Essay: Flucht und Migration
Aufbruch ins Ungewisse
Abubakar Demba steht vor einer Filiale der Geldtransferfirma Western Union in Agadez und wartet auf sein Geld. Seit zehn Monaten ist der 29-Jährige mit den kurzen Rastazöpfen schon in Niger am Rande der Sahara. Eigentlich wollte der junge Gambier über Mali, Burkina Faso und Niger sofort weiter nach Libyen. Aber ihm war unterwegs das Geld ausgegangen. Um sich seine Fahrt zu verdienen, arbeitet er als Vermittler und Übersetzer. „Ich habe heute zwei Kunden aus Ghana und Gambia“, sagt Demba.
In Agadez hat er sich mit einem örtlichen Pick-up-Fahrer zusammengetan und wirbt Flüchtlinge an. Mit ihnen fährt er nun jede Woche von hier aus nach Murzuq in Libyen. „Ich übersetze für die Flüchtlinge und organisiere alles“, sagt Demba. Für jede Tour erhält er 500 Libysche Dinar, rund 330 Euro. Nach fünf bis zehn Fahrten hätte er eigentlich genug Geld beisammengehabt, um selbst bis nach Europa zu gelangen. Doch noch will er in Agadez weitermachen.
In Agadez verwischen Unterschiede zwischen Flüchtlingen und Schleppern
Ist Demba nun ein Flüchtling oder ein Schlepper? Die Unterschiede verwischen hier in der Wüstenstadt. „Ich habe ein gutes Verhältnis zu den Leuten, denen ich helfe“, sagt Demba. „Ich werde weiterempfohlen.“ Mit manchen, die es bis nach Italien geschafft haben, sei er noch über das soziale Netzwerk Facebook in Kontakt. Durch Agadez gehen laut der Internationalen Organisation für Migration rund 90 Prozent der Flüchtlinge und Migranten aus Westafrika, die nach Europa wollen.
Sie alle fliehen vor der Armut, dem Krieg oder einem repressiven Staat. Gambias Diktator Yahya Jammeh, der das Land seit seinem Putsch 1994 regiert, droht damit, Schwulen „den Kopf abzuschneiden“, und lässt Oppositionelle oder jene, die zu solchen erklärt werden, in Gefängnissen foltern. „In Gambia gibt es keine Perspektive“, sagt Demba, „und die Polizei hat mich wie Dreck behandelt.“
UNHCR: Ende 2014 waren 60 Millionen auf der Flucht
Gambia ist ein Begriff geworden, seit so viele Flüchtlinge das heruntergewirtschaftete Land in Richtung Norden verlassen – und weil ihr Ziel Europa ist. Doch im Vergleich zu dem, was sich im Rest der Welt abspielt, war der Flüchtlingsstrom nach Europa immer deutlich kleiner.
Insgesamt befanden sich Ende 2014 annähernd 60 Millionen Menschen auf der Flucht, wie Zahlen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR belegen; das waren acht Millionen mehr als im Jahr zuvor. Einige, Palästinenser etwa, leben seit Generationen als Flüchtlinge. Andere, wie Syrer oder Ukrainer, fliehen vor neuen Kriegen, während seit Jahren schwelende Konflikte etwa im Kongo, Sudan, in Somalia oder Afghanistan bis heute nicht befriedet sind. Allein zweieinhalb Millionen Menschen aus der sudanesischen Darfur-Region mussten ihre Häuser verlassen, eineinhalb Millionen Afghanen sind nach Pakistan geflohen. Die Welt gerät aus den Fugen: In den vergangenen fünf Jahren sind 15 weitere Kriege und Konflikte ausgebrochen.
Aus Myanmar fliehen muslimische Rohingya vor Verfolgung
Doch es ist nicht nur Krieg, der die Menschen aus ihrer Heimat treibt. In Myanmar fliehen muslimische Rohingya vor systematischer Verfolgung. Auch sie machen sich auf in unsichere Gewässer und sterben auf hoher See, weil ihre Boote untüchtig sind und weil ihnen die Schiffe anderer Nationen kaum Beachtung schenken. Allein in diesem Jahr sollen sich viele Tausend Rohingya aus Myanmar und Bangladesch über den Golf von Bengalen nach Malaysia, Indonesien oder Thailand aufgemacht haben.
