Energieeffizienz in Mexiko
Strom sparen und absahnen
Salvador Morales ist stolz auf seine zuckrigen Sahnetorten. Die Glasur in Rot, Hellblau oder Grün, darauf kandierte Früchte als Verzierung. Der Besitzer eines kleinen Lebensmittelladens in der mexikanischen Stadt Toluca geht zum mannshohen Kühlregal, in dem die bunten Torten stehen, und hebt vorsichtig eine rote heraus. „Die werden gerne gekauft“, weiß er.
Sahnetorten müssen gut gekühlt werden. „Sonst sind sie schnell hinüber“, sagt Morales. Er kennt sich aus: Früher betrieb er hier in der Straße eine Bäckerei, inzwischen hat er sie zu einem kleinen Supermarkt mit breitem Sortiment ausgebaut. Doch das Kühlen der Torten kostet viel Strom. Denn sie stehen in einem offenen Kühlregal, das schon mehr als zehn Jahre alt ist. Morales weiß: Die teuer erzeugte Kälte „fällt“ quasi aus den übereinander angeordneten, offenen Kühlfächern heraus. „Optimal ist das wirklich nicht.“
Hoher Stromverbrauch beim Kühlen
Optimal sind dagegen die drei neuen seiner insgesamt zwölf Kühltheken. Sie bilden das Zentrum des Geschäfts, hier stehen die Kunden an, hier verkaufen Morales und seine Angestellten gekühlte Lebensmittel. Die Joghurts und Milchmixgetränke werden hinter einer Glastür präsentiert – um die Kälte besser zu isolieren. Seit Morales die Kühltheken vor einem Jahr austauschen ließ, ist der Stromverbrauch seines Ladens um ein Fünftel gesunken.
Gut ein Viertel der Gesamtkosten macht Morales’ Stromverbrauch aus – für die Kühlung, Beleuchtung und Computer in seinem Geschäft mit rund 35 Angestellten. Trotzdem hätte der Ladenbesitzer nicht von allein auf die Sparkühltheken umgerüstet. Die Investitionen waren zu hoch. Eine Kühltheke kostet rund 30.000 Pesos, etwa 1.800 Euro. Nicht zu finanzieren angesichts geringer Gewinnmargen. Doch eines Tages kam jemand zu Morales ins Geschäft. Er informierte ihn über ein staatliches Kreditprogramm für kleine und mittlere Unternehmen zum Austausch von Kühlaggregaten, Klimaanlagen und Beleuchtung. „Ich fand das interessant und dann habe ich es mit drei Geräten ausprobiert“, erzählt Morales.
Die neuen Kühlschränke sind regelrechte Sparwunder, verglichen mit den alten Aggregaten. Ihr Stromverbrauch ist so niedrig, dass die eingesparten Stromkosten von nur vier Jahren ausreichen, um die Anschaffung zu refinanzieren. Danach gehören die neuen Kühlgeräte Kleinunternehmern wie Morales – und ab diesem Moment sparen diese bares Geld. Dahinter steckt ein Programm, das die GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und in Zusammenarbeit mit mexikanischen Ministerien und einigen Unternehmen, unter anderem dem staatlichen Stromversorger, entwickelt hat.
Wegen der Energiekosten droht manchem der Ruin
Morales’ Mitarbeiterin Alexandra Garcia ist für die Buchhaltung zuständig. Sie zeigt die Stromrechnungen, die sie alle zwei Monate erhält. Im Jahr 2012 beliefen sie sich auf je 25.000 Pesos. Im ersten Jahr des Kühlschranktauschs waren es jeweils 24.800, „aber 5.600 Pesos davon sind für die Rückzahlung des Kredits“, erklärt Garcia. In drei Jahren falle dieser Posten weg. „Dann sind die Kühlschränke abgelöst und wir zahlen viel weniger – und gut für den Umweltschutz ist es auch.“
Ernesto Feilbogen aus Mexiko-Stadt koordiniert das Programm für die GIZ und kennt viele kleine Unternehmen, die profitiert haben. Da war etwa der Fall des Kneipenwirts in Hidalgo-Stadt, den die Stromeinsparung wahrscheinlich vor der Insolvenz rettete. Feilbogen erinnert sich, wie Armando Villalobos, Besitzer des „Las Palomas“, zu ihm sagte: „Unsere Energiekosten waren so hoch, wir waren in Gefahr, pleitezugehen.“ Heute, nach dem Austausch seiner Kühlschränke, spart Villalobos pro Jahr umgerechnet 816 Euro an Stromkosten ein, mehr als ein Drittel.
