Gastbeitrag

Die Wirtschaft grün und blau färben

Ein Gastbeitrag von Gabriel Quijandría Acosta, Umweltminister von Peru.

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Gabriel Quijandría Acosta
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Privat

Zehn Monate nach dem Beginn der Covid-19-Pandemie wird klar, dass sie auf ein gestörtes Verhältnis zur Natur zurückgeht, das verschiedene Ausprägungen hat: Verlust und Zerstörung von Ökosystemen, Wildtierschmuggel, zunehmende Verbreitung invasiver Spezies, Raubbau und Umweltverschmutzung.

Warnungen davor fanden sich schon in diversen (wissenschaftlichen) Studien und Berichten. Etwa im „Globalen Gutachten zu Bio­diversität und Ökosystem-Dienstleistungen“, veröffentlicht im Mai 2019 von der Intergovernmental Science-Policy Platform on Bio­diversity and Ecosystem Services. Aus ihm geht klar hervor, dass der Artenschwund dramatische Ausmaße angenommen hat und dringend gestoppt werden muss. Und als wäre diese Einschätzung nicht schon schlimm genug, wurden die unheilvollen Entwicklungen zuletzt durch den „Living Planet Report 2020“ des WWF bestätigt, der noch einmal drastisch aufzeigt, dass die Menschheit mehr verbraucht, als der Planet Erde bereithält.

„Der spätere Nutzen ist die Mühe wert, denn unser Überleben als Spezies steht auf dem Spiel.“

Gerade wegen dieser unheilvollen Fakten muss der ungeheure finanzielle Aufwand, den viele Länder jetzt betreiben, um ihre Wirtschaft wieder hochzufahren, Arbeitsplätze zurückzugewinnen und das Wohlergehen ihrer Bürger*innen zu sichern, unbedingt dem Ansatz der ökologischen Nachhaltigkeit folgen. Schon weil noch größere Herausforderungen als diese Pandemie vor uns liegen, nämlich der Klimawandel, der den Einsatz all unserer Kräfte verlangt.

Die Idee, gerade dann Umweltaspekte zu berücksichtigen, wenn eine Volkswirtschaft wieder an Schwung gewinnt, ist nicht neu. Fundamentale Veränderungen wie die Nutzung erneuerbarer Energien, der Einsatz elektrischer Mobilität oder das Fördern entwaldungsfreier Landwirtschaft und Lieferketten sind bereits im Gange. Auch das Bemühen um einen kleineren ökologischen Fußabdruck beim Wasserverbrauch und CO2-Ausstoß ist ein großes Thema. Es investieren immer mehr Menschen in grüne Infrastruktur und Ansätze für eine Kreislaufwirtschaft finden zunehmend Anhänger. Das gilt sowohl für Industrienationen als auch für Schwellen- und Entwicklungsländer. Aber das alles muss noch schneller vorangetrieben werden und tiefer greifen.

Für einen grünen und auch blauen – oder maritimen – Aufschwung plädieren mittlerweile die unterschiedlichsten Institutionen, darunter die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Interamerikanische Entwicklungsbank und Greenpeace. Deren Analysen zeigen zum Beispiel, dass Investitionen in Naturschutz fünffachen Gewinn erbringen oder dass eine kohlenstofffreie Wirtschaft in Lateinamerika und der Karibik fünfzehn Millionen neue Arbeitsplätze schaffen könnte.

Solche Erkenntnisse liefern harte Beweise für das, was viele Menschen schon seit mindestens zwanzig Jahren intuitiv einfordern: das Wirtschaftssystem kühn umzubauen und zugleich die grundlegenden strukturellen Fragen von Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Nachhaltigkeit anzupacken.

Umweltaspekte in die Planung und Entscheidungsfindung aller privaten und öffentlichen Bereiche einzubeziehen, ist eine gigantische und äußerst komplexe Aufgabe. Deshalb sind dazu in jedem Land innovative Partnerschaften zwischen Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft nötig. Ebenso unerlässlich ist eine verstärkte internationale Zusammenarbeit, um diese Ziele besser umsetzen zu können, vor allem in den weniger entwickelten Ländern.

Eine echte wirtschaftliche Erholung darf – will sie ein solides Fundament für Wachstum und Wohlstand bilden –  nicht grau, sondern sie muss bunt sein. Sonst wird es keine Erholung geben. Der spätere Nutzen ist die Mühe wert, denn unser Überleben als Spezies steht auf dem Spiel.

aus akzente 3/2020