Impuls für den Umschwung

Die GIZ unterstützt Partnerländer auf einem sozial-ökologischen Weg in die Zukunft. Das ist eine nachhaltige Antwort auf die Folgen der Pandemie.

Ein Beitrag von ULRICH HÖCKER

  ULRICH HÖCKER  

leitet in der GIZ die Abteilung „Wirtschaft, Beschäftigung, Soziale Entwicklung“.
ulrich.hoecker@giz.de

Die Corona-Pandemie trifft alle, aber nicht alle Menschen gleich. Das gilt für die Gesundheit wie auch für die wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Entwicklungs- und Schwellenländer werden 2020 die erste Rezession seit langem erleben. Viele der internationalen Entwicklungsfortschritte sind gefährdet. Die Vereinten Nationen rechnen erstmals seit 20 Jahren mit einem Anstieg der globalen Armut, vor allem in Südasien und Subsahara-Afrika.  

Durch die weltweit gesunkene Nachfrage wird auch ein Arbeitsplatzabbau in dreistelliger Millionenhöhe befürchtet. Allein im Tourismussektor sind nach UN-Angaben 100 Millionen Jobs gefährdet. Frauen sind von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie überproportional betroffen, verdienen sie doch ihren Lebensunterhalt (und den ihrer Familien) oft genau in jenen beschäftigungsintensiven Branchen, die vom Lockdown besonders tangiert waren: Dienstleistungen, Textilwirtschaft, Handel, Elektroindustrie und Fahrzeugzulieferung. In Ländern ohne soziale Absicherung stehen die Arbeitnehmer*innen oft vor dem Nichts. Corona führt uns vor Augen, wie wichtig nachhaltige Strukturen wie ein solides Gesundheits- oder Sozialsystem sind. Und genau darauf zielt die Arbeit der GIZ im Auftrag der Bundesregierung ab: Menschen und Institutionen zu stärken, um Länder und ihre Bevölkerung resilienter zu machen.

Ein Beispiel dafür ist das digitale Krankheitsüberwachungssystem SORMAS. Es wurde in den vergangenen sechs Jahren mit Unterstützung der GIZ entwickelt und verbessert den Gesundheitsschutz in Ländern der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Inzwischen wird SORMAS in vielen nigerianischen Bundesstaaten sowie in Teilen Ghanas eingesetzt – mehr als 130 Millionen Menschen leben in diesen Regionen. Dort können 20 Infektionskrankheiten schnell erfasst und dokumentiert werden – auch Covid-19. Das zeigt zweierlei: In einer akuten Krise zahlt es sich aus, auf bewährte Tools und Netzwerke zurückgreifen zu können. Das ist effizient und verhindert, dass die Beteiligten überfordert werden. Das App-basierte System SORMAS macht auch deutlich, welches Potenzial digitale Lösungen haben.

In Kambodscha hatten wir in den vergangenen zehn Jahren gemeinsam mit Partnern die Datenbank „ID Poor“ entwickelt und aufgebaut. Zwei Millionen arme Menschen sind dort registriert. Während der Pandemie konnte mit diesen Informationen ein System zur digitalen Auszahlung von Nothilfe über „mobile money“ organisiert werden. Etwa für Menschen, die zuvor im informellen Sektor arbeiteten und deren kleines Einkommen wegbrach. Langfristig soll die Datenbank in das soziale Sicherungssystem des Landes integriert werden.  

Diese Weiterentwicklung von bestehenden Werkzeugen und Strukturen zeigt, dass die Krise auch Kreativität und Innovationskraft geweckt hat. Es wird improvisiert, digitalisiert, verknüpft und Ressourcen werden neu genutzt. In Moldau konnten wir drei Automobilzulieferer und eine Textilfirma dabei unterstützen, die Produktion von Autoschutzhüllen auf medizinische Schutzbekleidung umzustellen. So wurden innerhalb kurzer Zeit mehr als 1.000 Arbeitsplätze gesichert.

Und bei der Ausbildung nutzen wir Kommunikationsformen wie „Distancelearning“, etwa in Timor-Leste. Als das Reisen wegen der Corona-Vorschriften nicht möglich war, bot das landwirtschaftliche GIZ-Team Liveschaltungen per Video an. So konnten die Teilnehmer*innen direkt auf dem Feld neue Techniken ausprobieren. Nach positiven Rückmeldungen sollen vermehrt Videokurse eingesetzt werden, auch um Flugreisen zu reduzieren.

Wir sollten die Corona-Krise als Impuls für einen Umschwung nutzen, um auf neuen Wegen die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zu erreichen. In Politik, Wirtschaft und Gesellschaft laufen die Diskussionen über „Green Recovery“ auf Hochtouren. Es geht nun darum, die Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise mit einer Transformation der Volkswirtschaften hin zu weniger Emissionen, mehr sozialer Gerechtigkeit und höherer Resilienz zu verbinden.

Wir können unsere Partnerländer etwa dabei unterstützen, gute wirtschaftspolitische Strategien und Konjunkturprogramme vorzubereiten, die auf diesen Ebenen wirken. Wir arbeiten zudem daran, ­lokale Unternehmen in unseren Partnerländern beim Erschließen von grüneren Marktchancen zu unterstützen, um so die Krise zu überwinden. Die GIZ kann mit ihrer Expertise Ideen dazu liefern und Beispiele der sinnvollen Umsetzung. Damit aus Wunsch Wirklichkeit wird.

aus akzente 3/20