Interview

„Unser Ziel ist es, die Balance des Ökosystems wiederherzustellen.“

Progress Kashandula, Geschäftsführer des „De-bushing Advisory Service“ (DAS) in Namibia.

Text
Leonie March
Fotos
Tim Brunauer

Progress Kashandula, der Geschäftsführer des „De-bushing Advisory Service“ in Namibia, blickt ernst in die Kamera. Er trägt ein hellblaues Hemd und einen dunklen Anzug./Ein schwarzer Mann mit kurzem Haar trägt ein hellblaues Hemd und einen dunkelblauen Anzug. Er schaut direkt in die Kamera und hat einen seriösen Gesichtsausdruck.
Progress Kashandula

Herr Kashandula, Sie sprechen mittlerweile nicht mehr von Entbuschung, sondern von einer Ausdünnung des Busches. Warum?
Zwar hat dieser Busch, der unser Land zuwuchert, negative Folgen für die Landwirtschaft, insbesondere für die Nutztierhaltung. Aber das bedeutet nicht, dass wir alles entfernen sollten. Es wird stets darauf geachtet, dass nicht der gesamte Buschbestand entfernt wird, sondern nur ein zuvor festgelegter Anteil. Unser Ziel ist es, die Balance des Ökosystems wiederherzustellen. Geschützte Pflanzen oder solche, die eine wichtige Bedeutung haben, etwa weil sie Erosion an Flussläufen verhindern oder zur Bodengesundheit beitragen, werden nicht geerntet. Jeder Landbesitzer bekommt von uns konkrete Hinweise für seine spezielle Situation.

Wird der Buschbestand einmal reduziert, ist damit das Problem nicht gelöst, denn die Pflanzen wachsen nach. Was können Landbesitzer tun, um das zu verhindern?
Wir bringen ihnen bei unseren Trainings Techniken bei, mit denen der Nachwuchs begrenzt oder ganz verhindert wird. Man kann beispielsweise den Baumstumpf tief einschneiden oder auch Ziegen in diese Gebiete schicken, damit sie den Neubewuchs fressen. Es gibt also unterschiedliche Methoden und es ist wichtig, wenigstens eine davon zu nutzen. Ansonsten ist das Ganze nicht nachhaltig: Ohne diese Nachsorge wachsen die Büsche noch stärker als zuvor und damit spitzt sich das Problem weiter zu.

In Namibia gibt es auf der einen Seite kommerzielle Großfarmer, auf der anderen viele Kleinbäuerinnen und -bauern, die kommunales Land bewirtschaften. Inwiefern unterscheiden sich Ihre Trainingsprogramme?
Generell ist unsere Botschaft immer gleich, wir betonen die Vorteile der nachhaltigen Buschkontrolle und -nutzung, aber die Modelle, die wir anwenden unterscheiden sich. Kommerzielle Farmer verfügen meist über Maschinen, die auch zur Herstellung von Buschprodukten wie Futter genutzt werden können, sie haben meist mehr finanziellen Spielraum und sie investieren in ihren Privatbesitz. Kleinbauern dagegen bewirtschaften Land, das dem Staat beziehungsweise der Gemeinschaft gehört und von hunderten Menschen geteilt wird. Hier braucht es Strukturen für die gemeinsame Anschaffung und Nutzung von Geräten, sowie zum Teilen möglicher Profite. Daran hapert es häufig. Gleichzeitig müssen Ernte und Produktion so vereinfacht werden, dass möglichst viele auf dem Land befindliche Ressourcen genutzt werden können. Deshalb fahren unsere Experten auch raus und suchen direkt vor Ort nach individuellen Lösungen.  

Viele Bäuerinnen und Bauern haben ihre Bemühungen zur Ausdünnung des Busches und der Futter-Produktion 2020, nach Ende der jüngsten Dürre eingestellt, weil ihre Tiere wieder genug Gras finden. Ist das sinnvoll?
Nein, das ist es nicht. Deshalb ermuntern wir sie auch, weiterzumachen. Zum einen, damit die Wiederherstellung des Weidelandes durch die regelmäßige Ausdünnung des Busches nicht ins Stocken gerät, zum anderen zum Wohl ihrer Tiere. Wir raten dazu, wenigstens etwas Buschfutter zuzufüttern. Denn die nächste Dürre ist nur eine Frage der Zeit und die Tiere reagieren sensibel auf Änderungen ihrer Ernährung. Bei einer zu schnellen Futterumstellung können sie gesundheitliche Probleme bekommen.

Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie bei der Möglichkeit, Buschfutter im großen Stil herzustellen und Nachbarländer zu beliefern?
Die Chancen sind enorm: Denn noch importiert Namibia in Dürrezeiten enorme Mengen Tierfutter. Diese Kosten könnten wir minimieren und gleichzeitig einen neuen Wirtschaftszweig begründen. Vielleicht nicht sofort für den Export, sondern erstmal für den lokalen Markt. Die größte Herausforderung dabei ist die gesetzlich vorgeschriebene Registrierung des Buschfutters. Wir haben es hier mit einem für Namibia neuartigen Produkt zu tun und viele Bauern beklagen, dass es noch zu viele bürokratische Hürden bei der Registrierung gibt. Wir arbeiten daran, auch das zu vereinfachen. Denn das Potenzial ist zweifellos da und es wäre ein Verlust, es nicht auszuschöpfen.

April 2021