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Ukraine’s will to forge its own path is unbroken
Erklärt

Der Gestaltungswille in der Ukraine ist ungebrochen

Als der russische Angriffskrieg begann, konnte die GIZ rasch und wirksam Hilfe leisten, weil wir im ganzen Land vertreten sind – seither laufen schnelle Hilfe, Wiederaufbau und Reformberatung parallel. Ein Beitrag von Daniel Busche, GIZ-Landesdirektor in der Ukraine. 

Seit einem Jahr herrscht offener Krieg in der Ukraine. Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer haben ihr Land verlassen oder sind innerhalb der Landesgrenzen geflüchtet. Die Menschen leben in permanenter Unsicherheit und müssen auch weit im Westen der Ukraine Raketen- und Drohnenangriffe fürchten. Dazu kommen Winterkälte, Stromausfälle, unterbrochene Wasserversorgung und eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten.

Trotz allem verlieren die Menschen in der Ukraine nicht den Mut. Motivation und Zusammenhalt sind riesig.

Daniel Busche, GIZ-Landesdirektor in der Ukraine

Trotzdem verlieren die Menschen nicht den Mut. Motivation und Zusammenhalt sind riesig. Man sieht einen ungebremsten Tatendrang: Die Ukrainerinnen und Ukrainer wollen die Lage meistern, das Land erhalten und weiter gen Westen führen. Dieses Ziel ist mehr als eine Vision auf Papier, es gilt als Maxime und man spürt dies auf allen Ebenen in der Zusammenarbeit mit den ukrainischen Partnern. Das Ambitionsniveau der bereits vor dem russischen Angriffskrieg ehrgeizigen Reformagenda wird mit hohem Engagement vorangetrieben. Dazu zählt die angestrebte EU-Mitgliedschaft, aber auch der Anspruch, das Land insgesamt wirtschaftlich erfolgreicher, bürgernäher, grüner und digitaler zu machen.

Schnelle Unterstützung  

Als der russische Angriffskrieg begann, haben wir als GIZ der Ukraine von Anfang an beigestanden. So konnten wir sehr schnell Hilfe leisten, weil wir im ganzen Land vertreten sind, denn einer unserer Schwerpunkte der Zusammenarbeit vor dem Ausbruch des Krieges lag auf der Stärkung kommunaler Selbstverwaltung. Dadurch hatten wir ein über Jahre gewachsenes, landesweites Netzwerk, das alle ukrainischen Gemeinden umfasst. Über diese direkten Kontakte konnten wir punktgenau helfen: dorthin Medikamente liefern, wo sie gebraucht wurden; Feldbetten bereitstellen, wo sie am meisten fehlten; für Unterbringung sorgen, wo Menschen ihr Zuhause verloren hatten; oder kurzfristig Stromgeneratoren bereitstellen, wo es sonst keine Elektrizität gab. 

Die schnelle Hilfe war gerade am Anfang sehr wichtig und hat unsere Arbeit als GIZ bestimmt. Zu dem Bemühen, auf dieser ersten Ebene wirkungsvoll die unmittelbare Not zu lindern, kamen rasch Maßnahmen hinzu, die in Richtung Wiederaufbau deuten und strukturbildend angelegt sind. Da geht es zum Beispiel darum, kommunale Einrichtungen wie Schulen, Gemeindezentren oder Krankenhäuser zu unterstützen, damit Unterricht oder Versorgung weitergehen können. Oder um die Ausbildung von Prothesen-Techniker*innen, um Wissen und langfristige Kapazitäten aufzubauen. Auf dieser zweiten Ebene beraten wir unsere Partner schon jetzt darin, welche Strukturen künftig erforderlich sein werden, um Modernisierungssprünge zu machen und fit für einen EU-Beitritt zu werden.

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Gestaltungswille in der Ukraine

Blick in Richtung Zukunft

Dann gibt es noch eine dritte Ebene: Das ist die „klassische“ Beratung, wie wir sie schon vor dem Kriegsausbruch verfolgt haben. Hier sind wir in den drei Schwerpunkten Energie und Klima, gute Regierungsführung und Dezentralisierung sowie nachhaltige Wirtschaftsentwicklung tätig. All das findet parallel statt: schnelle Hilfe, strukturbildende Maßnahmen sowie Politik- und Reformberatung. Daran sieht man, dass sich der Blick trotz des Kriegsgeschehens bereits jetzt weit in die Zukunft richtet.  

Unsere Arbeit ist trotz aller Dynamik auf ukrainischer Seite nicht einfach. Das hat natürlich mit der Gesamtlage zu tun, die unter anderem dazu führt, dass unsere internationalen Fachkräfte derzeit nicht vor Ort sein können. Auch als Landesdirektor arbeite ich im Moment von Deutschland aus. Mit mehr als 420 ukrainischen Kolleg*innen, die für die GIZ tätig sind, haben wir glücklicherweise eine Struktur vor Ort, die Unglaubliches leistet – und dies unter widrigsten Bedingungen. Wir verfolgen dabei ein gemeinsames adaptives Management – sind vor Ort zum Beispiel der Strom oder das Internet ausgefallen oder müssen sich unsere nationalen Kolleg*innen in Schutzräume begeben, dann springen Teile der Teams von außerhalb der Ukraine ein.

420
ukrainische Kolleginnen und Kollegen leisten vor Ort Unglaubliches unter widrigsten Bedingungen.

Wiederaufbau im Fokus

Mit diesem Engagement gehören wir zu den wichtigsten Umsetzern in der Ukraine. Deutschland ist nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte bilaterale Geber dort; es ist davon auszugehen, dass unsere Aktivitäten weiter zunehmen werden und dass der Wiederaufbau weiter in den Fokus rücken wird. Der Bedarf ist riesig. Die zerstörte Infrastruktur wieder herzustellen, wird eine Generationenaufgabe sein. Damit dies in großem Stil möglich ist, hoffen wir auf ein baldiges Ende der Kampfhandlungen. Einstweilen wünsche ich mir, dass in möglichst vielen Teilen des Landes mehr Sicherheit einkehrt, damit wir unseren Aufgaben vor Ort noch wirksamer nachgehen können – und die Menschen eine Perspektive erhalten. Denn der Gestaltungswille der Ukrainerinnen und Ukrainer bleibt ungebrochen, wir wollen sie dabei so zielgerichtet wie möglich unterstützen.