Cashew-Anbau in Ghana
Der Kern der Lösung
Diese Bäume haben mein Leben verändert, sie haben mich zu einer glücklichen Frau gemacht“, sagt Victoria Ataa und tätschelt liebevoll die Rinde des Baumes, der ihr in der Mittagshitze Schatten spendet. Die ghanaische Bäuerin sitzt im Dorf Congo unter einem Cashewbaum. Seine Früchte haben die heute 66-Jährige nicht nur aus bitterer Armut befreit. Sie haben sie auch zu einem Vorbild für Tausende andere Bäuerinnen und Bauern in Afrika gemacht.
Vor 14 Jahren saß Ataa noch am Straßenrand und verkaufte in Plastikbeutel abgefülltes Wasser. Ein unwürdiger Job für eine Bäuerin, fand die stolze Frau, doch ihre Felder gaben einfach nicht genug her. Immer häufiger blieb der Regen aus, immer geringer wurden die Ernten. Nur den Bäumen mit den seltsamen, nierenförmigen Nüssen schien die Trockenheit nichts anzuhaben. Doch dort, wo schon Ataas Großvater Yams, Maniok und Mais angepflanzt hatte, wusste niemand etwas mit den sonderbaren Früchten anzufangen. Nur ein paar „komische Inder“ kauften den Kindern die Nüsse für einen Spottpreis ab, erinnert sich Ataa.
Während die Bäuerin noch darüber nachdachte, wie sie ihre fünf Kinder satt kriegen und zur Schule schicken konnte, sprach ein Mann sie an. „Eine Frau wie du sollte nicht hier an der Straße sitzen. Eine Frau wie du sollte Cashewnüsse anbauen“, sagte der Kunde. Es war der Vorsitzende der Vereinigung der ghanaischen Cashewbauern. Er berichtete ihr, dass die weltweite Nachfrage nach den süßlichen Nüssen jedes Jahr um rund zehn Prozent steige, die Preise sogar noch viel schneller. Er sagte, dass ein Ende des Trends nicht in Sicht sei und Ghana eines der besten Anbaugebiete der Welt.
Bis heute nicht auf dem ghanaischen Speiseplan
Ataa versuchte, alles herauszufinden, was man in Ghana über Cashewnüsse in Erfahrung bringen konnte. Viel war es nicht. Die meisten Bauern wussten damals nicht, wie man die Erträge der Bäume steigert, wie man die Nüsse lagert und weiterverarbeitet. Zudem hatten die Landwirte keine Ahnung, an wen sie die Nüsse für welchen Preis verkaufen konnten – und so setzte kaum jemand auf die Kerne, die auch heute noch nicht auf dem ghanaischen Speiseplan stehen. Doch nicht nur Ghana machte wenig aus seinen Cashewbäumen. Auch in vielen anderen afrikanischen Staaten vergammelten die Nüsse auf den Feldern, während Nachfrage und Preise weltweit immer weiter stiegen.
Um das riesige, brachliegende Potenzial zu nutzen, wurde 2009 die Cashewinitiative ins Leben gerufen. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und in Zusammenarbeit mit der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung sowie mit mehr als 30 Partnern aus der Privatwirtschaft setzte die GIZ das Programm in Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Ghana und Mosambik um.
Von der Produktion bis zum Export
Die Cashewinitiative, die 2016 mit einem Innovationspreis der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ausgezeichnet wurde, zielt auf den gesamten Prozess ab: von der Produktion über die Verarbeitung und die Vermarktung bis hin zum Export. „Experten beraten die Bauern unter anderem, wie sie durch verbesserte Anbau-, Ernte- und Lagermethoden ihre Erträge und somit ihr Einkommen steigern können“, erklärt Rita Weidinger von der GIZ. „Davon haben in den Teilnehmerstaaten bislang mehr als 430.000 Bauern profitiert. Viele von ihnen konnten ihr Einkommen aus Cashew auf diese Weise verdoppeln.“
Victoria Ataa hat an mehreren dieser Schulungen teilgenommen. Mit Erfolg: „Früher habe ich fünf bis acht Säcke Cashew geerntet, in diesem Jahr waren es 16“, erzählt sie stolz. Sie hat jetzt nicht nur mehr Nüsse, sie verkauft sie auch zu einem höheren Preis. „Bevor wir an den Trainings teilgenommen haben, haben die Händler uns oft übers Ohr gehauen. Jetzt wissen wir, was unsere Nüsse wert sind, und lassen uns nicht mehr über den Tisch ziehen“, sagt die Witwe selbstbewusst. Während sie heute umgerechnet bis zu 90 Cent für ein Kilo ungeschälte Nüsse erhält, waren es vor zehn Jahren noch neun Cent.
