Gastbeitrag: Klimawandel
Jeder, wie er kann
Der Handlungsbedarf beim Klimawandel ist offensichtlicher denn je: Zu viele Menschen müssen leiden, und an zu vielen Orten rund um den Globus stehen jahrzehntelange Entwicklungsfortschritte auf dem Spiel. Der Wissenschaft ist schon lange klar, dass die Zeit drängt. Und auch wirtschaftlich betrachtet wissen wir seit vielen Jahren, dass Untätigkeit weitaus teurer ist. Doch trotz dieses eindeutigen Urteils werden dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen Jahr um Jahr hinausgezögert.
Zu den Hauptursachen dafür zählt die Frage, wie sich die Welt die Anstrengungen, die zur Stabilisierung des Klimas notwendig sind, aufteilen soll – oder in der trockenen Sprache der Klimaverhandlungen: wie „gemeinsam, aber differenziert“ Verantwortung übernommen werden kann.
Grundstein für den Klimaschutz der kommenden Jahrzehnte
Ein wirksames Klimaabkommen wird es in Paris nur geben, wenn es gelingt, die Maßnahmen so gerecht aufzuteilen, dass alle Länder einen ihnen angemessenen Teil der Lasten tragen. Die Unterhändler müssen sich also sehr detailliert mit einem komplexen Verhandlungstext auseinandersetzen. Denn dieser wird den Grundstein für den Klimaschutz der kommenden Jahrzehnte legen.
Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass die Frage der Lastenteilung schnell zur „roten Linie“ gerät und die Verhandlungen gefährdet. Besser wäre es deshalb, den Begriff der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“ als Katalysator zu begreifen – als Katalysator für einen Transformationsprozess, der anerkennt, dass unterschiedliche Staatengruppen unterschiedliche Aufgaben und Pflichten haben.
Hohe Erwartungen an die Schwellen- und Entwicklungsländer
Die wohlhabenden Länder müssen rasch auf CO2-arme Wirtschaftsweisen umschwenken. Von den Schwellen- und Entwicklungsländern hingegen wird etwas erwartet, das es so noch nie gegeben hat: Sie sollen stabile Gesellschaften entwickeln, ohne auf fossile Energien und auf Methoden der Landnutzung zu setzen, die mehr als ein Jahrhundert als Basis für wirtschaftlichen Erfolg galten.
Das ist eine der größten Herausforderungen, vor denen Länder je gestanden haben – und sie wird noch dadurch verschärft, dass es genau die Länder sind, in denen nicht nur der größte Teil der Weltbevölkerung lebt, sondern die in den kommenden Jahrzehnten auch den größten Entwicklungsbedarf haben. Ob es ihnen gelingt, die für einen solchen Wandel nötige Kraft aufzubringen, hängt zu einem guten Teil davon ab, wie die internationale Gemeinschaft den Begriff „gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung“ im Abschlussdokument von Paris definieren wird.
Klimafinanzierung und Technologietransfer
Das heißt vor allem, dass es klare Vereinbarungen zur Klimafinanzierung und zum Technologietransfer geben muss. Beide werden fälschlicherweise immer wieder als Wohltat für die armen Länder dargestellt. Aber wenn wir den Klimawandel als etwas begreifen, das wir wegen seiner katastrophalen Folgen gemeinsam abwenden müssen, dann ist die Klimafinanzierung nicht eine Frage von Mildtätigkeit, sondern liegt schlicht in unserem eigenen Interesse. So gedacht, muss Klimaschutz in den entwickelten Staaten und ebenso in den Entwicklungsländern stattfinden, wobei die finanzielle und technologische Unterstützung von den Industrieländern geleistet werden muss. Diese zusätzliche Anstrengung braucht es, um das Problem zu bewältigen.
Künftige Generationen werden uns daran messen, wie wir mit diesem Problem umgegangen sind – einem Problem, für das wir Lösungen und genügend Finanzmittel haben. Sollten wir scheitern, weil wir uns auf eine angemessene Aufgabenteilung nicht einigen konnten – was werden sie dann über uns denken?
Mary Robinson, ehemalige Präsidentin Irlands und frühere Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, ist heute Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für den Klimawandel.
aus akzente 3/15
Klarmachen zur Wende
Essay: Klima
Faktor Stadt
Infografik: Klima
„Millionen Betroffene“
Interview: Klimaflüchtlinge