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Pakete Jonas Ratermann
Interview

„Wir leisten unkompliziert und unbürokratisch Hilfe“

Deutsche Städte, Landkreise und Gemeinden unterstützen ihre ukrainischen Partnerkommunen beim Bevölkerungsschutz und Wiederaufbau. GIZ-Projektleiterin Maria König erklärt, wie das funktioniert.

Interview: Sabrina Pfost

Frau König, was ist die Idee hinter der kommunalen Initiative für die Ukraine?

Wir fördern Partnerschaften zwischen deutschen und ukrainischen Städten, Landkreisen und Gemeinden. Der Ansatz hierbei ist, deutschen Kommunen möglichst unbürokratisch und unkompliziert Sachgüter zur Verfügung zu stellen, die sie zu ihren ukrainischen Partnern bringen. Die GIZ handelt dabei im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Unsere Projektpartner sind die deutschen Kommunen. 

Und wie läuft die Unterstützung konkret ab?

Seit dem Beginn der Initiative im August 2022 haben wir jedes Jahr eine Vergaberunde gestartet, an der sich deutsche Kommunen beteiligen. Sie ermitteln mit ihren ukrainischen Partnern, was diese brauchen. Daraus erarbeiten wir einen Katalog an Hilfspaketen. Gestartet ist die Initiative mit rund 30 Kommunen. Inzwischen haben über 100 Partnerschaften profitiert, von insgesamt mittlerweile 200 deutsch-ukrainischen Kommunalbeziehungen. Diese stehen unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky.

Wie sehen diese Hilfspakte aus? 

Viele der Partnerschaften bestehen mit Kommunen in der Westukraine, die weniger von Angriffen betroffen sind, aber viele Binnenvertriebene aufnehmen. In den ersten beiden Jahren lag der Fokus auf Generatoren für die Stromversorgung sowie Kommunal- und Bauhoffahrzeugen – etwa Transporter, Krankenwagen oder Müllfahrzeuge. Daneben ist die Unterstützung für Kinder und Jugendliche ein großes Thema: Spielplätze wurden ausgestattet und Hilfsmittel für den Unterricht verschickt, etwa Möbel und Smartboards für Klassenzimmer oder Tablets, damit bei Angriffen zu Hause oder im Bunker weitergelernt werden kann. Zunehmend wächst der Bedarf im Bereich Pflege und Rehabilitation, um Versehrte zu versorgen – zum Beispiel mit Minibussen mit Rampen sowie Rollstühlen, Pflegebetten oder Trainingsgeräten. 

Wie läuft der Transport ab?

Deutsche Gemeinden arbeiten häufig mit der Zivilgesellschaft zusammen, mit privaten Initiativen oder Stiftungen. Das hat den Vorteil, dass man auf bestehendes Wissen zurückgreifen kann, was Bürokratie und Logistik betrifft. Einige Bürgermeister*innen fahren auch selbst in die Ukraine oder die ukrainischen Partner kommen zu Besuch nach Deutschland, zum Beispiel im Rahmen der Deutsch-ukrainischen kommunalen Partnerschaftskonferenz 2023. Hier können sie kurz durchatmen, um mit neuer Kraft wieder vor Ort tätig zu sein. 

Wie unterstützen Sie die Kommunen darüber hinaus? 

Wir geben den Vertreter*innen der Kommunen und Landkreise Raum zum Austausch – ganz informell und unbürokratisch. So entsteht ein dezentrales Netzwerk. Es gibt beispielsweise WhatsApp-Gruppen und wir haben einen zweiwöchentlichen Jour fixe. Auch stellen wir Kontakte zu anderen deutschen Entwicklungsinitiativen in der Ukraine her und zu weiteren kommunalen Förderangeboten der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW).

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Porträt, Maria König privat

Maria König
maria.koenig@giz.de

Was ist der Vorteil von dezentraler Hilfe?

Wir glauben, dass man auf dezentraler Ebene am effektivsten weiß, was der kommunale Bedarf ist; die Güter kommen direkt dort an, wo sie benötigt werden. Außerdem können wir durch die gebündelten Beschaffungen effizient arbeiten.

Wie geht es mit der Initiative weiter? 

Wir möchten zukünftig die Menschen mit Trainings dabei unterstützen, die Güter möglichst effektiv und nachhaltig zu nutzen, zum Beispiel mit Lkw-Führerscheinen für Frauen oder mit Pflegeschulungen. Ein weiterer Gedanke ist, dass man diese Form der direkten Unterstützung als globalen Mechanismus einsetzen könnte. Nach dem schweren Erdbeben 2023 in Syrien und der Türkei haben sich direkt deutsche Kommunen bei uns gemeldet, die helfen wollten. Es gibt kommunale Partnerschaften weltweit. Wie können wir unkomplizierte Wege finden, diese in anderen Krisensituationen zu aktivieren und zu nutzen? 

Was hat Sie in den letzten Jahren am meisten beeindruckt?

Wie viele tolle, engagierte Menschen unterwegs sind, die – häufig ehrenamtlich – daran arbeiten, dass Hilfe ankommt. Dass gerade kleine Kommunen, bei all dem, was sie sonst auf dem Tisch haben, diese Aufgabe annehmen, ist wirklich bewundernswert. Das stärkt wiederum die Motivation und die Moral in der Ukraine, denn die Menschen dort merken, dass es Unterstützung in der Breite der deutschen Gesellschaft gibt. Damit wird ein wichtiges Fundament für den Wiederaufbau der Ukraine gelegt, der eine langfristige Unterstützung auch aus der Wirtschaft und Zivilgesellschaft benötigt. Die vielfältigen Beziehungen auf kommunaler Ebene sind hoffentlich ein wichtiger Baustein. 
 

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Mann und Frau Jonas Ratermann

Eine starke Verbindung: deutsch-ukrainische Städtepartnerschaft

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Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:
SDG 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden SDG 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen