Bioanbau in Indien
Die neuen Bauern von Bangalore
In der sandgelben Hofeinfahrt stapeln sich Kisten mit Gemüse, Salat und Obst. Es ist ein sonniger Wintertag, grüne Felder und Palmen zeichnen sich vor dem zartblauen Himmel ab. Helfer packen die Waren in einen kleinen Lastwagen, der sie später ins 40 Kilometer entfernte Bangalore bringen wird. Die Männer tragen Lungis, Wickelröcke, wie sie im warmen Süden Indiens üblich sind.
Stolz zeigt N. R. Shetty, der vom Nachbarhof zu Besuch ist, auf Bananen, Paprika, Tomaten und Blumenkohl. „Alles organisch“, schwärmt Shetty, der wie viele Inder seine Vornamen abkürzt. Mit leuchtenden Augen erzählt er von Kuhurin, Regenwürmern und den Vorzügen des Neembaums. Früher war er Ingenieur bei der staatlichen Telefongesellschaft. Heute ist der 71-Jährige Präsident der bäuerlichen Genossenschaft „Sahaja Samrudha“ („Reiche Natur“), die seit zehn Jahren für eine umweltfreundliche Landwirtschaft kämpft.
Expertise zu Anbau und Vermarktung von Biowaren
Shetty betreibt einen kleinen Musterbauernhof, wo Bauern natürlichen Anbau lernen können. Inzwischen haben 600 bis 1.000 Farmer rund um Bangalore auf biologischen Anbau umgestellt. Unterstützt werden sie dabei von Deutschland. Neben der indischen Entwicklungsbank NABARD vergibt auch die KfW Entwicklungsbank Übergangskredite, die GIZ berät im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Kreditnehmer. Darüber hinaus unterstützt die GIZ Bauernkooperativen mit Expertise zum Anbau und zur Vermarktung von Biowaren.
Nicht nur in Europa, auch in Indien wächst der Biomarkt. Noch macht das Geschäft mit der chemiefreien Ware in Indien zwar weniger als ein Prozent aus. Doch immer mehr, vor allem wohlhabendere Inder verlangen nach Biokost. „Wir können gerade zehn Prozent der Nachfrage stillen“, sagt Shetty. Er ist Überzeugungstäter. „Ich bin Bauernsohn. Der Anbau war organisch in meiner Kindheit“, erzählt er. „Die Nahrung, die wir heute essen, ist nicht gesund.“ Der Kunstdünger mache außerdem die Böden kaputt – die Bauern bräuchten immer mehr Dünger und Wasser.
Viele glauben, es geht nicht ohne Pestizide
Der schädliche Einfluss von Chemikalien auf Umwelt und Gesundheit ist ein Hauptargument gegen ihren Einsatz. Ein weiteres sind mangelhafte Pestizid-Gesetze und unsachgemäßer Gebrauch. Im Sommer 2013 starben im Bundesstaat Bihar 23 Kinder nach einem Schulessen, weil das Kochöl in einem alten Pestizid-Behälter gelagert worden war. Doch Indien glaubt, ohne Pestizide könne es seine 1,2 Milliarden Einwohner nicht satt bekommen. Die Hälfte der Kinder bis fünf Jahre gilt als mangelernährt, Hunderte sterben jeden Tag an Hunger und seinen Folgen. Pestizide seien sicher, wenn sie richtig angewendet würden, meinen die Verantwortlichen in New Delhi.
Biobauern wie Ramaiah HG zeigen, dass es auch ohne Pestizide geht. Mehr noch: dass es ohne sie sogar besser gehen kann. Wie viele Südinder hat der 60-Jährige keinen Familiennamen, wie man sie im Westen kennt. H steht für sein Dorf Halehalli im Süden Bangalores, G für den Namen seines Vaters Gundappa.
Seit 30 Jahren lebt er von der Landwirtschaft, die Hälfte seiner Ackerfläche hat er inzwischen auf organischen Anbau umgestellt und pflanzt nun Bohnen, Blumenkohl, Kartoffeln und Tomaten nach Biostandard an. Statt Kunstdünger verwendet er Kompost aus Kuhdung, in dem sich Regenwürmer schlängeln. Die Pestizide ersetzt er durch eine Mischung aus Kuhurin, Neemblättern und anderen natürlichen Stoffen.
Vielfalt statt Monokulturen
Das helfe genauso gut, sagt er. Und besser noch: Er brauche nur noch die Hälfte an Wasser, das in Indien immer knapper wird. Er produziere eine größere Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten statt Monokulturen. Auch bei den Kühen sei er von den „Turbo“- zu traditionellen Rassen zurückgekehrt, die viel besser an das Klima angepasst sind.
Ramaiah HG ist zufrieden. Früher habe er für Dünger, Pestizide und Saatgut pro Saison 30.000 Rupien zahlen müssen. Heute komme er mit 15.000 Rupien aus. Die Erntemenge sei gleich geblieben, aber für die Bioware erhalte er 30 Prozent mehr Geld. Unterm Strich verdiene er rund 60 Prozent mehr mit dem Bioanbau, rechnet er vor. Er hat ein Handy, einen Kühlschrank, einen Fernseher – und vor einem Jahr ein neues, hübsches Haus gebaut. „Ich bin glücklich mit meinem Leben“, sagt er. Und ist kein Einzelfall: Ähnliche Geschichten erzählen auch andere Biobauern aus der Region um Bangalore.
Kleinkredite helfen Bauern in der Übergangsphase
Dennoch scheuen sich noch viele Farmer, auf Bio umzusteigen. Ein Grund dafür ist die schwierige Phase der Umstellung: Die an Dünger gewöhnten Böden brauchen mehrere Jahre, um sich zu erholen, und in dieser Zeit haben die Bauern Einbußen. „In der Übergangszeit von drei bis vier Jahren sind die Erträge geringer“, sagt Hansjörg Neun, Experte bei der GIZ in New Delhi. Die KfW Entwicklungsbank hilft den Bauern deshalb mit Kleinkrediten über die Runden.
Nicht nur rund um Bangalore im Bundesstaat Karnataka, sondern auch andernorts denken Indiens Bauern um und wenden sich natürlichen Anbaumethoden zu. Der kleine Bundesstaat Sikkim ist besonders ambitioniert: Bis 2015 will er komplett auf Biolandwirtschaft umstellen.
> Ansprechpartner: GIZ Indien giz-indien@giz.de
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KNOW-HOW FÜR LANDWIRTE
Projekt: Nachhaltiges Management natürlicher Ressourcen
Land: Indien
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Partner: National Bank for Agriculture and Rural Development, Indien
Laufzeit: 2007 bis 2015