Interview zum Schwerpunkt

„Afrika kann aufholen“

Kandeh Yumkella ist überzeugt, dass Afrika großes Potenzial hat, wenn es ernsthaft die Korruption bekämpft.

Portät von Kandeh Yumkella. Der mittelalte Mann trägt einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine hellgrüne Krawatte. Seine Arme sind verschränkt und er blickt direkt in die Kamera. Der Hintergrund ist einheitlich hell und schlicht.

Viele sehen Afrika als einen verlorenen Kontinent. Andere erkennen darin eine neue „Frontier“, also ein noch unbekanntes Land,  das viele Chancen bietet, wie seinerzeit der Westen der USA. Was stimmt?
Es gab Zeiten, in denen afrikanische Länder schwere Krisen erlebten, etwa in den 1970er und 1980er Jahren. Das vermittelte den Eindruck, Afrika bestehe nur aus Konflikten, Krankheit, Katastrophen. Zugleich befanden sich zuletzt einige der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Afrika. Leute sehen unseren Kontinent als Problemgebiet, wenn ihr Denken in früheren Jahrzehnten verhaftet ist. Die anderen betrachten ihn als die nächste „Frontier“.

Wie sehen Sie das?
Für mich ist Afrika die nächste „Frontier“. Ich bin davon überzeugt, dass unser Kontinent das 21. Jahrhundert prägen kann, wenn wir in die Fähigkeiten sowie die Aus- und Fortbildung der Menschen investieren. Gleichzeitig müssen die Regierungen ein unterstützendes Umfeld schaffen, das heimische und ausländische Investitionen anzieht.

"Unglaubliche menschliche Ressourcen"

Beobachten wir nicht gerade einen allgemeinen Negativtrend, also das Gegenteil?
Ich sehe tatsächlich einige Krisen. Aber gleichzeitig sehe ich eine ganze Reihe von Ländern, die echte Anstrengungen machen, sich zu entwickeln. Ghana hat gerade eine erfolgreiche Wahl hinter sich und der Diktator von Gambia ist gegangen. Länder wie Mauretanien nutzen ihren Ölreichtum, um ihre Wirtschaft umzubauen. Und das sind nur einige von vielen Beispielen.

Wo liegen für Afrika besondere Chancen?
Wir haben reiche Bodenschätze und unglaubliche menschliche Ressourcen. Ich sehe auch die Landwirtschaft und Agrarindustrie als eine große Chance, weil wir bis 2050 die globale Lebensmittelproduktion um 70 Prozent erhöhen müssen. In Afrika steht viel Land zur Verfügung. Wir könnten den Großteil der Erde ernähren. Ein anderes großes Potenzial liegt im Energiebereich. Letzter Punkt: die digitale Revolution.

"Technologieschritte überspringen"

Woran denken Sie bei der Digitalisierung?
Kenia hat ein digitales Zentrum etabliert. In „Silicon Savannah“ wird Software für die ganze Welt entwickelt. Nigeria ist ebenfalls dabei, eine eigene IT-Drehscheibe aufzubauen. Die Afrikaner sind sehr interessiert am technischen Fortschritt. Sie sind bereit, Technologieschritte zu überspringen. In zehn Jahren werden wir dadurch ein völlig anderes Afrika haben als heute.

Was müsste getan werden, um Afrikas Potenzial dauerhaft zu erschließen?
Die Länder müssen lernen, sich nicht nur auf ihre natürlichen Ressourcen zu verlassen. Sie müssen ihre Ökonomien diversifizieren. Vor allem brauchen sie arbeitsintensive verarbeitende Industrie.

"Ein Modell für Entwicklung"

Sehen Sie noch andere Prioritäten?
Vier Punkte möchte ich in meinem Land verfolgen, wenn ich zum Präsidenten gewählt werde, die aber auch für die meisten anderen Länder Afrikas gelten. Erstens: Bekämpfung von Korruption, da sie wohl das größte Hindernis für Entwicklung darstellt. Zweitens: Gesundheit und Bildung fördern. Ebola hat uns gezeigt, wie fragil unser Gesundheits­system ist. Bildung ist zentral, um die Wirtschaft in Gang zu bringen. Drittens: eine bessere Infrastruktur, vor allem bei der Energie. Viertens müssen wir die Jugendarbeitslosigkeit senken. Wenn wir das nicht schaffen, wird die Jugend rebellieren oder nach Europa aufbrechen.

Warum haben Sie sich entschlossen, nach Afrika zurückzukehren?
Weil ich meinem Land und meinem Heimatkontinent etwas zurückgeben möchte. Und weil ich versuchen möchte, Sierra Leone zu einem Modell für Entwicklung zu machen.

Was könnte Europa tun, um afrikanische Länder zu unterstützen?
Europa sollte Afrika als Investitionsmöglichkeit betrachten, es als potenziellen Markt sehen und nicht als Problem.

Interview: Friederike Bauer

aus akzente 2/17

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