„Kein Flüchtling kommt in ein anderes Land, weil er Urlaub machen möchte.“
Dalai-Lama, religiöses Oberhaupt der Tibeter
Oder es sind Dürren und andere Naturkatastrophen, die ins Elend führen. Und das Elend führt zur Flucht – oder zum Krieg und dann zur Flucht. Einer Studie des Klimatologen Colin Kelley zufolge zog die Dürreperiode im Nordosten Syriens, verursacht durch den Klimawandel und eine verfehlte Wasserpolitik, zwischen 2006 und 2009 eineinhalb Millionen Menschen – meist verarmte Bauern – aus ländlichen Gegenden in die Städte. Das erhöhte den Druck auf den Machthaber Baschar al-Assad und könnte zum Aufstand gegen ihn beigetragen haben.
Der Krieg in Syrien, der seit vier Jahren tobt, hat die halbe Bevölkerung entwurzelt: Elf Millionen Syrer mussten ihre Wohnungen verlassen, rund vier Millionen davon sind außer Landes geflohen. Damit ist Syrien die größte „Quelle“ von Flüchtlingen überhaupt.
Zugleich wurde der Nachbarstaat Türkei zum weltweit größten Aufnahmeland: Nach den jüngsten UNHCR-Erhebungen leben dort 1,6 Millionen Flüchtlinge, darunter mehr als eine Million Syrer. Danach folgen die Länder Pakistan, Libanon, Iran, Äthiopien und Jordanien, Kenia und Tschad – sämtlich Staaten, an deren Grenzen Kriege toben. Ein EU-Land tauchte in dieser Statistik bisher nicht auf. Im Gegenteil: Den größten Teil aller Flüchtlinge weltweit nahmen in den vergangenen Jahren Schwellen- und Entwicklungsländer auf. Staaten wie Äthiopien oder Kenia beherbergten weit mehr Flüchtlinge als etwa Deutschland, Frankreich oder Großbritannien. In der gesamten EU haben im Jahr 2014 knapp 630.000 Menschen Asyl beantragt. Auch wenn sich die Zahlen durch die jüngsten Entwicklungen ändern mögen – das Verhältnis bleibt vorerst bestehen.
Das größte Flüchtlingslager der Welt liegt in Kenia
Auch in Kenia lebt eine Million Flüchtlinge. Die meisten von ihnen konzentrieren sich auf das Lager Dadaab im Norden Kenias, wo vor allem Somalier Zuflucht gesucht haben. Doch wer dort ankommt, ist Misshandlung, Ausbeutung oder Arbeitslosigkeit nicht entronnen. Denn Lager sind nicht nur ein Hort der Zuflucht, sondern auch eine Gefahr.
Dadaab ist mit geschätzten 350.000 bis 400.000 Bewohnern das größte Flüchtlingslager der Welt. Es existiert bereits seit dem Jahr 1991 und war ursprünglich nur für rund 90.000 Menschen gedacht, ähnelt jedoch mittlerweile in vielem einer Großstadt – und zwar einer, in der die westlichen Hilfsorganisationen eine Art Rundumversorgung anbieten und es für Flüchtlinge und ihre vielen dort geborenen Kinder wenig Anreize gibt, das Lager bald wieder zu verlassen.
Doch kontrollieren nicht Helfer oder kenianische Behörden Dadaab, sondern mindestens in Teilen Kriminelle und Angehörige der somalischen Terrorgruppe al-Shabaab. Die Verantwortlichen in Nairobi vermuten, das Lager sei ein Einfallstor für al-Shabaab, die mit ihrem Terror auch das südliche Nachbarland heimsucht. Deshalb will die kenianische Regierung es schon seit längerem schließen. Diese Forderung wurde zuletzt nach dem Anschlag auf die Hochschule in Garissa im vergangenen Frühjahr wieder laut, bei dem al-Shabaab 148 Menschen tötete. Die Attentäter sollen von Somalia über Dadaab an den Anschlagsort gelangt sein. Doch bislang ist man mit dem Schließungsplan kaum vorangekommen.
Hunderttausende syrische Flüchtlinge in Jordanien
„Ein Lager zu schließen, ist weit schwieriger, als eines aufzubauen“, sagt ein ranghoher UNHCR-Mitarbeiter, der in Darfur arbeitete. „Ich habe es jahrelang versucht und nicht geschafft. Je länger ein Lager existiert, desto schwieriger wird es.“ Die Strukturen in Flüchtlingslagern wie Dadaab sind längst eingefahren und erprobt. Sie mögen dem Einzelnen helfen, verstetigen aber die Verhältnisse, die eigentlich als Provisorium gedacht waren. Bei einer Schließung müsste zudem überlegt werden, wo Hunderttausende Flüchtlinge überhaupt hinkönnten.
