Frauenförderung in Afrika
Malis neue Chefinnen
Klack-klack-klack – hin und her schießt das kleine Holzschiffchen. Dazwischen kracht der Webrahmen. „Das Schwierigste ist die Koordination“, sagt Colette Traoré. Mit dem rechten Fuß steigt sie auf ein Pedal – die gespannten Kettfäden öffnen sich zu einer Lücke. Die rechte Hand zieht an ei-nem Seil, das Schiffchen rast hindurch. Von einer Spule wickelt sich der Faden ab, mit dem linken Arm zieht Traoré ihn fest. 42 Jahre alt ist sie, ihr halbes Leben arbeitet sie schon als Weberin.
In Ségou, nordöstlich der Hauptstadt Bamako, hat sie sich ein eigenes Unternehmen aufgebaut. Ihre zehn Angestellten nennen sie „Tanti“. Traoré hat sich schick gemacht an diesem Nachmittag. Das blaue Gewand mit den aufwendigen Stickereien leuchtet vor den gräulichen Wänden, genauso wie das Gold um ihren Hals. In ihrem Auftreten liegt Stolz – Stolz auf den Erfolg. „Ich bin hier die Chefin“, sagt sie.
In Mali leben 66 Prozent der Bevölkerung in Armut, besonders betroffen sind die Frauen. Von klein auf werden sie auf ihre Rolle als Hausfrau vorbereitet. Statt in die Schule zu gehen, müssen Mädchen oft zu Hause aushelfen. 69 Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren sind Analphabetinnen. Unternehmerinnen wie Colette Traoré sind die Ausnahme. Deswegen ist ihre Geschichte die eines Triumphs über eine Gesellschaft, in der Männer das Sagen haben.
Ausbildung zur Weberin
Aufgewachsen mit fünf Brüdern und einer Schwester, arbeitet Colette Traoré bereits im Alter von zwölf Jahren. Sie sortiert die Steinchen aus der Baumwolle, die ihre Mutter zu dünnen Fäden spinnt. Bis heute kann Traoré nicht schreiben. „Ich musste irgendetwas lernen, um überleben zu können“, erzählt sie. Mit 17 will sie sich in einer Textilfabrik zur Weberin ausbilden lassen. Der Ausbilder weist sie ab: „Das schaffst du nicht. Du bist eine Frau.“
Traoré findet schließlich in einem älteren Mann einen Fürsprecher, den auch der Ausbilder achtet. Sie kann die Lehre beginnen, umgeben von Männern, die ihr einreden, völlig ungeeignet zu sein. Als die sechs Monate vorbei sind, ist sie die Einzige aus der Lehrlingsgruppe, die nicht aufgegeben hat. Trotz Schmerzen in den Schultern und Armen. „Heute sagt mein Meister, ich sei seine beste Schülerin gewesen“, sagt Traoré, lacht und klatscht die Hände zusammen. Es klingt ein bisschen nach Schadenfreude.
Mit anderen Frauen eine Kooperative gegründet
Nach der Ausbildung mietet Traoré einen Webstuhl und verkauft ihre Stoffe auf dem Markt. 2004 schließt sie sich mit anderen Kunsthandwerkerinnen zu der Kooperative Affat zusammen. Gemeinsam kaufen sie sich einen ersten Webstuhl. Sie produzieren Stoffe, die in Nähereien zu Kleidern oder Bettwäsche verarbeitet werden. Das Geschäft läuft gut. Wer die Mitgift für eine Hochzeit zusammenstellt, kommt zu Affat. Genauso wie die Touristen.
Doch 2012 bricht in Mali überraschend Krieg aus. Das Land wird in seiner wirtschaftlichen Entwicklung weit zurückgeworfen. Affat überlebt, obwohl die Touristen fernbleiben. Mehr noch, Traoré liefert ihre Stoffe heute sogar an Käufer außerhalb Malis, beispielsweise in Sierra Leone.
