Erklärt
Arena der Zukunft
Städte und Regionen bilden die Frontlinie in Krisen. Das zeigt sich gerade jetzt in der weltweiten Coronavirus-Pandemie. Und von ihrer Handlungsfähigkeit hängt vieles ab: das Zusammenspiel von Stadt- und Regionalverwaltungen mit der jeweiligen nationalen Regierung oder zwischen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft. Wir erleben aktuell, wie wichtig verlässliche Informationen, kommunale Strukturen, Nachbarschaftshilfe, Daseinsvorsorge und funktionierende Dienstleistungen sind. Städte spielen als Wirtschafts- und Innovationszentren eine Schlüsselrolle für Konjunkturprogramme. Sie gestalten mit, wie der „Grüne Aufschwung“ wirksam umgesetzt werden kann. Dabei sind die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft und sozialer Zusammenhalt ausschlaggebend.
CARMEN VOGT
leitet in der GIZ die Organisationseinheit „Cities“.
carmen.vogt@giz.de
Bis 2050 werden gut zwei Drittel der Weltbevölkerung – sieben Milliarden Menschen – in Städten leben. Wachsen werden Klein- und Mittelstädte in Afrika und Asien, die eng mit ihrem Umland verflochten sind. Laut Wissenschaftlichem Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) muss in den nächsten drei Jahrzehnten so viel an Infrastruktur neu gebaut werden, wie seit den Anfängen der Industrialisierung entstanden ist. Dieser Umbau erfordert pro Jahr Investitionen in Höhe von 3,6 Billionen Euro.
Damit ist auch klar: Die globalen Klima- und Entwicklungsziele, auf die sich die Staatengemeinschaft mit der Agenda 2030 und dem Pariser Klimaabkommen geeinigt hat, können nur gemeinsam mit lokalen Akteuren erreicht werden. Zwei Drittel der nationalen Klimaziele werden ohne Städte verfehlt. Deutlich wird dies beim Bau von Gebäuden, Straßen, Radwegen. Wird mit den Baustoffen Zement, Stahl und Aluminium weitergebaut, wird das Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, nicht erreicht. Daher entwickeln wir mit Privatwirtschaft und Wissenschaft Lösungen für nachhaltiges Bauen, damit künftig mehr klimaschonende und lokale Materialien verwendet werden.
Partnerschaften mit Städte-Netzwerken
Die Dringlichkeit, Städte stärker zu berücksichtigen, spiegelt sich auch in unserer Arbeit: Das Spektrum der Auftraggeber hat sich in den vergangenen Jahren vergrößert. Wir arbeiten neben dem BMZ mit dem Bundesinnenministerium und Bundesumweltministerium und bauen Partnerschaften mit Städte-Netzwerken wie ICLEI, C40, Cities Alliance oder multilateralen Akteuren weiter aus. Denn viele Länder suchen in Städten verlässliche Partner und Antworten auf Zukunftsthemen wie Klimaschutz, soziale Gleichheit und digitale Transformation. Die GIZ unterstützt im Auftrag der Bundesregierung Städte und Regionen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Südosteuropa. Während lange der Schwerpunkt auf einzelnen Sektoren wie Wasser, Abfall oder Mobilität lag, arbeiten wir inzwischen vernetzt und ganzheitlich in diesen Bereichen. Denn nachhaltige Stadtentwicklung ist mehr als die Summe vieler Einzelteile. Die Bürger*innen stehen dabei im Mittelpunkt.
Beispielsweise in der Ukraine ist das Interesse an diesem Ansatz groß. Die GIZ engagiert sich für verbesserte Lebensbedingungen in acht ukrainischen Städten. Allein 60.000 Menschen haben bisher ihre Ideen in öffentlichen Bürgerdialogen eingebracht. Mit Erfolg: Ihre Projekte wurden in die Planungen zur Stadtentwicklung aufgenommen. Auch in Marokko wurden Konzepte für verbesserte städtische Dienstleistungen mit Bürger*innen erarbeitet – für die Nutzung von Grünflächen, öffentlichen Räumen und Gebäuden. Globaler Erfahrungsaustausch und Vernetzung werden nachgefragt und durch kommunale Partnerschaften gestärkt.
Das Thema Stadt ist packend und vielfältig. Ob ganz handfest beim bürgernahen Bau neuer Infrastruktur, der Erprobung digitaler Lösungen oder der Umsetzung von nationalen Politiken und Smart-Cities-Konzepten. Unsere Partner sind überzeugt: Städte sind Arenen für eine erfolgreiche Transformation – sie gestalten mit ihren Bürger*innen hautnah eine emissionsarme und gesunde Zukunft, weit über die Coronavirus-Pandemie hinaus. Obwohl Städte und Lokalregierungen selbst von der Krise betroffen sind, wird deutlich, dass Städte den sozialen Zusammenhalt und die Grundversorgung der Menschen, also Wasser, Ernährung, Transport, Wohnen und Gesundheit, sichern und Perspektiven geben. Auf die aktuellen Herausforderungen reagiert die GIZ flexibel in der Arbeit mit ihren Partnern. So entwickeln wir Ideen für die Zeit nach der Pandemie: für lebenswerte, resiliente und vernetzte Städte weltweit.
aus akzente 2/20
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