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Gastbeitrag

Feministische Außenpolitik: ein Blick hinter die Kulissen

Sonderbotschafterin Gesa Bräutigam über die Entwicklung und Bedeutung feministischer Außenpolitik

Vor einem Jahr, am 1. März 2023, hat Bundesaußenministerin Baerbock die Leitlinien „Feministische Außenpolitik gestalten“ vorgestellt. Feministische Außenpolitik ist für uns kein neues außenpolitisches Tätigkeitsfeld. Wir wollen vielmehr in allen Bereichen unserer Außenpolitik Frauen und marginalisierte Gruppen konsequent mitdenken und priorisieren – vom Krisenmanagement über unsere Rechts- und Konsulararbeit bis zur Wirtschaftsaußenpolitik.

Mit der feministischen Außenpolitik will das Auswärtige Amt zur Gleichstellung der Geschlechter weltweit beitragen, indem wir historisch gewachsene Machtstrukturen benennen und gerechte Teilhabe befördern. Konkret geht es dabei um die Stärkung der Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und marginalisierten Gruppen. Es ist eine pragmatische Politik. Gleichberechtigung macht Staaten und Gesellschaften friedlicher, stabiler und wirtschaftlich erfolgreicher.

Feministische Außenpolitik geht über Frauenförderung weit hinaus. Wir setzen uns für alle Menschen ein, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung oder aus anderen Gründen benachteiligt werden. Denn Marginalisierung kann, je nach Kontext, jeden Menschen betreffen.

Um in der Welt glaubwürdig eine feministische Außenpolitik vertreten zu können, müssen wir auch im Auswärtigen Amt unsere Hausaufgaben machen. Um unsere internen Prozesse und Strukturen entsprechend anzupassen und um die feministische Außenpolitik mit unseren internationalen Partnern weiterzuentwickeln, bin ich seit August 2023 Botschafterin für Feministische Außenpolitik. Von grundlegender Bedeutung ist dabei die Verteilung von Fördermitteln. Das Auswärtige Amt hat seinen gesamten Projekthaushalt dem Gender-Budgeting unterworfen und entscheidet jetzt bei jedem Euro Projektmittel: Tun wir hier genug für die Gleichstellung? Ziel ist es, dass 85 Prozent unserer Fördermittel an Projekte gehen, die Geschlechtergerechtigkeit als ein Ziel haben, und dass acht Prozent an Projekte vergeben werden, die im Schwerpunkt Gleichstellung fördern.

Zum Beispiel haben wir in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges über Organisationen wie das Rote Kreuz und UNICEF 900 Millionen Euro an humanitärer Hilfe geleistet und gezielt Projekte unterstützt, die Überlebenden sexualisierter Gewalt helfen. Darüber hinaus sind wir gegen Straflosigkeit vorgegangen, indem wir am Internationalen Strafgerichtshof die Einleitung einer förmlichen Untersuchung russischer Kriegsverbrechen bewirkt haben, die sich oft gezielt in Form von sexualisierter Gewalt gegen Frauen richten.

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Gesa Bräutigam Auswärtiges Amt

Gesa Bräutigam ist Sonderbotschafterin für Feministische Außenpolitik und Direktorin für Menschenrechte im Auswärtigen Amt.

Feministische Außenpolitik ist kein Wohlfühlthema, sondern harte Sicherheitspolitik, die harte Realitäten angeht.

Gesa Bräutigam
Sonderbotschafterin für Feministische Außenpolitik und Direktorin für Menschenrechte im Auswärtigen Amt

Vergewaltigung als systematische Kriegswaffe ist weit verbreitet – von Ruanda und Srebrenica, den 7.-Oktober-Angriffen der Hamas auf Israel bis hin zu den gegenwärtigen Verbrechen russischer Truppen an Frauen und Mädchen in der Ukraine. Auch im Sudan wird Massenvergewaltigung als systematische Waffe eingesetzt. Gerade weil sie vor fünf Jahren treibende Kraft der Proteste für Demokratie und Frieden waren, sind Frauen im Sudan heute besonders gefährdet. Feministische Außenpolitik ist kein Wohlfühlthema, sondern harte Sicherheitspolitik, die harte Realitäten angeht.

Feministische Außenpolitik kann nicht in einem Vakuum gestaltet werden. Deswegen arbeitet das Auswärtige Amt eng mit anderen Bundesministerien wie dem Bundesentwicklungsministerium (BMZ) zusammen. Das zeigt sich zum Beispiel im Zusammenspiel der feministischen Außen- und Entwicklungspolitik, die im März 2023 gemeinsam angekündigt wurden. Bei der UN-Frauenrechtskommission 2023 hat das Auswärtige Amt in enger Absprache mit dem BMZ und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ein umfangreiches Beschlussdokument zu Digitalisierung und Gleichstellung verhandelt, welches als Präzedenzfall für digitale Rechte von Frauen gilt. Einen ähnlichen Erfolg streben wir in der diesjährigen Frauenrechtskommission an, wo es um Frauen in Armut gehen soll.

Weltweit findet eine Zurückdrängung von Frauenrechten statt. Afghanistan und Iran sind die eklatantesten Beispiele systematischer Diskriminierung von Frauen. Die Rechte von LGBTIQ+-Personen werden vielerorts infrage gestellt. Ein Drittel aller Frauen weltweit über dem Alter von 15 Jahren hat körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erfahren. Unter LGBTIQ+-Personen sind es nahezu alle. Gerade in Krisensituationen ist eine feministische Außenpolitik daher nicht nur ein „netter Zusatz“, sondern im Gegenteil umso wichtiger, weil marginalisierte Gruppen besonders gefährdet sind. Eine feministische Außenpolitik fragt in solchen Situationen: Welche Gruppen sind besonders vulnerabel und wie kann man diese unterstützen? Wie können wir dafür sorgen, dass sie nicht als Opfer gesehen, sondern gestärkt werden?

Wichtig dabei ist, dass es keine einheitliche Lösung für alle Krisen gibt. Oft können diese Fragen am besten durch Betroffene und die lokale Zivilgesellschaft beantwortet werden. Ein enger Dialog mit diesen Akteuren steht deshalb bei der konkreten Umsetzung von Projekten stets im Vordergrund.

Feministische Außenpolitik ist kein Zaubermittel, um alle Probleme und Krisen weltweit zu lösen. Wir merken aber: Erste Erfolge sind spürbar. Intern im Auswärtigen Amt, in Zusammenarbeit mit anderen Bundesministerien und im Austausch mit Partnern weltweit schafft die feministische Außenpolitik immer wieder einen konkreten Mehrwert für die Menschen vor Ort.

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