Interview
„Mobilität neu denken – und so das Pariser Klimaziel erreichen“
Herr Moser, was war der Anstoß für TUMI?
Weltweit wachsen die Städte. Ob das nachhaltig geschieht, hängt wesentlich von der Mobilität in diesen Ballungszentren ab. Deshalb wollte das BMZ anlässlich der UN-Konferenz Habitat III in Quito 2016 ein starkes Signal zur Stadtentwicklung setzen und Mobilität neu denken. Sie ist ein strategisches Mittel, um nachhaltiges Städtewachstum zu steuern und so zum Erreichen des Pariser Klimaziels beizutragen. TUMI unterstützt Verkehrsprojekte auf der ganzen Welt und ermöglicht Entscheidungsträgern, die urbane Mobilität zu verändern. So können Städte weiter Motoren des Wachstums sein: klimafreundlich und wirtschaftlich.
Die TUMI-Partner
Asiatische Entwicklungsbank, Asian Development Bank (ADB); Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ); Städtenetzwerk „C40 Cities“; Lateinamerikanische Entwicklungsbank CAF; Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH; Netzwerk ICLEI - Local Governments for Sustainability; Institut für Verkehrs- und Entwicklungspolitik, Institute for Transportation and Development Policy (ITDP); Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW); Die Slocat-Partnerschaft (Partnership on Sustainable, Low Carbon Transport); Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen – UN-Habitat; World Resources Institute (WRI) Ross Center.
Was macht TUMI für Sie so besonders?
Durch den Zusammenschluss von elf renommierten Partnern ist die weltweit führende Umsetzungsinitiative für nachhaltige Mobilität – kurz TUMI – entstanden. Dieses „Ökosystem“ an Partnern hebelt das deutsche Engagement. Wenn beispielsweise die Kreditanstalt für Wiederaufbau den Aufbau eines U-Bahnsystems unterstützt, dann wird das auch mit Geld von Partnern vom Finanzmarkt ergänzt und so noch wirksamer.
Was sind die Schwerpunkte?
Innovation, Wissen, Investition. Wir unterstützen Pilotprojekte auf der ganzen Welt, wie in der Ukraine oder in Bangladesch. Wir teilen Wissen mit Planern über moderne Mobilitätskonzepte, in Workshops und Konferenzen. Und wir investieren in den Bau und die Modernisierung von nachhaltiger städtischer Infrastruktur. Über zwei Milliarden Euro sind hier schon geflossen.
Welche Rolle spielen die Pilotprojekte?
Sie sind Katalysatoren für die Mobilität der Zukunft. Und die brauchen wir wirklich, denn die Geschwindigkeit, mit der sich Mobilität verändert, ist immens hoch. Deshalb haben wir internationale Städtewettbewerbe auf den Weg gebracht und nach guten Ideen gesucht. Die innovativsten Projekte wurden umgesetzt, und viele haben Kreise gezogen. Etwa in Äthiopien. Dort hat die Verkehrsministerin neue Radwege in Addis Abeba selbst ausprobiert und war so beeindruckt von einer Fahrradinitiative, dass sie in weiteren Städten des Landes ein Radwegenetz aufbauen will. Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie wir Impulse geben können, die zu etwas Größerem führen und eine Eigendynamik entwickeln.
Was braucht es noch für die Mobilitätswende?
Mehr Fachleute für nachhaltige Verkehrsplanung. Angesichts des ungebremsten Wachstums gerade der Städte im globalen Süden brauchen Kommunen dort Expertinnen und Experten. Ich will es mit einem Vergleich zum Gesundheitssystem verdeutlichen. Dort ist es klar, dass eine bestimmte Anzahl von medizinischem Personal pro 100.000 Einwohner*innen nötig ist, damit ein Gesundheitssystem gut funktioniert. Für das Verkehrssystem gilt genau das Gleiche: man braucht eine bestimmte Zahl an Fachleuten, die in der Lage sind, so zu planen, dass Mobilität gut funktioniert und nachhaltig aufgebaut ist. Deshalb haben wir von der GIZ mit unseren Partnern ein ambitioniertes Fortbildungs- und Ausbildungsprogramm auf die Beine gestellt. Wir haben bereits mit rund 3.000 Frauen und Männern zusammengearbeitet, um sie fit für die Stadtplanung der Zukunft zu machen.
Und wie funktioniert das Training in Zeiten der Pandemie?
Wir haben schon vor Corona damit begonnen, Online-Formate zu erarbeiten. Mit dem University College of London haben wir fast zwei Jahre lang einen Online-Kurs über nachhaltige urbane Mobilität entwickelt und sind damit im Herbst 2020 an den Start gegangen. Das war genau der richtige Zeitpunkt, denn durch die Pandemie konnten keine Trainings vor Ort veranstaltet werden. Die Resonanz war überwältigend! Zum ersten Kurs haben sich 2.500 Menschen aus der ganzen Welt angemeldet und beim zweiten noch einmal 1.500. Der Vorteil von diesen digitalen Lernformaten ist, dass wir sehr viel mehr Leute einbinden können und das Wissen leichter zugänglich ist.
Eine der Initiativen, die TUMI gestartet hat, ist das internationale Netzwerk WomenMobilizeWomen (WMW). Weshalb ist es wichtig, Frauen besonders in den Blick zu nehmen?
Wenn man genau hinschaut, wer Mobilität plant und für wen, dann wird klar: Es ist ein unfassbar männlich dominiertes Berufsfeld. Es werden vor allem die Mobilitätsbedürfnisse von Männern beachtet. Bedürfnisse von Frauen werden oft nicht betrachtet. Klar, Kinderbetreuung und Einkaufen sollten natürlich beide Geschlechter übernehmen, aber die Realität ist eben noch anders. Frauen haben ein viel komplexeres und umfassenderes Mobilitätbedürfnis als Männer, wir sprechen von der sogenannten Mobility of Care – Mobilität, die mit der Sorge für die Familie zusammenhängt. Auch das Thema sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum wird bei der Stadtplanung noch zu wenig beachtet. Wir haben eine Konferenz veranstaltet – mit ausschließlich Frauen als Speakerinnen und in den Panels, damit das Thema aus einer anderen Perspektive betrachtet wird. Das war ein großer Erfolg. Daraus hat sich beispielsweise ein Netzwerk von Frauen aus Lateinamerika entwickelt, die teils sehr hochrangig in der Politik aktiv sind. Sie haben weiter zu diesem Thema gearbeitet. Und wir haben es auch konkret bei den Pilotprojekten aufgegriffen. Etwa in Bogotá – wo an verschiedenen Stellen der öffentliche Raum für Frauen und Kinder sicherer gemacht wurde.
Kontakt: Daniel Ernesto Moser, daniel.moser@giz.de