Lager sind ein weltweites Problem. Das bekommt gerade auch das kleine Königreich Jordanien zu spüren, das mittlerweile mehr als 650.000 syrische Flüchtlinge im Land hat – zusätzlich zu den rund zwei Millionen Palästinensern, „Flüchtlingen“, die dort seit Jahrzehnten leben und heute etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung Jordaniens ausmachen.
Schwierige Versorgung im Flüchtlingslager Zaatari
Allein Zaatari, 2012 gegründet, ist zu einer Art Stadt angewachsen, in der mittlerweile rund 80.000 Flüchtlinge aus Syrien leben – die Hälfte davon Kinder. Die jordanische Regierung möchte, dass Zaatari ein Provisorium bleibt, und doch verwandeln sich die Zelte dort nach und nach in feste Unterkünfte. Die Behörden fürchten zudem, dass Kämpfer aller Seiten und Agenten des Assad-Regimes in das Lager eindringen könnten. Auch Trinkwasser ist ein Problem: Die ohnehin geringen Wasservorräte reichen kaum aus für die Versorgung der Flüchtlinge. Jordanien zählt zu den wasserärmsten Staaten der Erde. Wenn in so einem Gebiet dauerhaft mehr Menschen leben, als natürlich zu versorgen sind, entstehen ewige Abhängigkeitsstrukturen – wie in Dadaab, das ebenfalls in einem Trockengebiet liegt.
Angesichts dieser Umstände brauchen die Flüchtlinge dort und anderswo eine neue Bleibe. Doch kann man Flüchtlinge in sichere Länder zwingen, in die sie nicht wollen? Die Entwicklung zeigt in die andere Richtung: Nach Angaben des UNHCR sind im vergangenen Jahr lediglich 127.000 Flüchtlinge weltweit aus Lagern in ihre Heimat zurückgekehrt. Das ist der niedrigste Wert seit 31 Jahren.
„Meiner Erfahrung nach wünschen sich die meisten Flüchtlinge nichts sehnlicher, als nach Hause zu gehen.“
Angelina Jolie, Schauspielerin und UNHCR-Sondergesandte
Auch die Aufnahmestaaten, die häufig selbst Entwicklungsländer sind, benötigen die Hilfe der internationalen Gemeinschaft – allein schon, um sie davor zu bewahren, selbst zu einem Krisenherd zu werden. Der überforderte Libanon hat den Flüchtlingshilfswerken verboten, neue Flüchtlinge zu registrieren, und erlaubt ohnehin keine offiziellen Flüchtlingslager mehr. Die Erfahrungen aus dem Bürgerkrieg zwischen 1975 und 1990, in dem sich viele bewaffnete Gruppen in den unüberschaubaren Palästinenserlagern schadlos hielten, hängen dort immer noch nach. Und berechtigterweise wird auch die Frage gestellt, warum sich etwa die reichen arabischen Golfstaaten wie Saudi-Arabien nicht an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen.
Denn wenn Flüchtlinge wirklich aufgenommen werden, also nicht nur in Lagern „geparkt“ und als freie Menschen vergessen, dann können sie ihr Potenzial entfalten. Wanderungsbewegungen und die Suche des Einzelnen nach einem besseren Leben waren seit Bestehen der Menschheit eine Triebkraft für Entwicklung. Wo Flüchtlinge ankommen, kann stets auch etwas Neues entstehen. Wenn man es denn entstehen lässt. Die Vereinigten Staaten wuchsen unter anderem deshalb zu ihrer heutigen Größe. Es waren auch europäische Flüchtlinge und Auswanderer, die Amerika formten. Heute profitieren wir von ihrem Vermächtnis.
Der Mangel an legalen Wegen stärkt die Schleuser
Deshalb sollten Flüchtlinge unbürokratischer eine Arbeitserlaubnis und später eine Staatsbürgerschaft erhalten können. Bangladesch etwa gewährt den Rohingyas prinzipiell nicht die Staatsbürgerschaft. Ähnlich ergeht es den Palästinensern im Libanon oder in Syrien. Auch europäische Staaten tun sich schwer damit, Flüchtlinge und Migranten einzubürgern.
