Reportage

Sonnensystem

Schluss mit der Plackerei beim Bewässern von Feldern: Eine Ausbildungsfarm in Benin wird mit einer Solarpumpe zum Vorbild.

Text und Fotos
KATRIN GÄNSLER

Zwei Kilometer. So weit musste Odette Kpadonou früher jeden Liter Wasser schleppen. Bei mehr als 30 Grad Celsius, hoher Luftfeuchtigkeit und praller Sonne lief sie zu einem entfernten Brunnen. Alles, damit die Pflanzen auf den sorgfältig angelegten Feldern nicht vertrockneten. Heute trägt die 19-Jährige die grüne Gießkanne nur wenige Meter von der Zapfstelle, um gemeinsam mit zwei anderen Frauen den Bitterspinat, der gerade angebaut wird, zu gießen. Die drei arbeiten auf einem Ausbildungsbauernhof im westafrikanischen Benin. Die Farm trägt den Namen „Monseigneur Isidore de Souza“ – benannt nach dem früheren katholischen Erzbischof von Cotonou. Die Wirtschaftsmetropole und die Farm liegen nur 60 Kilometer voneinander entfernt. Doch der Kontrast zu der pulsierenden Großstadt könnte nicht größer sein.

Feld statt Klassenzimmer: Die Ausbildungsfarm  „Monseigneur Isidore de Souza“ bietet den angehenden Bäuerinnen viel praktischen Unterricht an.  Rechts: Verwalter Eddy Guehou informiert sie über die neue Solartechnologie.
Feld statt Klassenzimmer: Die Ausbildungsfarm „Monseigneur Isidore de Souza“ bietet den angehenden Bäuerinnen viel praktischen Unterricht an.

Die Farm in dem kleinen, 1.200 Menschen zählenden Ort Tangnigbadji im Süden des Landes hat keinen Stromanschluss. Das ist in Benin nicht ungewöhnlich. 2018 verfügten lediglich 30 Prozent der Bevölkerung über einen Zugang zum Stromnetz. Auch der Ausbildungsbauernhof musste bis vor zwei Jahren Licht mit einem Generator erzeugen. Doch der war laut, stank und vor allem kostete der Dieseltreibstoff viel Geld. Pro Monat waren das mindestens 40.000 CFA-Franc – umgerechnet 61 Euro. „Deshalb konnten wir ihn nur abends anstellen“, weiß Wilfried Godjo. Der Priester leitet seit zwei Jahren das Ausbildungszentrum von Tangnigbadji. Keine Chance, mit dem Generator auch noch eine Wasserpumpe für eine Leitung zum nächsten Brunnen anzutreiben. „Ständig mussten wir überlegen, woher wir Wasser bekommen“, erinnert sich Godjo. Doch 2018 kam die Wende. Godjo zeigt auf die Sonnenkollektoren, die zum Herzstück der Farm geworden sind. Installiert hat sie das Unternehmen Jesuton aus Cotonou. Die Firma ist Partner von Energising Development (EnDev). Die GIZ setzt das Programm in Benin und 24 anderen Ländern federführend um. Finanziert wird es von den Regierungen Deutschlands, Großbritanniens, der Niederlande, Norwegens, der Schweiz und (bis 2019) Schwedens. EnDev trägt dazu bei, mehr Haushalte, soziale Institutionen und kleine Unternehmen in Afrika, Asien und Lateinamerika mit nachhaltiger Energie zu versorgen.

Verwalter Eddy Guehou informiert sie über die neue Solartechnologie.
Verwalter Eddy Guehou informiert sie über die neue Solartechnologie.

Licht zum Lesen- und Schreibenüben

Auf der Farm in Tangnigbadji baute die Firma Jesuton mit Unterstützung von EnDev Solarkollektoren auf. Mit Sonnenenergie betreiben sie jetzt unter anderem eine Wasserpumpe, die das anstrengende und zeitaufwendige Wasserschleppen überflüssig macht. „Das ist eine große Erleichterung“, sagt Wilfried Godjo. Mehr noch: Die Sonnenenergie hat der Farm zusätzlichen Aufschwung gegeben. Für die 37 jungen Frauen, die auf dem Hof wohnen und lernen, gibt es jetzt auch abends mehr Veranstaltungen. Auf dem Stundenplan steht etwa ein Alphabetisierungskurs. „So können wir das Ausbildungsniveau verbessern“, sagt Eddy Guehou, der für die Verwaltung der Farm zuständig ist.

