Interview
„Die Folgen der Corona-Pandemie abfedern“
Deutschland hat am 1. Juli die EU-Präsidentschaft übernommen. Eigentlich standen bei der Entwicklungspolitik Afrika, Nachhaltigkeit und Digitalisierung auf dem Programm. Wird die Corona-Pandemie nun alles überlagern?
Corona wird sicher eine große Rolle spielen, die Pandemie ist ja noch lange nicht vorüber. Aber die anderen Themen bleiben auf der Agenda: Digitalisierung, Klimawandel und nachhaltige Arbeitsplätze. Afrika wird nach bisherigen Vorhersagen wirtschaftlich besonders hart von den Folgen der Corona-Krise getroffen. Das gilt es abzufedern. Nachhaltigkeit bleibt aktuell; der Klimawandel verschwindet nicht. Und die Digitalisierung ist mit COVID-19 sogar noch wichtiger geworden. Das spüren wir alle bei unserer Arbeit. Die Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft waren schon vorher groß und sind es jetzt erst recht.
Ist der „Green Deal“, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden soll, nur nach innen gerichtet oder beeinflusst diese große Nachhaltigkeits-Agenda der Kommission auch die internationale Zusammenarbeit?
Nein, der Green Deal soll auch über die EU hinauswirken. In direkter Form beim Außenhandel der EU und indirekt über die Entwicklungszusammenarbeit. In Afrika etwa geht es künftig ganz stark darum, einen grünen, digitalen Aufschwung zu bewirken und den Einsatz von erneuerbaren Energien, deren Potenzial in Afrika besonders hoch ist, deutlich zu steigern und zu beschleunigen. Das entspricht auch der strategischen Ausrichtung der GIZ.
Im Herbst soll es eine neue EU-Afrika-Strategie geben. Warum?
Die alte war aus dem Jahr 2007 und nicht mehr zeitgemäß. Außerdem spürt die EU die Konkurrenz zu anderen Akteuren, hält es deshalb für notwendig, sich strategisch neu aufzustellen und Afrika attraktive, partnerschaftliche Angebote zu machen, die für beide Seiten von dauerhaftem Nutzen sind. Da geht es dann, wie eben schon angesprochen, um den digitalen und grünen Aufschwung des Kontinents. Nach den Worten von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen möchte die EU ihre Partnerschaft mit Afrika auf eine neue geo-strategische Ebene heben.
Nachhaltigkeit und Digitalisierung – enthält die Strategie weitere Schwerpunkte?
Sicherheit spielt eine wichtige Rolle. Ohne Sicherheit keine Entwicklung, auf diese einfache Formel kann man es bringen. Deshalb möchte die EU ihre Unterstützung für Friedensbemühungen verstärken und legt dabei großen Wert auf gute Regierungsführung, Demokratie und Menschenrechte. Zudem möchte die EU Fluchtursachen bekämpfen helfen sowie Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in Afrika fördern. Dort entsteht ab Anfang kommenden Jahres die größte Freihandelszone der Welt, die ganz neue wirtschaftliche Perspektiven, übrigens auch für europäische Unternehmen, eröffnet. Diesen Prozess begleitet die EU genauso wie die Bundesregierung sehr intensiv.
Stichwort Bundesregierung. Wie passt das alles zur deutschen Afrikapolitik?
Das passt gut zur Ausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik, denn auch die Bundesregierung hat Afrika zu einem ihrer wichtigsten Partner erklärt und im Marschallplan mit Afrika und mit dem „Compact for Africa“ ähnliche Schwerpunkte gelegt.
Internationale Zusammenarbeit braucht finanzielle Mittel. Im Moment finden die Verhandlungen zum sogenannten „Mehrjährigen Finanzrahmen“, MFR, statt. Besteht angesichts der Corona-Krise die Gefahr, dass es zu Kürzungen kommen könnte?
Die Verhandlungen laufen derzeit und sind – wie jedes Mal – sehr kompliziert, vor allem weil der „Wiederaufbaufonds“ zur Abmilderung der Corona-Pandemie parallel und als Bestandteil des künftigen MFR verhandelt wird. Ich glaube allerdings nicht, dass am Ende weniger Ressourcen für die internationale Zusammenarbeit bereitstehen. Meine Wahrnehmung ist, sowohl im Rat, in der Kommission als auch im Parlament herrscht die Überzeugung vor, dass die EU für eine rechte-basierte internationale Ordnung steht und Verantwortung in der Welt übernehmen will, um diese Ordnung zu erhalten bzw. zu schaffen. Trotzdem lässt sich nicht vorhersagen, was die Budget-Verhandlungen letztlich als Ergebnis hervorbringen.
Was hat die GIZ für eine Rolle in Brüssel?
Wir sind eine Durchführungsorganisation des größten europäischen Mitgliedstaates. Dadurch haben wir von Natur aus ein gewisses Gewicht. Inhaltlich besteht unser Anspruch darin, das deutsche Interesse mit dem europäischen gut zusammenzubringen und durch gemeinsame Maßnahmen stärkere Wirkungen für unsere Partner und Zielgruppen zu erreichen. Wir machen das, indem wir einerseits deutsche Positionen zu Entwicklungspolitik einbringen und Synergien mit der EU Entwicklungspolitik herstellen. Andererseits bieten wir unsere Fach-Expertise an, die sich auf eine jahrzehntelange praktische Erfahrung mit Projekten und Programmen in aller Welt stützt. Etwa zu Fragen, wie man in fragilen Staaten arbeitet, wie man den Privatsektor einbindet und wie Entwicklungszusammenarbeit effektiver dazu beiträgt, Gesellschaften und Staaten stabiler zu machen.
Wie würden Sie die Zusammenarbeit zwischen GIZ und EU beschreiben?
Das Geschäftsvolumen der GIZ mit der EU hat in den letzten Jahren stetig zugenommen und sich seit 2015 auf 375 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Das betrachten wir als Vertrauen der EU in die Wirksamkeit und Qualität unserer Arbeit.
Wie steht die GIZ im Vergleich zu anderen Entwicklungsakteuren bei der EU da?
Wir sind einer der größten in puncto Umsatz, aber wir suchen auch den fachlichen Austausch mit der Kommission sowie mit anderen europäischen Umsetzungsakteuren und gestalten auf diese Weise die europäische Entwicklungspolitik mit. Die Zusammenarbeit dürfte in den nächsten Jahren eher noch intensiver werden, denn die weltweiten Herausforderungen werden nicht kleiner. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, bei der wir die Bundesregierung unterstützen, ihre Agenda zu bearbeiten und ihre Ziele zu erreichen, gibt uns eine gute Gelegenheit dazu, Kontakte zu intensivieren und uns als kompetente Berater*innen zu positionieren.
Juli 2020