Vanilleanbau auf Madagaskar

Für ein besseres Leben

Die Symrise AG unterstützt mit Hilfe der GIZ Bauern auf Madagaskar – und erhält Vanille von höchster Qualität. Ein Projekt mit der Privatwirtschaft im Rahmen von develoPPP.de.

Text
Timot Szent-Ivanyi
Fotos
Guy Stubbs

Die Frage kommt René Totoantsarika reichlich komisch vor. „Vanilleeis?“ Er zieht die Stirn kraus. Nein, so etwas habe er in seinem ganzen Leben noch nicht probiert. Aber irgendetwas mit Vanille müsse er doch schon einmal gegessen haben, wundert sich der Besucher. Totoantsarika denkt eine Weile nach und stützt sich auf seine Machete. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht: Ja klar, Kekse! Kekse mit Vanille habe er schon einmal gekostet. Lecker seien die gewesen, erinnert er sich. Leichtfüßig tritt der Mittvierziger durch das Unterholz auf einen kleinen Baum zu, der mit einer erbsengrünen Kletterpflanze bewachsen ist. Er prüft ihre Wurzel, streicht vorsichtig über die Blätter, kappt einige Ranken. Diese Pflanze und weitere, die in dem Waldstück wachsen, sind sein Schatz: René Totoantsarika ist Vanillebauer. Und er ist Teilnehmer eines Programms, mit dem die GIZ die Lebensbedingungen von Kleinbauern auf Madagaskar verbessert. Dabei kooperiert die GIZ mit den Firmen Unilever und Symrise.

Vanille ist nicht nur eines der weltweit beliebtesten Gewürze, es ist auch eines der kostbarsten: Nur Safran ist noch teurer als die „Königin der Gewürze“. Heute stammen rund 80 Prozent der weltweit verkauften natürlichen Vanille aus Madagaskar, das meiste davon aus der fruchtbaren Sava-Region im Nordosten. Hier lebt auch Totoantsarika, im Dorf Maroambihy.

Er hofft auf Verbesserung: Vanillebauer René Totoantsarika, hier vor seinem Haus auf Madagaskar, verfolgt die Angebote von Symrise aufmerksam.
Er hofft auf Verbesserung: Vanillebauer René Totoantsarika, hier vor seinem Haus auf Madagaskar, verfolgt die Angebote von Symrise aufmerksam.

Der Vanilleanbau ist aufwändig

Geduldig erklärt Totoantsarika, wie aufwendig der Anbau von Vanille ist. Die Kletterpflanze gedeiht am besten im Dickicht des Dschungels und braucht bis zur ersten Blüte mindestens drei Jahre. Jede Blüte muss einzeln per Hand bestäubt werden, denn die auf die Vanille-Orchidee spezialisierten Bienen- und Kolibriarten gibt es ausschließlich in Mittelamerika. Die gelbgrünen Blüten blühen nur nacheinander auf und verwelken ebenso, jede Blüte für sich, schon nach wenigen Stunden. „Allein mit dem Bestäuben bin ich wochenlang beschäftigt“, berichtet Totoantsarika. Er macht vor, wie es geht: Mit einem Holzstäbchen wird die Narbe vorsichtig angehoben, anschließend der Pollen behutsam auf die Spitze der Narbe gedrückt. Die grünen Schoten, die schließlich geerntet werden, erhalten den charakteristischen Geschmack und die schwarze Farbe erst später, durch Fermentierung.

Doch so aufwendig der Vanilleanbau auch ist – zum Leben reicht er kaum. Totoantsarika lädt zu sich nach Hause ein: eine Holzhütte, vielleicht neun Quadratmeter groß, darin zwei Betten für sich und seine Frau sowie den fünfjährigen Sohn und die zweijährige Tochter. Tisch und Regal, ein kleines Radio, eine Taschenlampe und zwei Koffer mit Bekleidung. Unweit des Hauses liegt ein kleines Reisfeld, das Totoantsarika von seinen Eltern geerbt hat. „Aber damit kann ich meine Familie nicht satt bekommen“, sagt er.

