Gastbeitrag

Bildung ins Zentrum der Partnerschaft zu Afrika stellen

Ein Gastbeitrag von Patrick Awuah, dem Gründer und Präsidenten der Ashesi University in Ghana

Im Jahr 2050 lebt Schätzungen zufolge ein Viertel der Weltbevölkerung in Afrika. Mit 2,5 Milliarden Menschen wird der Kontinent dann den größten Arbeitsmarkt der Welt haben. Dieses drastische Bevölkerungswachstum wird alle gesellschaftlichen Bereiche belasten: Infrastruktur, Gesundheitswesen, Rechtsstaatlichkeit, Landwirtschaft, Nachhaltigkeit, Wettlauf um Ressourcen, und die Verfügbarkeit von Jobs. Selbst für die reichsten Länder der Welt wäre eine solche Zunahme schwer zu bewältigen. Falscher Umgang mit diesem Wachstum in Afrika könnte die Migrationskrise verstärken und zu Instabilität führen.

Doch die Bürger*innen Afrikas könnten auch eine wirtschaftliche Blüte und gesellschaftliche Verbesserungen bewirken. Die wachsende Nachfrage nach Nahrung, Kleidung und Wohnung befriedigen; für bessere Infrastruktur sorgen; gesellschaftliche Aufgaben wie Gesundheit, Bildung, Finanzen und sogar Freizeit in Angriff nehmen: all das bietet Chancen für Wachstum und Wohlstand, die Afrikas Bevölkerung nutzen kann. Dafür braucht es allerdings eine produktive Bürgerschaft sowie aufgeklärte und effiziente Führungsschichten.

Solche Bürger*innen und Führungspersönlichkeiten hervorzubringen und ein Umfeld zu schaffen, das sie stützt, sollte für die nächsten Jahrzehnte in den Beziehungen zwischen Afrika und der EU hohe Priorität haben. Und ich möchte behaupten, dass Ausbildung, Kompetenzen, Forschung und Innovation essenziell sein werden, wenn es um die Entwicklung von Afrikas Bevölkerung geht. Es ist erfreulich, dass dies auch so in der Grundlage der neuen Strategie mit Afrika von der EU-Kommission an das Europäische Parlament steht, die im März veröffentlicht wurde.

Lernen, Wissen und Innovation

Patrick Awuah

Die im Dokument vorgeschlagene Maßnahme 5, die von einer raschen Stärkung der Bereiche Lernen, Wissen und Innovation spricht, vor allem für junge Menschen und Frauen, muss als Herzstück einer umfassenden Gesamtstrategie für Afrika betrachtet werden. An der Ashesi University haben wir erlebt, wie Bildung zum Dreh- und Angelpunkt für Fortschritt werden kann. Seit unserer Gründung konnten wir beobachten, dass über 90 Prozent unserer Studierenden innerhalb von sechs Monaten nach dem Examen ihre berufliche Laufbahn beginnen, dass ungefähr 10 Prozent ein eigenes Unternehmen gründen und dass so gut wie alle in Afrika arbeiten. Überall auf dem Kontinent, im privaten wie im öffentlichen Sektor, sind unsere Studierenden als Führungskräfte und Impulsgeber für Veränderungen anerkannt.

So haben etwa vier Ashesi-Absolventen im Jahr 2007 DreamOval gegründet, ein Technologieunternehmen, das inzwischen digitale Dienstleistungen für zahlreiche afrikanische Organisationen zur Verfügung stellt und Millionen von Menschen dient. Gemeinsam mit Kooperationspartnern hat unsere Fakultät zudem Grundlage und Rahmen für das „Ghana Klima Innovationszentrum“ geschaffen. Dieses Zentrum hat 100 Menschen dabei geholfen, innovative Unternehmen aufzubauen, die gegen den Klimawandel arbeiten und einen klimafreundlichen Umbau von Hunderten Haushalten in Ghana fördern. Dadurch entstanden überdies noch Jobs und die Regierungspolitik konnte sich weiterentwickeln.

Unsere Absolvent*innen dienen auch in der ghanaischen Armee, eine*r von ihnen hat eine Friedensmission in Liberia geleitet, ein*e andere*r hat während der Corona-Krise bei der Luftwaffe lebensnotwendige Güter in gefährdete Gemeinden geschafft. Das Signal, das von Bildungsinstitutionen in Afrika ausgeht, ist gar nicht hoch genug zu einzuschätzen.

Die Fortschritte in allen fünf Schlüsselbereichen der geplanten EU-Afrika Strategie – grüne Wende und Energieversorgung; digitale Transformation; nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze; Frieden, Sicherheit, Governance und Stabilität; Migration und Mobilität – hängen von der Leistungsfähigkeit des Bildungssystems ab. Bei der Entwicklung einer neuen Strategie für die beiden Kontinente muss die EU deshalb institutionelle Partnerschaften zwischen beiden Seiten fördern und durch Investitionen stärken.

Europäische Bildungseinrichtungen sollten angeregt werden, aktive Partnerschaften mit ihren afrikanischen Gegenübern einzugehen, um die Bildungsergebnisse zu verbessern und das europäische Bewusstsein für die afrikanischen Märkte zu schärfen. Student*innen müssen ermuntert werden, von ihren Altersgenoss*innen überall auf dem anderen Kontinent zu lernen, um ihr Verständnis und ihre Beziehungen untereinander zu verbessern. Das wird ihnen später gute Dienste leisten, wenn sie in den kommenden Jahren die Beziehungen zwischen den Kontinenten prägen und pflegen.

Die Folgen der Pandemie so klein wie möglich halten

Ich hoffe, diese Erfordernisse geraten nicht aus dem Blick, wenn unsere beiden Kontinente sich unmittelbaren Themen wie Handel, Wachstum sowie der Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 annehmen. Die Corona-Pandemie hat in vielen Teilen der Welt langfristige Planungen und Fortschritte zunichte gemacht. Davon sind auch die Bildungsaussichten afrikanischer Bürger*innen und vor allem der künftigen Führungskräfte nicht ausgenommen.

Ein Bericht der Weltbank schätzt, dass die gegenwärtige Generation von Studierenden auf der ganzen Welt – von denen wegen der Pandemie fast eine Milliarde nicht an den Universitäten sein können – im Schnitt 0,6 Jahre ihres Studiums und insgesamt 10 Billionen Dollar an Lebensverdienst verlieren, werden nicht sofort Gegenmaßnahmen ergriffen. Dabei liegen junge Lernende in Afrika wohl eher am äußersten Ende dieser Durchschnittswerte.

Wenn die EU und Afrika jetzt also einen neuen Rahmen für ihre Partnerschaft ausarbeiten, ist es umso wichtiger, führende Vertreter des Bildungssektors mit an den Tisch zu holen. Es müssen gezielte Schritte unternommen werden, die Stabilität und Belastbarkeit von Bildungseinrichtungen in Afrika und die Kooperationen zwischen Institutionen auf beiden Kontinenten zu stärken. Alle Erträge dieser neuen Partnerschaft werden kurzlebig bleiben, wenn die beiden Kontinente bei der Ausbildung und Vorbereitung der kommenden Führungseliten, nicht eng zusammenarbeiten. Denn sie sind es, die den Fortschritt weitertragen sollen.