Die Solarkomponente des Projekts in Zahlen

93.000 Menschen
in Benin haben bis 2019 Zugang zu nachhaltiger Energie erhalten.

 

270
Solar-Wasserpumpen wurden installiert.

 

59.000
Solarkits für Haushalte wurden gefördert.

 

Kontakt: endev@giz.de

Die gute Qualifikation der Kleinbäuerinnen und -bauern und die nachhaltige Stromversorgung sind von zentraler Bedeutung für die Landwirtschaft Benins. Sie ist einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren. 80 Prozent aller Exportgüter werden auf den Feldern produziert, vor allem Baumwolle und Früchte. Rund zwei Drittel der knapp 12 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner finden hier Arbeit. Die ist häufig jedoch sehr mühselig. Der Aufwand ist hoch und die Erträge sind eher gering. Nach Angaben der Weltbank lebten 2015 mehr als 40 Prozent der Menschen in Benin unterhalb der Armutsgrenze.

„Ich fühle mich stark und werde für mich selbst sorgen können.“

Odette Kpadonou, Auszubildende auf der Farm „Monseigneur Isidore de Souza“

Beispiel für nachhaltige Landwirtschaft

Ausbildungsbauernhöfe wie der in Tangnigbadji sollen eine produktivere und nachhaltige Landwirtschaft fördern. In der Region hat der Hof Maßstäbe gesetzt. Ob Solarenergie oder der Anbau von Gemüse im Schatten der Ölpalmen: Nach anfänglicher Skepsis schauen sich die Menschen in den Dörfern erste Ideen ab.

Direktor Wilfried Godjo ist von der Solaranlage  begeistert. Sie macht das Bewässern der Felder  leichter und liefert den Dörfern ein Beispiel für  positive Veränderungen in der Landwirtschaft – dazu zählt auch der Gemüseanbau unter den Palmen.
Direktor Wilfried Godjo ist von der Solaranlage begeistert. Sie macht das Bewässern der Felder leichter und liefert den Dörfern ein Beispiel für positive Veränderungen in der Landwirtschaft – dazu zählt auch der Gemüseanbau unter den Palmen.

Odette Kpadonou sieht die Ausbildung auf der Farm in Tangnigbadji als Fundament für eine gute Zukunft. Sie hat gelernt, wie man Setzlinge großzieht, die Felder effektiv bestellt und wie Solarenergie die Arbeit leichter macht. Endlich Erfolgserlebnisse, nachdem sie die Schule mit 14 Jahren abgebrochen hatte. „Dort hatte ich wenig verstanden“, gibt sie zu. Zu den Herausforderungen gehörte, dass die Unterrichtssprache Französisch war. Gerade in ländlichen Gegenden spricht im Alltag jedoch kaum jemand die Amtssprache. Im Süden Benins ist beispielsweise die Sprache Fon stärker verbreitet. Folglich fällt es vielen Kindern und Jugendlichen schwer, dem Schulunterricht auf Französisch zu folgen. Das war jedoch nicht der einzige Grund für ihren Schulfrust, sagt die junge Frau und blickt auf das Feld voller Bitterspinat. „Mir liegt die praktische Arbeit einfach mehr.“

Die 19-Jährige ist bereit, Gemüsebäuerin zu werden. Sie hat das handwerkliche Können, um gute Erträge zu erwirtschaften. „Ich will gutes Geld verdienen.“ Das sei vor allem für Frauen wichtig, die in Dörfern leben, weiß Odette Kpadonou: „Viele heiraten sehr jung, wenn sie keine Unterstützung von ihren Eltern bekommen, oder sie werden unfreiwillig schwanger.“ Nach dem fünfjährigen Training – da ist sich Odette Kpadonou ganz sicher – ist sie ­besser auf die Zukunft vorbereitet. „Ich fühle mich stark und werde für mich selbst sorgen können.“

Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:

 

 

 

 

 

 

aus akzente 3/20