Reportage
„Ich sehe Hoffnung und Leben in meiner Hand“
„Wir hatten nur eine Mahlzeit am Tag – mehr konnten wir uns nicht leisten“, sagt Malkamu Gabisa. „Jetzt hat sich vieles verändert.“ Der 43-Jährige lebt in der Nähe von Bako in der Region Oromia, etwa fünf Autostunden westlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. In den letzten Monaten des Jahres ist Erntezeit. Seit er mit anderen Kleinbäuerinnen und -bauern aus seiner Kooperative verschiedene Trainings besucht hat, fallen die Erträge üppiger aus. Das neue Wissen über Saatgut, moderne Anbautechniken und die Vorgehensweise bei der Ernte hat das Leben auf dem Land verbessert.
Das zeigt sich im Alltag ganz konkret: „Wir haben jetzt ein höheres Einkommen und wohnen nicht mehr in Lehmhäusern, sondern haben Dächer aus Wellblech und einen Fußboden aus Beton“, erzählt Malkamu Gabisa. Barfuß auf den Weizenfeldern zu arbeiten – auch das gehört der Vergangenheit an. Lange konnte der Bauer sich keine festen Schuhe leisten. Heute zeigt er auf seine dunklen Ledersandalen, bevor er mit der Handsichel die nächsten Weizenbüschel mäht und sie auf dem Feld anhäuft.
Ortswechsel: Das Dorf Degolima liegt bei Debre Markos in der Region Amhara. Sie gehört zu Äthiopiens Hauptanbaugebieten von Weizen und Teff, einer Hirseart. Ein paar prall gefüllte Säcke mit Weizen stapeln sich in der Lagerhalle in Degolima. Während die Temperaturen draußen auf mehr als 30 Grad Celsius steigen, ist es in der fast fensterlosen Halle mit Wänden aus Lehm angenehm kühl. Für Kess Bewuket, den Vorsitzenden einer kleinbäuerlichen Kooperative, ist Saatgut mehr als ein Haufen loser Körner. Er lässt eine Handvoll Weizen durch seine Finger rinnen. „Das Saatgut ist wie mein Kind. Es erhält Generationen und bedeutet Ressourcen, die unsere Zukunft verändern. Ich sehe hier Hoffnung und Leben in meiner Hand“, sagt der Bauer, bevor er die Körner in den Sack zurückfallen lässt und diesen verknotet.
Doch Saatgut ist nicht gleich Saatgut: Hochwertige, zertifizierte Sorten stehen in Äthiopien nicht ausreichend zur Verfügung. Hier setzt das Projekt „Beitrag zur Förderung der nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktivität in Äthiopien“ an. Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) neun Kooperativen in verschiedenen Regionen Äthiopiens dabei, die Bedingungen des Anbaus zu verbessern und ihre Erträge zu steigern.
Zahlreiche Partner in Deutschland und Äthiopien
Neben den Trainings für Genossenschaften sowie im Agricultural Training Centre (ATC) in Kulumsa ist die Genetik des Saatguts dabei ein wichtiger Schlüssel. Lokale Sorten werden so gezüchtet, dass sie bessere Eigenschaften haben. Sie sind widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen und klimatischen Einflüssen. Zudem reifen sie schneller, so dass die Bäuerinnen und Bauern häufiger ernten können. Dafür arbeitet die GIZ im Auftrag des BMEL mit verschiedenen Partnern aus Äthiopien und Deutschland zusammen, darunter das Ethiopian Biodiversity Institute (EBI), das Ethiopian Institute of Agricultural Research (EIAR), die deutsche Genbank, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter und das Biotechnologie-Unternehmen KWS Saat SE. Der Ansatz zeigt Wirkung: Rund 1.300 Landwirtinnen und Landwirte konnten ihre jährliche Produktion von Gersten- und Weizensaatgut von insgesamt 600 Tonnen im Jahr 2016 auf nun 1.200 Tonnen pro Jahr steigern.
Für Malkamu Gabisa und die anderen Bäuerinnen und Bauern aus seiner Kooperative haben sich die Lebensumstände nicht nur mit Blick auf Ernährung und Unterkunft verbessert. Viele von ihnen können nun sogar etwas Geld zur Seite legen, haben erstmals ein eigenes Bankkonto. Zudem können die Familien es sich nun leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Auch die Kinder von Malkamu Gabisa besuchen den Unterricht. „Ich kann ihnen die Möglichkeiten geben, die ich nie hatte.“
März 2021