Europa hat bisher kein wirkliches Konzept zum Umgang mit Flüchtlingen oder Migranten. Eine sichere und legale Einreisemöglichkeit für Flüchtlinge gibt es nach wie vor nicht. Dabei wäre es vor dem Hintergrund der Syrienkrise entscheidend, die Lasten gerecht aufzuteilen, nach wirtschaftlicher Stärke – und das nicht nur in Europa, sondern weltweit. Derzeit gibt es weder ein solch geordnetes System, noch bringen alle Länder, die dazu in der Lage wären, den Willen auf, Schutzsuchende in ihr Land zu lassen.
2.987 Menschen starben zwischen Januar und
Anfang Oktober 2015 bei der Flucht übers Mittelmeer.
Quelle: IOM
Doch solange es keine sichere und legale Form der Einreise gibt, nutzen Flüchtlinge und Migranten Schlepper, um zu fliehen. Ein Eritreer etwa, der in Deutschland Asylrecht genießt, könnte mit einem Bruchteil des Geldes, das Schlepper kassieren, ein Flugzeug besteigen und nach Europa fliegen. Diese Möglichkeit aber existiert nicht. Hart schottet sich zum Beispiel auch Australien ab. Das Land fängt Flüchtlingsboote auf hoher See ab und zwingt sie zur Umkehr, bevor sie australisches Hoheitsgebiet erreichen.
Der Chef der Internationalen Organisation für Migration in Niger, Giovanni Loprete, vertritt die Ansicht, man könne Flüchtlinge trotz allem nur begrenzt davon abhalten, ihr Land zu verlassen, vor allem, wenn Krieg und Verfolgung drohten. Auch Aufklärungsarbeit über Fluchtrisiken habe Grenzen. „Die kennen die Gefahren“, sagt Loprete. „Sie gehen trotzdem.“ Ähnlich verhalte es sich mit dem Schlepperwesen. „Wenn man einen Schlepper verhaftet, einen Weg dichtmacht, tauchen am nächsten Tag zehn neue auf.“
Ertrunken im Mittelmeer, verdurstet in der Wüste
Fast 3.000 Menschen sollen allein in diesem Jahr im Mittelmeer ertrunken sein. Auf mindestens ebenso viele schätzt die Internationale Organisation für Migration die Zahl derer, die in der Wüste verdursteten: in Niger, in Libyen oder im Gebiet zwischen Sudan und Tschad, wohin sich die Menschen vor den Kriegen in Darfur oder im Südsudan flüchteten. Oft verwischen dabei die begrifflichen Trennungen zwischen Auswanderung, Migration, Flucht oder Vertreibung. Der Gambier Abubakar Demba sagt, er sei in bitterster Armut aufgewachsen und habe keine Perspektive. Die Polizei habe ihn geschlagen – das mag gering anmuten im Vergleich zu dem, was etwa syrische Flüchtlinge erdulden müssen. Dennoch ist auch Demba bereit, sich auf eine Reise zu machen, die ihn das Leben kosten könnte.
Die Unterscheidung in Flüchtlinge, im eigenen Land Vertriebene oder Migranten macht für die Betroffenen oft keinen großen Unterschied. Etwa im Vierländereck Nigeria, Niger, Tschad und Kamerun, in dem die Terrormiliz Boko Haram wütet. Dort siedeln Angehörige verschiedener Ethnien in allen Staaten. Die meisten besitzen keine Pässe. Eineinhalb Millionen Menschen sind hier auf der Flucht. Besonders Frauen leben in ständiger Angst, entführt, zwangsverheiratet oder vergewaltigt zu werden.