Starke Preisschwankungen

Die geernteten Vanilleschoten verkauft Totoantsarika in der Regel an Zwischenhändler. Da der Preis allerdings stark schwankt – 2004 erreichte er auf dem Weltmarkt mehr als 500 Dollar je Kilogramm, nur um kurz danach auf 20 Dollar abzustürzen –, weiß er bis zum Markttag nicht, welchen Lohn er für seine Arbeit erhält. Viele Bauern sind aus Geldnot sogar gezwungen, unreife Schoten zu besonders niedrigen Preisen zu verkaufen.

Gute Investition

Mit develoPPP.de fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung das Engagement der Privatwirtschaft dort, wo unternehmerische Chancen und entwicklungspolitischer Handlungsbedarf zusammentreffen. Seit 1999 hat die GIZ mehr als 700 Partnerschaften begleitet.

Die Symrise AG aus dem niedersächsischen Holzminden ist der viertgrößte Duft- und Aromenhersteller der Welt und Zulieferer des Konzerns Unilever. Seit Jahren kauft Symrise Vanille aus Madagaskar. Doch die Unzufriedenheit wuchs. „Wir wussten nie, ob wir über die Zwischenhändler genügend Vanille in guter Qualität aufkaufen können“, berichtet Clemens Tenge, Vanilleexperte bei Symrise. Deshalb entschloss sich das Unternehmen 2006, an Ort und Stelle aktiv zu werden. „Wir haben unser eigenes Team aufgebaut und kaufen jetzt direkt von den Kleinbauern“, so Tenge. Das klingt einfacher, als es ist. Denn die Konkurrenz durch viele Zwischenhändler ist groß. Und die Kleinbauern binden sich traditionell nicht längerfristig an ein Unternehmen, sondern entscheiden Jahr für Jahr neu, an wen sie ihre Vanille verkaufen. Dagegen hilft nur eine langfristige Strategie, die Tenge so zusammenfasst: „Wir bauen Vertrauen auf.“

Zuschuss zur Krankenversicherung

Das Geld, das Symrise durch die Umgehung der Zwischenhändler spart, gibt das Unternehmen nun unter anderem dafür aus, die Bauern in besseren Anbaumethoden zu schulen. Damit will es die Qualität dauerhaft erhöhen. Auch im sozialen Bereich engagiert sich das Unternehmen: Es gewährt Vorschüsse, bezuschusst eine Krankenversicherung und bezahlt Lehrer an Grundschulen der Region. Hinter alldem steht ein Prinzip: Wir helfen euch und ihr verkauft uns hochwertige Vanille.

An dieser Stelle kommt die GIZ ins Spiel, die von Symrise beauftragt wurde. Die Motivation mag unterschiedlich sein, doch die Ziele sind identisch. „Wir wollen ein besseres Leben für die Kleinbauern erreichen“, sagt Alan Walsch von der GIZ. „Wenn wir das durch eine Zusammenarbeit mit Unternehmen schaffen und am Ende beide Seiten profitieren, ist das eine echte Win-win-Situation“, meint er. Mittlerweile arbeiten GIZ und Symrise mit 4.000 Bauern zusammen. „Wir werden als ehrliche Vermittler gesehen“, berichtet Walsch.

Schulungsfelder für vielfältigen Anbau

Beraten durch die GIZ, fördert Symrise die Bildung von Kooperativen, damit die Kleinbauern die Arbeit besser aufteilen und gemeinsam ihre Interessen vertreten können, beispielsweise bei Preisverhandlungen. Das steht nur scheinbar im Widerspruch zu den Interessen des Unternehmens, schließlich will Symrise nicht mit jedem Bauern einzeln verhandeln. Auch Vanillebauer Totoantsarika ist Mitglied einer Kooperative – für ihn ein Vorteil: „Wir helfen uns bei der Bewachung der Felder“, sagt er und erklärt, dass die tief im Dschungel liegenden Plantagen bisweilen von Dieben heimgesucht werden.

Drei Jahre dauert es, bis die Kletterpflanze Vanille zum ersten Mal blüht, wie hier auf der Plantage von René Totoantsarika auf Madagaskar.
Drei Jahre dauert es, bis die Kletterpflanze Vanille zum ersten Mal blüht, wie hier auf der Plantage von René Totoantsarika auf Madagaskar.

