Hintergrund

Gleichberechtigte Partner

Die EU möchte ihre Beziehung zu Afrika intensiveren: Geber und Empfänger, Wissende und Lernende –  das war gestern. Heute geht es um gemeinsame Visionen und neue Rollen.

Text
Friederike Bauer

Afrika und Europa sind Nachbarn, die viel gemeinsam haben und von einer tieferen Zusammenarbeit beide profitieren können. Deshalb möchten sie ihre Beziehung neu austarieren, zu gleichberechtigten Partnern werden und diese Absicht durch eine neue EU-Afrika-Strategie auch offiziell untermauern.

Eigentlich sollte ein Gipfel der Staats- und Regierungschefs beider Kontinente Ende Oktober den Rahmen dafür bilden. So hatte es die Bundesregierung für die Zeit ihrer EU-Ratspräsidentschaft beabsichtigt. Die Corona-Pandemie machte diesen Plan jedoch zunichte. Der Gipfel – und damit auch die Übereinkunft – wurden auf ein noch unbestimmtes Datum verschoben. Aber die Sache sei nicht aufgehoben, versicherte die zuständige EU-Kommissarin Jutta Urpilainen kürzlich in einem Interview mit akzente. „Wir wollen das Momentum erhalten.“

Ähnliche Weltsicht

Wie diese neue Partnerschaft aussehen müsste, was sie kennzeichnet und welche Vorteile sich für beide Seiten ergeben, darum drehte sich unlängst eine virtuelle Podiumsdiskussion der GIZ. Sie trug den Titel „Die Neugestaltung der Afrikanisch-Europäischen Beziehungen in schwierigen Zeiten“. Es diskutierten die Vorstandssprecherin der GIZ, Tanja Gönner, der Chef der afrikanischen Entwicklungsagentur AUDA-NEPAD Dr. Ibrahim Mayaki sowie der Generaldirektor für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung bei der Europäischen Kommission, Koen Doens. Eine ergänzende und kritische Sicht der Wissenschaft lieferte Dr. Melanie Müller von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Bei der Diskussion zeigte sich, dass Afrika und Europa nicht nur geographisch nah beieinander liegen, sondern auch mit vielen ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben: Vom Klimawandel, über die Digitalisierung, Migrationsfragen bis hin zur Corona-Pandemie. Und diese Herausforderungen versuchen beide mit Integration und engerer länderübergreifender Zusammenarbeit zu lösen. Europa über die EU und einen gemeinsamen Markt, Afrika über eine Afrikanische Union, die im Begriff ist, dort die größte Freihandelszone der Welt zu errichten. „Wir verfolgen beide einen multilateralen Ansatz“, sagte Koen Doens.

Geteiltes Schicksal

Während andere Länder und Weltgegenden sich wieder mehr aufs Nationale konzentrieren, gehen EU und AU den umgekehrten Weg. „Das stärkt und verbindet uns“, meinte auch Mayaki und ging sogar noch ein Schritt weiter, als er sagte: „Unser beider Schicksale sind verknüpft.“ Tanja Gönner sah ebenfalls viele Übereinstimmungen zwischen Afrika und Europa. Und das sei auch wichtig, damit man die anspruchsvolle Agenda von Nachhaltigkeit bis Governance gemeinsam bearbeiten und bewältigen könnte. Allerdings sah Gönner hier und da auch unterschiedliche Interessen, die es, das gehöre ebenfalls zu einer gleichberechtigten Partnerschaft, im offenen und transparenten Austausch zu thematisieren gelte.

Entsprechend geht es jetzt darum, diese besondere Verbindung durch eine neue Art der Partnerschaft zu festigen und das Multilaterale über den eigenen Kontinent hinauszutragen: „Ko-Kreieren“, „Ko-Produzieren“ und „Mischen“ lauteten die Stichworte dazu, die immer wieder fielen. Das bedeutet: Gemeinsam an Lösungen arbeiten und zusammen zukunftsfähige Konzepte entwickeln, von denen beide profitieren, so der Anspruch – nicht einer dem anderen etwas überstülpen und nicht einer auf Antworten des anderen warten: Kooperativ und in gegenseitigem Respekt. 

Unsicherheitsfaktor Corona

Wie zum Beispiel beim Thema erneuerbare Energien, bei denen Afrika ein besonders hohes Potenzial aufweist. Dass es diese Quellen erschließt und seine Produktion rasch ausweitet, daran hat auch Europa großes Interesse, weil mehr saubere Energie Entwicklung antreibt und Menschen in Afrika Zukunftsperspektiven eröffnet. Und weil Afrika eines Tages vielleicht auch Strom in das sonnen- und windärmere Europa exportieren kann. Ähnliches gilt für das Thema Migration, bei dem beide Seiten Regeln und Lösungen brauchen. Oder für die internationale Weltordnung, in die sich beide zusammen als Verfechter eines starken Multilateralismus einbringen können.

Einen Unsicherheitsfaktor gibt es allerdings: die Pandemie, und das nicht nur in Bezug auf einen verschobenen Gipfel. Wie sich diese einschneidende Krise auf das afrikanisch-europäische Verhältnis auswirkt, lässt sich noch nicht abschätzen. Hier sah die Wissenschaftlerin Melanie Müller die größte Unbekannte und zwei mögliche Szenarien: soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten, bedingt durch Covid-19, schaffen eine sich weitende Kluft zwischen beiden Kontinenten. Oder sie rücken zusammen und bewältigen die Krise gemeinsam, im Geiste der neuen Partnerschaft – und als Bewährungsprobe ihrer Beziehung.