Geflohen vor den Terroristen von Boko Haram in Nigeria
So auch Kouli Ali, die zwei Wochen lang in der Gefangenschaft von Boko Haram war, wie sie in Diffa, im Grenzgebiet zwischen Niger und Nigeria, berichtet. „Sie kamen früh am Morgen nach Damasak“, sagt Kouli, „es waren mehr als 1.000 junge Männer und zwei Alte, die gesagt haben, was die Kämpfer machen sollten.“ Kouli ist 21 Jahre alt. Sie sitzt zwischen ihren Verwandten und Nachbarn unter einem Baum am Stadtrand von Diffa. Die Terroristen seien von Haus zu Haus gegangen. „Sie schrien ‚Allahu Akbar‘, und dann – taktaktaktak.“ Kouli sagt, sie sei mit Dutzenden anderen Frauen und Kindern in einem Haus eingeschlossen worden. Nach zwei Tagen seien die Islamisten dann zu den ganz jungen gekommen. „Sie sagten zu den Mädchen, die 13, 14, 15 Jahre alt waren: ‚Ihr seid jetzt verheiratet.‘ Dann nahmen sie sie mit.“ Kouli hatte Glück. „Weil ich schwanger war, haben sie sich nicht für mich interessiert.“ Drei Tage später brachte Kouli in Gefangenschaft ihr Kind zur Welt, das sie heute im Arm hält, während sie erzählt. Die anderen Frauen halfen ihr bei der Geburt. Einige Tage später konnte sie nachts fliehen, auch, weil die Terroristen das Interesse an ihr verloren hatten.
Andere haben weniger Glück im Unglück. Ungezählt die vielen Frauen, die auf der Flucht vergewaltigt, ausgebeutet und in Lagern zur Prostitution gezwungen werden. Die Hälfte aller Flüchtlinge sind nach Angaben der Vereinten Nationen Kinder. Nicht selten werden auch sie schon missbraucht.
Flüchtlingspolitik muss mit Sicherheitspolitik einhergehen
Was also ist zu tun? Solange in so vielen Staaten weiter offener Krieg herrscht, ergeben sämtliche Bemühungen wenig Sinn. Wirkliche Flüchtlingspolitik muss mit Sicherheitspolitik einhergehen. Die europäischen Debatten um die Umsiedlung von Flüchtlingen, die sich bereits in EU-Ländern befinden, sind wichtig, sie lösen aber nicht das Gesamtproblem. Wahrscheinlich wird sich die Zahl der Flüchtlinge erst deutlich verringern, wenn die Konflikte in Syrien, im Irak, in Afghanistan, Libyen oder Somalia abgeklungen sind. Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass Menschen auch wieder zurückkehren, wenn ein Krieg vorbei ist. Frieden zu schaffen, verlangt allerdings mehr als humanitäre Hilfe. Es braucht den Einsatz großer diplomatischer und auch militärischer Mittel des Westens, einschließlich internationaler Friedenstruppen.
Doch alles Verhandeln hat Grenzen, solange die Staatsführungen der entsprechenden Länder nicht mitmachen. Gambias Diktator Jammeh verwies kürzlich die EU-Botschafterin des Landes, weil sie es angesichts der Flüchtlingskrise gewagt hatte, Kritik an den Zuständen im Land zu äußern. Ähnlich die Lage in Eritrea, dessen Staatsführung das Volk in einen schier endlosen Militärdienst presst. Vieles steht und fällt mit dem Zustand im Ursprungsland der Menschen, die zu Flüchtlingen werden. Doch auch die Empfängerländer, gerade die westlichen Industriestaaten, sollten nicht zu kleinmütig denken: Flüchtlinge bringen stets auch einen zähen Willen zum Neuanfang mit sich. Davon können alle profitieren.
aus akzente 4/15
BINNENVERTRIEBENE
Projekt: Neuanfang für Entwurzelte im eigenen Land
Land: Afghanistan
Auftraggeber: Auswärtiges Amt
Politischer Träger: Afghanisches Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung
Laufzeit: 2013 bis 2016
SPORT FÜR FLÜCHTLINGE
Projekt: Über Fussball Jugendliche für Berufsbildung interessieren
Land: Palästinensische Gebiete
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Politischer Träger: Bildungs- und Arbeitsministerium der Palästinensischen Autonomiebehörde
Laufzeit: 2014 bis 2016
WASSERVERSORGUNG
Projekt: Flüchtlinge werden zu Klempnern ausgebildet
Land: Jordanien
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Politischer Träger: Jordanisches Wasserministerium
Laufzeit: 2014 bis 2016
MENSCHENRECHTE
Projekt: Schutz elementarer Rechte für Flüchtlinge und Vertriebene
Land: Ecuador
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Europäische Union
Politischer Träger: Technisches Planungssekretariat Ecuador
Laufzeit: 2013 bis 2016
Ungleich verteilt
Infografik
Epochale Herausforderung
Interview: Flüchtlingskrise
Dem Zufall entgegen
Gastbeitrag: Flucht