Auf Schulungsfeldern lernen die Landwirte von der GIZ, wie Gemüse, Nüsse und Obst angebaut werden. Ziel ist, dass sich die Familien über das ganze Jahr hinweg mit verschiedenen Lebensmitteln aus eigener Produktion versorgen können und nicht nur auf Vanille und Reis setzen. Aber warum hat Symrise daran ein Interesse? „Wenn ich nicht weiß, was ich morgen essen kann, kümmere ich mich sicherlich nicht um die Qualität von Vanillepflanzen“, sagt Walsch von der GIZ. Gegen übermäßigen Reisanbau spreche auch, dass er den Boden auslauge. Eine Balance ist auch deshalb wichtig, weil die Bauern, um neue Flächen für Reis zu gewinnen, den Urwald roden. Der steht dann wiederum nicht mehr für den Vanilleanbau zur Verfügung.

Sind die Marktpreise für Vanille fair?

Das Vertrauen der Bauern zu gewinnen, ist nicht leicht. Vanillebauer Totoantsarika etwa hat an Schulungen teilgenommen und Neues über den Vanilleanbau gelernt. Trotzdem verkaufte er in diesem Jahr nur wenige Kilogramm Vanilleschoten an Symrise. „Wir haben hier schon viele Versprechen gehört“, sagt er. Er wolle erst einmal sehen, wie es weitergehe. „Die Krankenversicherung ist natürlich klasse“, meint er, denn Ärzte seien extrem teuer. „Wenn Symrise es ernst meint und die Angebote dauerhaft laufen, dann sind sie meine Partner, keine Frage“, sagt er.

Eine Klage hört man immer wieder von den Bauern: „Der Preis, den wir für unsere Vanille bekommen, ist viel zu niedrig“, meint Edward Todisoa, Chef einer Kooperative. Symrise sagt, dass sich das Unternehmen aus Wettbewerbsgründen nicht vom Weltmarktpreis abkoppeln könne. Der bewegt sich derzeit bei um die 80 Dollar für ein Kilogramm schwarze Vanille. Die Bauern erzielen für die unbearbeiteten grünen Schoten etwa die Hälfte. Fermentiert brächte die Vanille in der Regel mehr ein, doch das Verfahren ist zu aufwendig für die meisten Bauern.

Wie fair ist der Preis, den sie erhalten? Niemand weiß es. Um das zu ändern, untersucht die GIZ zurzeit in einer Studie die finanziellen Verhältnisse der Bauern und wie viel sie der Vanilleanbau überhaupt kostet. Denn kaum ein Bauer führt Buch über Einnahmen und Ausgaben, auch René Totoantsarika nicht. Wie viel er verdient, darüber will oder kann er nichts sagen. „Zu wenig“, meint er nur. Dabei sei es wichtig, Geld zurücklegen zu können: „Meine Kinder sollen doch einmal studieren.“

Ansprechpartner: GIZ Madagaskar giz-madagaskar@giz.de

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KLEINBAUERN FÖRDERN

Projekt: Verbesserung der Lebensbedingungen von Vanillebauern
Land: Madagaskar
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Partner: Unilever und Symrise
Beginn: 2014

Vier Fünftel der weltweit verkauften natürlichen Vanille stammt aus Madagaskar. Obwohl die dort produzierte „Bourbon“-Vanille auf dem Weltmarkt hohe Preise erzielt, erhalten diejenigen, die die Vanille in aufwendiger Arbeit anbauen, nur einen kleinen Teil der Gewinne. Um die Lebensbedingungen der Vanillebauern zu verbessern, arbeitet die GIZ mit dem Nahrungsmittelkonzern Unilever und dem Aromen- und Duftstoffhersteller Symrise zusammen. Derzeit beliefern rund 4.000 Bauern Symrise mit Vanilleschoten. Ziel des Projektes ist es unter anderem, die Qualität der Vanille zu erhöhen, damit die Bauern höhere Preise verhandeln können. Gleichzeitig soll aber auch ihre Abhängigkeit von der Vanille durch eine Diversifizierung der angebauten Feldfrüchte verringert werden.
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