Förderung für kleine und mittlere Betriebe
Unterstützt hat sie die GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie der Europäischen Union. Das Ziel: die Wirtschaft auf lokaler Ebene in Gang zu bringen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Frauen. Sie sollen in ihrem Engagement und Ideenreichtum bestärkt werden. Deshalb werden kleine und mittlere Betriebe gefördert, die von Frauen geführt werden – darunter die Weberei von Colette Traoré. In speziellen Kursen lernen die Teilnehmerinnen beispielsweise, wie man ein Gewerbe anmeldet, Buchhaltung macht oder Mikrokredite beantragt. Ein zentraler Lehrinhalt der Kurse ist auch das Marketing, das den Frauen hilft, ihren Kundenkreis langfristig zu erweitern.
Traoré hat so die Möglichkeit bekommen, an Messen in Bamako oder in Malis Nachbarland Senegal teilzunehmen. Außerdem erhielt ihre Weberei eine finanzielle Förderung. So kann sie sich zusätzlich einen neuen Handwebstuhl kaufen, um größere Mengen Stoff zu verarbeiten.
Verdienst über dem gesetzlichen Mindestlohn
Die Weberei verdoppelte durch die Unterstützung ihren Jahresgewinn von umgerechnet 1.500 Euro auf 3.000 Euro. Traoré verdient heute im Monat bis zu 75 Euro. Damit liegt sie über dem gesetzlichen monatlichen Mindestlohn des Landes von 61 Euro. Es gab Zeiten, da verdiente sie mehr als ihr Mann, ein Lehrer. „Mittlerweile ist er Direktor der Schule und wir verdienen ungefähr das Gleiche“, sagt sie.
Die zwei Töchter des Ehepaars müssen nie in der Weberei mithelfen. Die Älteste geht auf ein Gymnasium, sie will Rechtsanwältin werden. Die Jüngere möchte später im Gesundheitsbereich arbeiten.
Die Lebenslagen der geförderten malischen Frauen sind unterschiedlich. Einerseits gibt es Frauen wie Colette Traoré, die bereits erfolgreich Unternehmen aufgebaut haben und sich noch weiterentwickeln wollen. Andererseits sind da Frauen, die einer Unterstützung bedürfen, um ihr Potenzial überhaupt erst entfalten zu können. Frauen wie Néné Bakadji. Sie war so arm, dass ihr ältester Sohn die Schule verlassen musste, um seine Mutter zu unterstützen. Etwa zur selben Zeit kehrte ihr der Ehemann den Rücken.
Fortbildungen für Unternehmerinnen
Die 45-Jährige sitzt im Hof ihres Hauses, taucht ein weißes Baumwolltuch in die Bottiche und zieht einen klatschnassen schwarzen Klumpen wieder heraus. Sie wringt und wringt, bis kein schwarzes Wasser mehr aus dem Stoff tropft. Eine der drei Angestellten schaut zu.
Schon seit ihrer Jugend färbt Bakadji Stoffe und bedruckt sie mit traditionellen Mustern. Früher hat sie an einem Markttag vielleicht sechs ihrer Tücher verkauft. Heute dagegen bekommt sie durchaus schon mal Großbestellungen für etwa 40 Stück. Denn nach einer durch die GIZ geförderten Fortbildung lässt die Unternehmerin Visitenkarten drucken und schaltet Werbung bei Radiosendern. Außerdem reist sie zu Messen, um ihre Produkte bekanntzumachen. In Mopti führt sie nun einen eigenen Laden und liefert sogar bis nach Burkina Faso.
Néné Bakadji geht es heute gut. Mit ihrer Färberei versorgt sie die gesamte Familie. Vier Kinder und zwei Enkelkinder gehören inzwischen dazu – und ihr arbeitsloser, zurückgekehrter Ehemann. „Unsere Familie ist gerettet“, sagt sie. Doch als Chefin, so wie Colette Traoré und andere Frauen, will sie sich nicht bezeichnen. „Diese Rolle fällt immer noch dem Mann zu“, meint sie.
> Ansprechpartner: GIZ Mali giz-mali@giz.de
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