Mit dem Vorhaben „Regionales Völkerrecht und Zugang zur Justiz in Lateinamerika“ fördert die GIZ Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Costa Rica, Ecuador, Kolumbien und Mexiko – und darüber hinaus: Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat die GIZ die drei regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe dabei unterstützt, ein dauerhaftes Dialogforum einzurichten. Bei den regelmäßigen Treffen an den verschiedenen Standorten werden Themen diskutiert, die alle drei Gerichte stark beschäftigen.
Spitzen-Trio für Menschenrechte
Seit Anfang 2024 werden alle drei regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe von Frauen geleitet: Nancy Hernández López in den Amerikas, Síofra O’Leary in Europa und Imani Daud Aboud in Afrika. Das ist eine Premiere und ein starkes Signal für die Rechtssysteme und die gleichberechtigte Teilhabe weltweit. Die GIZ unterstützt das Dialogforum der drei Menschenrechtsgerichte.
Kämpferin für Menschenrechte und Demokratie
Mit Nancy Hernández López ist die Riege der Präsidentinnen der regionalen Menschenrechtsgerichte komplett. Die Costa-Ricanerin trat ihr Amt als Vorsitzende des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Corte Interamericana de Derechos Humanos, Corte IDH) zu Jahresbeginn 2024 an.
Die 60-Jährige hat eine beeindruckende Karriere hingelegt, geprägt vom Einsatz für die Gleichstellung der Geschlechter. „Es ist immer noch die Ausnahme, dass Frauen Führungs- und Entscheidungspositionen in der Justiz erreichen“, betont Hernández im akzente-Interview und gibt sich kämpferisch: „Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Frauen auch weiterhin in diesen Gremien vertreten sind und mitwirken.“
Hernández wurde erst vor zwei Jahren an den Corte IDH berufen, nachdem sie zuvor Richterin der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs in Costa Rica gewesen war. Die Juristin hat mehr als 30 Jahre Erfahrung als Richterin und Universitätsprofessorin. Sie ist Spezialistin für Verfassungsrecht, öffentliches Recht und Menschenrechte.
Amtseinführung von Richterin Nancy Hernández López als Präsidentin des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte
„Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Frauen auch weiterhin in diesen juristischen Gremien vertreten sind und mitwirken.“
Beinahe wäre Nancy Hernández López aber nicht eine international geachtete Juristin geworden, sondern Leistungssportlerin. Als Jugendliche war sie Mitglied des Schwimmkaders Costa Ricas und erhielt aus den USA das Angebot, mit einem Sportstipendium für die Olympischen Spiele zu trainieren. Sie wählte einen anderen Weg und tauschte mit 18 Jahren das Schwimmbecken mit dem Unihörsaal in ihrer Heimat.
Seither ist Jura ihre Leidenschaft. In Costa Rica hat Hernández an der Ausarbeitung wichtiger Gesetzentwürfe zu Menschenrechten mitgewirkt und sich für vulnerable Bevölkerungsgruppen eingesetzt, insbesondere auch für HIV-Infizierte. Hernández spricht Klartext und gilt daher als hervorragende Interviewpartnerin zu den Themen Menschenrechte und Demokratie.
Immer wieder hat sie davor gewarnt, dass das Vertrauen in die Demokratie und die Institutionen in Mittel- und Südamerika schwinde. Davon beunruhigt, setzt sie sich dafür ein, schon in den Schulen den jungen Menschen die Errungenschaften der Demokratie zu vermitteln.
Gerade beim Einsatz für Demokratie und die Achtung der Menschenrechte sieht die Juristin Vorteile weiblichen Führungsstils, die sie so beschreibt: „offen für Zusammenarbeit und aktiv in der Kommunikation“. Dazu passt auch die Kooperation der drei regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe. Durch den offenen Dialog könnten alle „voneinander lernen, aktuelle Herausforderungen wirksam angehen und künftige voraussehen“, lobt Hernández.
Sie ist übrigens bereits die dritte Frau an der Spitze des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Der Corte IDH ist seit 2022 mit drei Frauen und vier Männern besetzt.
Erste Frau an der Spitze des Gerichtshofs in Straßburg
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte deutlichen Nachholbedarf bei der Geschlechtergleichstellung, als Ende 2022 Síofra O‘Leary zur Präsidentin ernannt wurde. Sie ist die erste Frau an der Spitze des Gerichts in Straßburg seit seiner Gründung im Jahr 1959. „Es war nicht vertretbar, eine lange und ununterbrochene Reihe von männlichen Präsidenten fortzusetzen”, betont O‘Leary im akzente-Interview. Ein Menschenrechtsgerichtshof „muss die Gesellschaft widerspiegeln, der er dient“, sagt die Juristin. Aktuell urteilen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 16 Richterinnen, sie haben 30 Richter-Kollegen.
