderlichen Einrichtungen aufbauen, weil dies zur globalen Gesundheitssicherheit beiträgt. Zudem bietet sich damit für beide Seiten die Gelegenheit, voneinander zu lernen.

„Mit diesem Engagement ist die GIZ einer der wichtigsten Unterstützer unserer Arbeit.“
Wo stehen Sie in diesem Prozess?
In Ghana wurde 2023 das Nationale Impfstoffinstitut (NVI) gegründet, das zu leiten und aufzubauen ich die Ehre habe. Wir haben drei Aufgaben: Wir schaffen die institutionellen Voraussetzungen für die Forschung und sorgen dafür, dass in Ghana Impfstoffe und Seren entwickelt und hergestellt werden. In allen drei Bereichen machen wir Fortschritte.
Was die Herstellung betrifft, so haben wir von Anfang an auf eine öffentlich-private Partnerschaft gesetzt. Gemeinsam mit zwei Arzneimittelherstellern in Ghana – Atlantic Lifesciences und DEK Vaccines – möchten wir die Impfstoffproduktion ausbauen. Bislang haben wir noch keine Impfstoffe hergestellt, aber wir arbeiten derzeit an der Produktion eines Impfstoffes gegen Tetanus und Diphterie im Rahmen eines Formulierungs-, Abfüll- und Verpackungsverfahrens. Weitere Impfstoffe, beispielsweise gegen Hepatitis B, sind geplant und wir haben auch einen oralen Cholera-Impfstoff ins Auge gefasst. Außerdem hat die ghanaische Lebens- und Arzneimittelbehörde kürzlich Atlantic Lifesciences die Marktzulassung für die kommerzielle Herstellung eines Schlangengift-Antiserums erteilt. In Ghana und ganz Afrika vollziehen sich derzeit aufregende Entwicklungen.
Welche Rolle könnte die Privatwirtschaft der Industrieländer in diesem Zusammenhang spielen?
Für uns ist es von entscheidender Bedeutung, private Investoren aus dem Globalen Norden zu gewinnen. Beispielsweise hat Atlantic Lifesciences bereits Millionen in den Bau einer Anlage zur Herstellung eines Schlangengift-Antiserums investiert. Angesichts des Bevölkerungswachstums in Afrika und des immensen Bedarfs an Impfstoffen bietet der Kontinent enormes Potenzial. Darum suchen Atlantic Lifesciences und der andere Impfstoffhersteller – DEK Vaccines – Investoren, die ihnen beim Bau spezifischer Anlagen für Impfstoffe helfen können.
Wir sprechen auch mit Regierungen über die Möglichkeiten von Marktgarantien für die herzustellenden Impfstoffe. Kurz gesagt: Für privatwirtschaftliche Partner in den Industrieländern, lokale Unternehmen und Regierungen bieten sich derzeit hervorragende Chancen, im Rahmen von Direktinvestitionen und Vereinbarungen über Technologietransfers sowie mit Unterstützung stärkerer nationaler Regulierungsbehörden enger zusammenzuarbeiten.
Aufbau der Impfstoffherstellung in Ghana
Die Regierung von Präsident John Dramani Mahama hat die Vision, Ghana als Zentrum der Arzneimittelherstellung für Westafrika und darüber hinaus zu etablieren. Die GIZ unterstützt den Plan des Landes, im Hinblick auf die Herstellung von Arzneimitteln und Impfstoffen unabhängiger zu werden, seit 2021. Im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) und der Europäischen Union führt die GIZ das Programm PharmaVax im Rahmen der Team-Europa-Initiative für die Herstellung von und den Zugang zu Impfstoffen, Arzneimitteln und Gesundheitstechnologien in Afrika (Manufacturing and Access to Vaccines, Medicines and Health Technologies in Africa – MAV+) durch, mit der Europa afrikanische Partner bei der Förderung der lokalen Herstellung unterstützt. Das Programm arbeitet mit ghanaischen und internationalen Partnern wie Behörden, der Privatwirtschaft sowie Forschungs- und Bildungseinrichtungen zusammen. Die GIZ unterstützt unter anderem das Nationale Impfstoffinstitut bei der Stärkung seiner Kapazitäten für die Koordinierung und Überwachung der Impfstoffforschung, -entwicklung und -herstellung. Zu ihren Tätigkeiten zählen die Organisationsentwicklung, die Schulung des Personals, technische Beratung und logistische Unterstützung.
Wie arbeiten Sie mit der GIZ zusammen?
Die GIZ ist gegenwärtig für das Nationale Impfstoffinstitut der wichtigste Dienstleister für technische Unterstützung. Derzeit führt sie das Programm PharmaVax Ghana durch, das von der Europäischen Union und der Bundesregierung kofinanziert wird. Die GIZ und das NVI kooperieren eng, weil PharmaVax Ghana an einem förderlichen Ökosystem für die Herstellung von Arzneimitteln und Impfstoffen in Ghana arbeitet. Die Ziele von PharmaVax Ghana und des NVI sind perfekt aufeinander abgestimmt. Mit diesem Engagement ist die GIZ einer der wichtigsten Unterstützer unserer Arbeit.
Ihr Mandat läuft vier Jahre. Was hoffen Sie in dieser Zeit zu erreichen?
Ich arbeite auf vier Ergebnisse hin. Bis zum Ende meiner Amtszeit möchte ich die institutionellen Kapazitäten für die Impfstoffforschung und -entwicklung aufgebaut haben. Damit wird sichergestellt, dass wir im Falle eines Ausbruchs über das technische Know-how und die Ressourcen verfügen, um im Interesse des Landes zu handeln. Ich hoffe auch, dass es uns gelingt, geeignete Standards für eine gute Herstellungspraxis festzulegen. Zudem wünsche ich mir, dass bis dahin drei oder vier Impfstoffe auf den Markt gebracht werden. Schließlich hoffe ich auf ein aktiveres Vorgehen des NVI beim Aufbau von Kapazitäten und Fähigkeiten, insbesondere im Bereich der Bioproduktion. Wir sind sehr zuversichtlich, dass uns das gelingen wird: Wir werden von Präsident John Dramani Mahama und Gesundheitsminister Kwabena Mintah Akandoh unterstützt, pflegen die Partnerschaft mit unseren Kolleginnen und Kollegen in der EU und Deutschland und bemühen uns, eine breiter aufgestellte Koalition mit weiteren Partnern aufzubauen. Das ist gut für Ghana, für Afrika und darüber hinaus.