Interview: Diversity
„Die Vielfalt abbilden“
Ihr Unternehmen schreibt Diversity ganz groß. Warum ist das so?
Der Grund ist ganz einfach: Wir sind in 220 Ländern und Territorien tätig und damit eines der internationalsten Unternehmen überhaupt. Unsere rund 490.000 Mitarbeiter kommen aus allen Ländern, Kulturen und Religionen dieser Welt. Ihre verschiedenen Sichtweisen wollen und müssen wir ins Unternehmen einbringen. Dabei geht es uns vor allem um Wertschätzung und Motivation unserer Beschäftigten. Aber diese Vielfalt ist auch der Schlüssel für neue Märkte, denn sie spiegelt die Vielfalt unserer Kunden, Lieferanten und Investoren weltweit wider. Aus diesem Grund ist Diversity bei uns ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur.
Was bedeutet die Aussage, Diversity sei Teil der Unternehmenskultur, konkret?
Wir haben 2006 einen Verhaltenskodex entwickelt, in dem wir ausdrücklich Wert auf ein respektvolles und wertschätzendes Arbeitsumfeld legen. Aber das ist nicht alles. Diversity gilt bei uns auch als Managementaufgabe und steht im „Pflichtenheft“ der Führungskräfte. Sie sorgen dafür, dass in den Teams Vielfalt herrscht und zum Erfolg führt.
Anteil der Menschen mit Behinderungen bei knapp 9 Prozent
Wie divers ist Ihr Unternehmen genau?
Etwa 60 Prozent unserer Mitarbeiter sind außerhalb Deutschlands tätig mit einer bunten Vielfalt an Nationalitäten, davon wiederum ein gutes Drittel außerhalb Europas. Aber auch unsere rund 200.000 hierzulande Angestellten setzen sich aus 160 verschiedenen Nationalitäten zusammen. Unser Frauenanteil ist mit etwa 36 Prozent der weltweiten Belegschaft ebenfalls beachtlich. Im mittleren und oberen Management beträgt ihr Anteil fast zwanzig Prozent. Und der Anteil der Menschen mit Behinderungen liegt in Deutschland mit knapp neun Prozent etwa doppelt so hoch wie der bundesdeutsche Durchschnitt der privaten Wirtschaft und deutlich über der gesetzlichen Quote.
Wann und wie haben Sie festgestellt, dass Diversity für das Unternehmen wichtig ist?
Das Thema ist nicht neu für uns. Wir beschäftigen uns seit den 90er Jahren damit, damals ging es eher um Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen und für Menschen mit Behinderungen. Dann haben wir das Thema weiter geöffnet. Denn unser Unternehmen, eine ehemalige Behörde, ist seit der Privatisierung in den 90er Jahren durch Zukäufe und Fusionen immer internationaler geworden und hat seine Geschäftstätigkeit in die ganze Welt expandiert. Etwa zwei Drittel des Umsatzes erzielen wir außerhalb Deutschlands; das war vor 15 Jahren noch anders. Parallel zu diesem fundamentalen Wandel ist auch das Thema Diversity immer wichtiger für uns geworden. Wir sind ein „People Business“ in einer Dienstleistungsbranche, haben mit Kunden aus verschiedenen Bereichen, Kulturen und mit unterschiedlicher Herkunft zu tun. Diese Vielfalt wollen wir mit unserer Belegschaft abbilden, um unsere Kunden bestmöglich abzuholen.
"Diversity-Trainings" und "Diversity Week"
Nicht alle Länder haben dieselben Vorstellungen zum Beispiel von Frauenrechten oder Rechten Homosexueller. Wie gehen Sie damit um?
Von unseren Standards im Unternehmen selbst, niedergelegt im schon erwähnten Verhaltenskodex, rücken wir nicht ab. Aber es braucht natürlich eine gewisse Sensibilität gegenüber dem kulturellen Umfeld oder den gesetzlichen Gegebenheiten in einzelnen Ländern. In Bezug auf Diversity Management bedeutet das, dass in den Regionen und Ländern unterschiedliche Handlungsschwerpunkte gesetzt werden. Entsprechend unterschiedlich haben wir auch unsere „Diversity-Trainings“ ausgestaltet. Mit der jährlichen „Diversity Week“ greifen wir das Thema global auf.
Wo in Ihrem Unternehmen gibt es in Sachen Vielfalt noch Nachholbedarf?
Unser Ziel ist eine nachhaltige Personalarbeit, um Vielfalt für den Unternehmenserfolg zu sichern. So wie sich unsere Umwelt, Märkte und Demografien entwickeln, wird sich auch Diversity Management immer weiterentwickeln. Denn für uns steht außer Zweifel, dass Vielfalt einen Einfluss auf Servicequalität, Engagement und Motivation hat – und damit ein echter Wettbewerbsvorteil ist.
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