Ukraine Recovery Conference: Signal der Solidarität
GIZ-Vorständin Ingrid-Gabriela Hoven spricht vor der internationalen Wiederaufbaukonferenz über ihren Besuch in der Ukraine und den besonderen Einsatz des GIZ-Teams vor Ort.
Frau Hoven, Sie waren jüngst in der Ukraine. Welche Eindrücke haben Sie mitgebracht?
Ich war tief beeindruckt von der Widerstandskraft der Ukrainerinnen und Ukrainer und dem allseits spürbaren Willen, ihre Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Sie wollen sich fit machen für die EU, sind entschlossen, dafür zu kämpfen. Das gilt für alle Ebenen – von Ministerien bis zu den Kommunen, wo ich überall sehr engagierte Partnerinnen und Partner angetroffen habe.
Gleichzeitig ist in allen Gesprächen zu spüren, wie viel dieser Krieg den Menschen abverlangt – weil sie fliehen mussten, alles verloren haben, Familienmitglieder und Freunde betrauern. Ganz besonders den Kindern setzen diese Lebensumstände zu. Ich habe ein Land erlebt, das stark ist, obwohl es dauerhaft im Krieg lebt. Ein Land, das viel erdulden muss und sich mit aller Kraft dagegen wehrt.
Wie kann ein Wiederaufbau trotz des Krieges in der Ukraine gelingen?
Der Wiederaufbau ist schon in vollem Gange. Er findet mitten im Krieg statt, denn die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, Kinder wollen zur Schule gehen, die Energieversorgung muss funktionieren. Dort, wo etwas wegen russischer Angriffe ausfällt, wo das tägliche Leben der Menschen und die Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden, bauen wir bereits jetzt wieder auf.
Es geht jedoch nicht allein um Gebäude und Infrastruktur. Unterstützung erfolgt auch dort, wo Menschen an Körper und Geist verletzt worden sind. Es geht um medizinische Versorgung, etwa im neuen Unbroken-Zentrum für Orthopädietechnik in Lwiw, in dem rund 1.200 Prothesen jährlich für Kriegsversehrte hergestellt werden können. Und traumatisierte Menschen brauchen psychologische Unterstützung. Mit alldem können wir nicht warten.
Wie blicken Sie auf die internationale Wiederaufbaukonferenz in Berlin?
Die Konferenz wird ein Signal der Solidarität mit der Ukraine aussenden. Gerade in der jetzigen Phase, nach fast zweieinhalb Jahren Krieg, ist so ein Zeichen der gemeinsamen Unterstützung besonders wichtig. Damit zeigen wir den Menschen dort, dass wir an ihrer Seite bleiben. Schätzungen zufolge sind schon jetzt Schäden entstanden, deren Gesamtkosten sich auf knapp 500 Milliarden US-Dollar belaufen. Und jeden Tag kommt mehr dazu. Die Angriffe gehen weiter.
Dass sich die internationale Gemeinschaft angesichts dieser Lage in Berlin zusammenfindet, um Zusammenhalt zu demonstrieren und auch die EU-Beitrittsperspektive der Ukraine zu bekräftigen, halte ich für unabdingbar.
Wie sieht die laufende Arbeit der GIZ in der Ukraine aus?
Wir sind seit mehr als 30 Jahren in der Ukraine tätig. Unsere derzeitigen Schwerpunkte liegen beim Wiederaufbau und beim EU-Beitritt. Konkret arbeiten wir an vier Kernthemen: gute Regierungsführung, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, grüne Energieversorgung und gesellschaftlicher Zusammenhalt sowie angesichts der Kriegssituation auch verstärkt im Gesundheitsbereich. Wir setzen aktuell 45 Projekte in der Ukraine um. Sie alle zielen auch darauf ab, widerstandsfähig zu bleiben gegenüber der russischen Aggression.
Was sind die Herausforderungen der GIZ-Mitarbeitenden in der Ukraine?
Sie arbeiten unter extremen Belastungen und zeigen trotzdem ein unglaubliches Engagement. Dass wir in der Ukraine tätig sein können, so wie wir es derzeit sind, ist zwei Gründen zu verdanken: Wir haben aufgrund unserer jahrelangen Präsenz dort ein breites Netz an Kontakten und unsere Mitarbeitenden sind exzellent qualifiziert. Beides sind zentrale Faktoren dafür, dass wir weiter wirkungsvoll tätig sein können – und unsere Arbeit bei den Ukrainerinnen und Ukrainern vor Ort ankommt. An dieser Stelle möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine noch einmal meinen Dank aussprechen. Denn ohne ihre Expertise und ihren Einsatz wäre unsere Arbeit für die Ukraine nicht möglich.