Seit die 55-jährige O‘Leary die Präsidentschaft des Gerichtshofs innehat, lagen und liegen dem Gericht sehr heikle Fälle vor. Etwa die Frage, ob Großbritannien Asylsuchende ins afrikanische Ruanda abschieben darf. Die EGMR-Präsidentin machte Ende Januar deutlich, dass London damit gegen seine Verpflichtung aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen würde. Gegen Russland sind seit dem Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine vor mehr als zwei Jahren mehrere Tausend Beschwerden bei Gericht eingegangen und Verfahren anhängig.
„Ein Menschenrechtsgerichtshof muss die Gesellschaft widerspiegeln, der er dient.“
O‘Leary verfügt über die nötige Erfahrung, um diese politisch wie rechtlich komplexen Fälle mit der gebotenen Souveränität und Gelassenheit bearbeiten und beurteilen zu können. Sie spricht am EGMR bereits seit 2015 Recht.
Die gebürtige Irin ist eine Europäerin durch und durch. Sie hat in vielen Ländern des Kontinents gelebt und gearbeitet. Sie spricht mehrere Sprachen und Spanisch fast wie ihre Muttersprache.
O‘Leary studierte zunächst Zivilrecht in der irischen Hauptstadt Dublin und promovierte dann in Florenz im europäischen Recht. Sie arbeitete als Wissenschaftlerin an der Universität Cádiz und anschließend in London, Cambridge und Dublin. Außerdem verfügt sie über langjährige Erfahrung am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.
In ihrer Karriere an den europäischen Gerichten beschäftigte sie sich immer wieder mit den Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. So hat sie sich vor allem mit Fragen zu Asyl, Meinungsfreiheit, gleicher Bezahlung, Rentenansprüchen von Frauen und dem europäischen Strafprozessrecht befasst.
Als Präsidentin des EGMR hat O‘Leary zudem häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt in ihren Reden thematisiert. Wichtige Themen in der öffentlichen und juristischen Debatte sichtbar zu machen, liegt ihr gerade in einer Spitzenposition am Herzen.
Eine der wichtigsten Richterinnen Afrikas
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Imani Daud Aboud eine der wichtigsten Richterinnen Afrikas ist. Die tansanische Juristin ist Präsidentin des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Rechte der Völker (African Court on Human and Peoples’ Rights) in Arusha. Sie wurde erstmals im Juli 2018 ans Gericht berufen. Vor drei Jahren wurde ihr Mandat um weitere und abschließende sechs Jahre verlängert. Seit Mai 2021 steht die Menschenrechtsexpertin an der Spitze des Gerichts.
Der Afrikanische Gerichtshof ist das jüngste der drei regionalen Menschenrechtsgerichte. Er überwacht seit 2006 die Einhaltung der bürgerlichen, fundamentalen und Freiheitsrechte im Sinne der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (Banjul-Charta).
Aboud ist bereits die zweite Präsidentin am Afrikanischen Gerichtshof. Sie steht aber erstmals einem nahezu paritätisch besetzten Senat aus sechs Richtern und fünf Richterinnen vor. „Der Gerichtshof hat durch richtungsweisende Urteile den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und für die Förderung von Frauenrechten maßgeblich beeinflusst“, sagt Imani Daud Aboud im akzente-Interview und macht deutlich, wie wichtig diese Themen auch ihr persönlich sind.
„Die Zusammenarbeit unserer Gerichthöfe ist Ausdruck unseres gemeinsamen Engagements für die weltweite Wahrung und Förderung der Menschenrechte auf unseren verschiedenen Kontinenten.“
Die 60-Jährige blickt auf viel Erfahrung zurück. Aboud hat in Malta und in Daressalam in ihrer tansanischen Heimat Jura studiert. Sie ist aktuell auch Richterin des Obersten Gerichtshofs von Tansania. Im Gegensatz zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kann das Richterteam am Afrikanischen Gerichtshof ebenso wie sein interamerikanisches Pendant nur in Teilzeit arbeiten.
Imani Daud Aboud ist schon lange international aktiv. Sie hatte beispielsweise die tansanische Regierung auf Menschenrechtskonferenzen vertreten und regelmäßig Berichte für die Vereinten Nationen und die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker erstellt. Die Zusammenarbeit mit den beiden anderen regionalen Menschenrechtsgerichtshöfen lobt die afrikanische Juristin: „Sie ist Ausdruck unseres gemeinsamen Engagements für die weltweite Wahrung und Förderung der Menschenrechte auf unseren verschiedenen Kontinenten.“
Bei einem Besuch in Costa Rica hatte Aboud die Bedeutung der Unabhängigkeit der Justiz und auch der einzelnen Richterinnen und Richter betont. Diese werde von Regierungen und anderen Institutionen immer wieder gefährdet, sagte sie in einem Interview mit dem TV-Kanal des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte. „Für uns ist besonders wichtig, dass wir das Vertrauen der Menschen haben, denen wir dienen. Sie sollen wissen, dass wir für sie da sind und ihre Interessen wahren.“ Damit weiß sie sich in Einklang mit ihren Kolleginnen an der Spitze der anderen Menschenrechtsgerichtshöfe.
Treffen der drei regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe 2023 in San José, Costa Rica