Feministische Entwicklungspolitik: Klare Ziele, klare Haltung
Vor einigen Monaten hat das BMZ die Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik verabschiedet. Warum das wichtig ist und was sie für die Arbeit der GIZ bedeutet, erklärt Annette Mummert.
Auf den ersten Blick ist der Zusammenhang einfach: Wenn Mädchen und Frauen, mithin die Hälfte einer Gesellschaft, nicht angemessen am wirtschaftlichen Fortkommen beteiligt sind, wenn sie häufiger unter Armut leiden, seltener zur Schule gehen, schlechter medizinisch versorgt sind und weniger Entscheidungen treffen können – dann bleiben enorme Chancen ungenutzt. Chancen, die am Ende die gesamte Gesellschaft bereichern, würde man sie denn ergreifen. Chancen übrigens auch, die für das Erreichen der SDGs unabdingbar sind.
Über diese Kausalität gibt es Unmengen solider Studien: Sie reichen, um nur einige zu nennen, vom „Women in Work Index“ von PwC über den „Global Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums bis hin zu Untersuchungen von UN Women. An Wissen dazu mangelt es also nicht. Und es ist auch nicht neu. Genauso wenig wie es für die Entwicklungszusammenarbeit neu ist, sich für die Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen. Zunächst stand dabei die Förderung von Frauen und Mädchen im Fokus. Seit der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 verfolgen wir einen breiteren Ansatz (Gender-Mainstreaming). Jedes Projekt wird seitdem auf seine Wirkung für die Gleichstellung geprüft und eingestuft.
Warum also braucht es eine feministische Entwicklungspolitik? Was bringt sie an Zugewinn gegenüber der bisherigen Praxis? Der Unterschied ist – und hier wird es komplexer –, dass nun Ursachen für strukturelle Ungleichheiten adressiert werden. Das heißt zum Beispiel, dass patriarchalische Strukturen stärker in ihrer Verschränkung mit anderen Ungleichheitsstrukturen in den Blick genommen werden. Damit wird die bisherige Arbeit zur Gleichstellung der Geschlechter stärker eingebettet in einen generell machtkritischen Ansatz, der hinter die Kulissen schaut, Machtverhältnisse offenlegt und zu verändern sucht. Das betrifft auch die Entwicklungszusammenarbeit selbst.
Diskriminierung generell im Blick
Es geht damit um Diskriminierung in allen Sphären einer Gesellschaft. Frauen und marginalisierte Personen sind keine einheitlichen Gruppen. Als Individuen sind sie oft von unterschiedlichen Diskriminierungsformen gleichzeitig betroffen. So bestimmen neben dem Geschlecht zum Beispiel auch Herkunft, Hautfarbe, Religion, (Nicht-)Behinderung oder sexuelle Orientierung die Entfaltungschancen in einer Gesellschaft. Bei einer feministischen Entwicklungspolitik werden diese Verschränkungen sichtbar. Sie vergrößert damit den Fokus zu einem integrierten und umfassend menschenrechtlichen Ansatz.
Was das in der Praxis genau heißt, daran arbeiten wir als GIZ gerade. Dafür wollen wir auf unsere Fachkompetenz aufbauen und diese noch erweitern, etwa im Hinblick auf Ansätze, mit denen die dahinterliegenden Machtstrukturen besser adressiert werden können. Dafür könnten in Zukunft partizipative Ansätze und „neue“ beziehungsweise stärkere Allianzen, beispielsweise mit der Zivilgesellschaft, noch wichtiger werden. Es geht dann etwa darum, die Rollenmodelle aufzubrechen. Der gewünschte gesellschaftliche Wandel kann dabei nur gelingen, wenn Männer stärker einbezogen werden.
Rechte, Ressourcen, Repräsentation
Klar ist zudem, dass noch stärker die „3 R“ im Fokus stehen: Rechte, Ressourcen und Repräsentation. Denn es genügt nicht, Gleichberechtigung für alle im Gesetz zu verankern, wenn Frauen oder andere marginalisierte Gruppen dann doch keinen Zugang zu Bankkrediten oder Land haben. Sie brauchen Ressourcen. Der Zugang wird wahrscheinlicher, wenn Frauen ihre Positionen in Schulausschüssen, Gemeinderäten und Parlamenten einbringen. Deshalb braucht es weitere Fortschritte bei allen drei Rs gleichermaßen.
Die Orientierung an Rechten, Ressourcen und Repräsentanz spielt in unseren Projekten schon eine Rolle: So haben wir zum Beispiel ein Regionalvorhaben zur Vorbeugung gegen weibliche Genitalverstümmelung in Ostafrika. Hier arbeiten wir daran, dass Frauen und Mädchen ihre Rechte kennen und lernen, sie einzufordern (Rechte). In Kenia verhelfen wir Frauen durch Schulungen zu Jobs im traditionell männerdominierten Bausektor (Ressourcen). Und in Äthiopien, Somalia und Sudan unterstützen wir feministische zivilgesellschaftliche Organisationen, damit Frauen mehr Teilhabe erlangen (Repräsentanz).
Mehr als „nur“ Frauenförderung
Durch klare Zielvorgaben des BMZ – künftig sollen 93 Prozent aller Gelder in Projekte fließen, die direkt oder indirekt zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen – verändert sich auch die Arbeit der GIZ. Wir bauen auf dem Geleisteten auf und führen es im Sinne einer feministischen Ausrichtung weiter.
Erreichen können wir dies am besten durch gute Wirkungen bei unserer Arbeit. Zudem wollen wir unsere Praxiserfahrung noch stärker für den politischen Dialog der Auftraggeber nutzbar machen. So kann Deutschland eine klare Haltung vertreten in einer turbulenten Welt, in der Demokratien wanken, Autokraten zunehmen, Menschenrechte infrage gestellt werden und in allen Weltgegenden Rollbacks drohen. Genau deshalb ist feministische Entwicklungs- und Außenpolitik so viel mehr als „nur“ Frauenförderung.