Mehr Nachfrage als Angebot
Mit dem Geld konnte sie unter anderem ein neues Haus bauen, sich mehrere Kühe kaufen und ihren ältesten Sohn auf die Universität in Accra schicken. Dort studierte er Landwirtschaft, mittlerweile lehrt er in der Hauptstadt an einer Fachhochschule. So oft wie möglich besucht er seine Mutter in ihrem eine Tagesreise entfernten Dorf. Immer wieder hat der Landwirtschaftsexperte dann denselben Tipp für seine Mutter: „Mama, pflanze mehr Cashewbäume. Ihnen gehört die Zukunft.“ Ataa hat auf ihren Sohn gehört. Sie baute auch auf dem Land ihres Onkels Cashew an. Auf dem Feld empfängt sie mittlerweile oft Bauern, die von ihr wissen wollen, wie auch sie ihre Ernten steigern können. „Ich habe keine Angst vor Konkurrenz“, so Ataa. „Es gibt immer noch mehr Nachfrage als Angebot. In den Trainings habe ich viel gelernt. Jetzt gebe ich mein Wissen gerne weiter.“
Die Setzlinge für ihr neues Feld hat sie in der Cashew-Forschungsstation im nahe gelegenen Wenchi gekauft. Dort experimentieren Arthur Robert und seine 14 Mitarbeiter in Laboren, einer Baumschule und auf 365 Hektar Versuchsfläche. Durch Kreuzung wollen sie die Cashewbäume noch ertragreicher und widerstandsfähiger gegen Dürre und Schädlinge machen. Die Fortschritte sind beeindruckend. So ist es den Wissenschaftlern ganz ohne Einsatz von Gentechnik gelungen, die durchschnittliche Ernte pro Baum von vier bis acht auf 20 bis 35 Kilo zu steigern. Robert ist überzeugt: Es gibt noch viel Luft nach oben. „Durch den Klimawandel wird es in Ghana in Zukunft wahrscheinlich weniger regnen. Für den Cashewbaum ist das jedoch kein Problem. Er kommt gut mit Trockenheit klar. Unser Ziel ist es daher, Ghana in den nächsten Jahren zu einem der internationalen Top-Produzenten zu machen.“
Joseph Yeung drückt dem Forscher die Daumen. Der in Schanghai geborene Manager leitet den zweitgrößten Cashew verarbeitenden Betrieb in Ghana. Zu Hochzeiten arbeiten im westghanaischen Mim bis zu 1.200 Menschen für das Unternehmen, das von der Cashewinitiative beraten wurde. Mit viel Handarbeit befreien sie die süßen Kerne aus ihrer harten Schale, entfernen die dünne Haut von den Nüssen und verpacken sie für den Export. Als Yeung 2010 die Leitung des Betriebes übernahm, produzierten seine Arbeiter rund 800 Tonnen pro Jahr, mittlerweile sind es knapp 5.000. „Wir könnten hier locker 7.500 Tonnen schaffen, aber leider fehlt es manchmal an Nachschub.“
Die Fabrik als Station auf dem Weg zur Ausbildung
Viele der Arbeiter des Unternehmens hatten nie zuvor einen festen Job, rund drei Viertel von ihnen sind Frauen. Ernestina Adu-Gayanfuah sortiert an einem hell beleuchteten Tisch Cashewkerne nach Größe, Qualität und Farbe. Knapp einen Zentner schafft sie in einer Acht-Stunden-Schicht. „Die Bezahlung ist okay, das kostenlose Mittagessen sehr gut, außerdem haben wir 15 Tage bezahlten Urlaub pro Jahr und bekommen unseren Lohn auch, wenn wir krank sind. Trotzdem will ich hier nicht ewig Nüsse sortieren“, sagt die junge Frau, die zwölf Jahre zur Schule ging. Die 22-Jährige möchte Krankenschwester werden. Doch für die Ausbildung braucht sie Geld, und die Cashewfabrik ist für sie die beste Möglichkeit, die Gebühren zu verdienen.
Möglicherweise werden bald auch Nüsse, die auf Victoria Ataas neuem Feld wachsen, durch die Finger der jungen Fabrikarbeiterin gleiten. Die resolute Bäuerin hat sich fest vorgenommen, ihre Produktion weiter zu steigern. „Früher wollte ich nicht, dass meine mittlerweile erwachsenen Kinder Bauern werden. Aber seitdem wir Cashew anbauen, habe ich nichts dagegen, dass meine Enkelkinder in meine Fußstapfen treten.“
Ansprechpartner: Rita Weidinger > rita.weidinger@giz.de
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FIT FÜR DEN WETTBEWERB
Projekt: Afrikanische Cashewinitiative
Land: Ghana
Auftraggeber: Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, 30 weitere Partner aus der Privatwirtschaft, Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung
Politischer Träger: Ghanaisches Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Laufzeit: 2009 bis 2018