Großes Potenzial für Einsparungen
Feilbogen kann die Erfolge mit detaillierten Zahlen belegen. Bis Ende 2013, innerhalb rund eines Jahres, wurden bereits fast 6.000 Geräte ausgetauscht. Ein von der GIZ entwickeltes System zur Messung der Treibhausgasreduktion ergab, dass dadurch rund 9.000 Tonnen CO₂ vermieden werden konnten. „Das vorhandene Potenzial für Einsparungen ist riesig“, so Feilbogen. Im Schwellenland Mexiko gebe es 5,1 Millionen kleinste, kleine und mittlere Unternehmen, denen das Kapital für Investitionen in Modernisierung fehle. „Es gibt hier viele Salvadors und Armandos“, sagt Ernesto Feilbogen.
Deutschland unterstützt Mexiko bei der Klimapolitik. So schloss das Bundesumweltministerium im Jahr 2010 mit seinem mexikanischen Pendant die Mexikanisch-Deutsche Klimaschutzallianz. Seither hat der mittelamerikanische Staat mit seinen mehr als 122 Millionen Einwohnern ambitionierte Klimaschutzziele aufgestellt – es sind sogar die ehrgeizigsten unter allen Schwellenländern. Im Jahr 2012 trat in Mexiko ein Gesetz in Kraft, das eine Minderung des Treibhausgasausstoßes bis 2050 um 50 Prozent vorsieht, gemessen am Basisjahr 2000.
Bemühungen zur Energieeffizienz sind nicht neu
Aber damit das Land diese Ziele auch erreicht, müssen die Instrumente zur Steuerung, zur Planung und zum Monitoring der Klimaschutzaktivitäten noch geschärft werden. Das Bundesumweltministerium unterstützt Mexiko daher bei der Entwicklung freiwilliger Klimaschutzmaßnahmen, sogenannter NAMAs (Nationally Appropriate Mitigation Actions). Das Konzept für solch freiwillige Maßnahmen stammt vom Klimagipfel 2007 in Bali und richtet sich an Länder wie Mexiko, die keinen CO₂-Minderungszusagen im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention unterliegen. Teil des Konzepts ist es auch, dass Industrieländer solche freiwilligen Klimaschutzmaßnahmen finanzieren oder durch Technologietransfer unterstützen können.
Doch Mexiko fängt mit seinen Bemühungen um Energieeffizienz längst nicht bei Null an. Bereits vor Jahren gab es ein Austauschprogramm für Kühlschränke, das sich an Privathaushalte wandte. Rund zwei Millionen Geräte wurden ausgewechselt. Allerdings ist der Gerätetausch trotz beeindruckender CO₂-Einsparerfolge kein Selbstläufer. Der Hauptgrund: Der mexikanische Staat subventioniert die Strompreise der Privathaushalte stark. „Deswegen lohnt sich ein Austausch Strom verschwendender Geräte nicht so schnell wie bei den Unternehmen, die im Vergleich deutlich höhere Strompreise zahlen müssen“, erklärt GIZ-Mitarbeiter Feilbogen.
Ausgeklügeltes System zur Entsorgung alter Kühlanlagen
Bei dem Austausch wird großer Wert auf eine umweltfreundliche Entsorgung der alten Kühlschränke gelegt. Die Stromverschwender sollen garantiert aus dem Markt verschwinden und nicht weiterverkauft werden. Außerdem stellt man sicher, dass die chemischen Kältemittel aus den Geräten – darunter der besonders klimaschädliche Fluorchlorkohlenwasserstoff R134a – fachgerecht entsorgt werden und die gewonnenen Metallteile ins Recycling gehen. Erst wenn der Lieferant des neuen Kühlschranks die entsprechende Bestätigung von einer zertifizierten Demontagestelle einreicht, erhält er das Geld für seine Arbeit. Wie wichtig das ist, erläutert Ricardo Mendiz, ein Mitarbeiter in einer Demontagewerkstatt in Toluca. „Normalerweise holt ein Schrotthändler die alten Kühlschränke ab“, sagt der junge Mann. „Und der interessiert sich nur fürs Metall. Der lässt das Kältemittel einfach ausströmen.“ In dem Fall steigt es aber direkt in die Atmosphäre auf, wo es als Klimakiller wirkt. „Das muss man doch verhindern“, sagt Mendiz mit Nachdruck.
Geschäftsinhaber Morales ist von der Erfahrung mit dem Kühlschrankprogramm so angetan, dass er nun plant, auch noch die restlichen Altgeräte auszutauschen. Zwar werden dann auch seine Sahnetorten hinter einer Glaswand stehen. Aber Morales kennt seine Kunden: Sie werden die bonbonfarbenen Kalorienbomben auch dann noch kaufen.
> Ansprechpartner: Ernesto Feilbogen ernesto.feilbogen@giz.de
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FÜR UMWELT UND UNTERNEHMEN
Projekt: Mexikanisch-Deutsches NAMA-Programm
Land: Mexiko
Auftraggeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Partner: Mexikanische Ministerien für Umwelt, Energie, Kommunikation und Transport, nationale Wohnungsbaukommission, Treuhandkommission
Laufzeit: 2011 bis 2015