
Internationale Zusammenarbeit anders aufstellen
Annegret Kramp-Karrenbauer über neue Partnerschaften mit dem Globalen Süden und warum sie gerade jetzt wichtig sind
Wir erleben derzeit Verschiebungen von großer Tragweite: Die Welt ist in einer Weise im Umbruch, wie sich das vor nur einem Jahr kaum jemand hätte vorstellen können. Im Osten sitzt ein brutaler Autokrat, im Westen ein erratischer Präsident, dessen weitgehend auf Dekreten basierende Politik wechselhaft und disruptiv ist. Damit verändert Trump nicht nur die USA, sondern auch die transatlantischen Beziehungen und die internationale Ordnung insgesamt. Seine Zollpolitik gefährdet zudem die Stabilität der Weltwirtschaft.
Dazu kommen weitere Krisen und Konflikte, zum Teil in unmittelbarer Nachbarschaft, von der Ukraine bis zum Nahen Osten, von Mali bis Myanmar, und globale Herausforderungen, vom Klimawandel über Wasserverluste und Artensterben bis hin zum Kampf um Rohstoffe. Europa befindet sich in einer unguten Umklammerung bei gleichzeitigem Risiko des Bedeutungsverlustes.
Um die vielen Herausforderungen, vor denen Europa steht, tatkräftig anzugehen, muss die EU zu neuer Stärke finden. Nur so können wir auf Dauer in Frieden leben, Wohlstand sichern und einen angemessenen Platz in der Welt einnehmen. Dazu gehört zwingend, die internationale Politik neu zu kalibrieren, über die Grenzen der EU hinweg neue tragfähige Partnerschaften jenseits bisheriger Allianzen zu formen.
Diese Neuausrichtung gerade der Beziehungen zu den Ländern des Globalen Südens ist angesichts der geopolitischen Veränderungen essenziell. Das muss auch in Zeiten knapper Kassen gelten. Denn Lösungen für die zentralen Zukunftsfragen können nur gemeinsam mit ihnen erarbeitet werden. Nicht nur sind sie überproportional stark von aktuellen Herausforderungen wie Klimawandel, Migration und geopolitischen Spannungen betroffen. Sie gewinnen auch an strategischer Bedeutung – durch ihre demografische Entwicklung, wachsenden Märkte, durch Rohstoffvorkommen und ihre zunehmend bedeutsame Rolle bei diversen Zukunftstechnologien.
Allerdings braucht es dafür einen weiteren Blickwinkel als bisher. Künftig sollte ein interessenbasierter Ansatz der Ausgangspunkt deutschen Engagements sein. Tradierte Geber-Nehmer-Muster müssen stärker durch Beziehungen abgelöst werden, in denen man die Interessen beider Seiten realistisch formuliert und offen aushandelt, so dass idealerweise Win-win-Situationen entstehen. Ein solcher Ansatz unterscheidet sich von der Außenpolitik anderer Länder, denen es vornehmlich um Ausbeutung für eigene Zwecke geht.
Das sollte nicht Deutschlands Ziel sein, sondern es geht um gleichberechtigte Give-and-Take-Beziehungen. Manche denken jetzt vielleicht, damit verraten wir die Ziele der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, die uns jahrzehntelang geleitet haben, vielleicht sogar die Agenda 2030. Aber das ist nicht der Fall. Stärker auf Interessen zu setzen, geht nicht automatisch mit einer Abkehr von Werten einher. Erstens, weil echte, auf Austausch bedachte Partnerschaften von Respekt zeugen und damit auch einen Wert darstellen. Und zweitens, weil es auch weiterhin Hilfe in humanitären Notlagen und Unterstützung beispielsweise für Gesundheitsvorsorge, Ernährungssicherung oder Armutsbekämpfung geben muss. Unseren Empfehlungen zufolge stehen Programme der „klassischen“ Entwicklungszusammenarbeit gleichberechtigt neben interessenbasierten Partnerschaften. Nichtsdestotrotz bedeutet es eine Abkehr vom „business as usual“ und auch einen effizienteren Umgang mit staatlichen Mitteln.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist Vorsitzende der Kommission „Welt im Umbruch – Deutschland und der Globale Süden“ der Global Perspectives Initiative.

Die Bundesministerin der Verteidigung a.D. Annegret Kramp-Karrenbauer im Austausch mit dem Vorstandssprecher der GIZ, Thorsten Schäfer-Gümbel
Nach Berechnungen der Stiftung Wissenschaft und Politik unterhält Deutschland bereits 119 Partnerschaften mit mehr als 80 Ländern, von denen einige auch über die GIZ laufen. Sie folgen unterschiedlichen Modellen – von strategischen Partnerschaften bis hin zu Forschungs- und Innovationspartnerschaften. Diese gilt es zu sortieren und stringenter zu definieren, um dem Ganzen den Beigeschmack des Zufälligen zu nehmen. Die Kommission empfiehlt hier ein abgestuftes Konzept, innerhalb dessen es strategische Partnerschaften mit wenigen ausgewählten Ländern des Globalen Südens gibt. Bei ihnen kommt das gesamte Instrumentarium zur Ausgestaltung der Außenbeziehungen zur Anwendung. Andere Partnerschaften sollten an bestimmten Politikfeldern, wie Klima-, Energie- oder Rohstoffpartnerschaften, oder an sogenannten minilateralen Kooperationsformaten (zum Beispiel Klima-Clubs) ausgerichtet sein.
Dafür muss die Bundesregierung einen Strategieprozess mit dem Ziel anstoßen, Partnerschaften künftig systematisch und nach klaren Kriterien zu gestalten. Dabei gilt es auch, die Belange des Privatsektors stärker zu berücksichtigen. Er muss auf verschiedenen Ebenen eine größere Rolle spielen als bisher in der internationalen Zusammenarbeit: sowohl bei der Arbeit vor Ort, um die Volkswirtschaften dort zu stärken, als auch in Bezug auf die deutsche Exportwirtschaft. Eine Möglichkeit, eine bessere Verzahnung mit der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten, könnte sein, deren Bedarf von Beginn an in Projekt- und Modulvorschläge zu integrieren.
Wir haben als Kommission eine Vielzahl an Empfehlungen für diesen aus unserer Sicht notwendigen Paradigmenwechsel in den Beziehungen zum Globalen Süden formuliert, deren Aufzählung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Man kann sie im Kommissionsbericht nachlesen. Aber wir waren unisono der Meinung, dass die internationale Zusammenarbeit gerade in dieser globalen Umbruchphase für Deutschland ein äußerst relevantes und wesentliches Politikfeld bleibt. Umso wichtiger ist es, dieses durch Reformen und Anpassungen zukunftsfähig zu machen.