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Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte und dem Menschenrechtsinstitut in San José Corte IDH/flickr CC BY-SA 2.0
Reportage

Impulsgeber für „grüne“ Rechtsprechung

Zu Besuch beim Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Menschenrechtsinstitut in San José: wo Menschenrechte, Natur und Umwelt neu betrachtet werden.

Text: Klaus Ehringfeld

Wer das Interamerikanische Institut für Menschenrechte (Instituto Interamericano de Derechos Humanos, IIDH) betritt, senkt beim Sprechen unwillkürlich die Stimme. Die Villa in Costa Ricas Hauptstadt San José verströmt die Aura eines Denkerflügels. An den Wänden hängen Porträts der Direktoren der vergangenen vier Jahrzehnte.

Anfang der 1980er Jahre wurde es gegründet, kurz nach dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (Corte Interamericana de Derechos Humanos, IDH), der ein paar Straßenzüge entfernt seinen Sitz hat. Beide Institutionen ergänzen sich, sind aber unabhängig voneinander. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH unterstützt deren Menschenrechtsarbeit im Auftrag der Bundesregierung.

In den ersten Jahren ging es vor allem um den unmittelbaren Schutz von Leib und Leben. Damals war die Hochzeit der Militärdiktaturen, Freiheitskämpfe und Bürgerkriege in Lateinamerika. Der regionale Menschenrechtsgerichtshof und das Institut mussten sich vor allem mit Folter, außergerichtlichen Hinrichtungen und Verbrechen beschäftigen, die von Juntas verübt wurden.

Klimaveränderungen und Menschenrechte

Inzwischen gibt es neue Herausforderungen: Menschenrechte werden auch unter dem Blickwinkel der Klimaveränderungen fortentwickelt. „Heute hat der Staat die Verpflichtung, für eine gesunde Umwelt zu sorgen, und das betrifft alle Rechte wie zum Beispiel das auf Wasser und angemessene Ernährung“, sagt Jorge Padilla, Leiter des Ressourcen- und Studienzentrums für Menschenrechtserziehung am IIDH.

Und Menschenrechte könnten als gemeinsame „Sprache“ interpretiert werden, um den Schutz einer gesunden Umwelt wirksam einzuklagen, erläutert Padilla. Hier zeichne sich ein Paradigmenwechsel ab: Nicht nur der einzelne Mensch als Träger subjektiver Rechte muss geschützt werden, sondern auch die Natur und vor allem eine gesunde Umwelt. Denn sie ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Menschen ihre fundamentalen Rechte auf Leben wahren können.

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Eduardo Ferrer Mac-Gregor Poisot corteidh.or.cr

„Die zukünftigen Generationen im Blick haben“

Ein Interview mit dem Vizepräsidenten des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs, Eduardo Ferrer Mac-Gregor Poisot. Mehr

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Publikum Gerichtssaal CorteIDH/Flickr CC BY-SA 2.0

Öffentliche Anhörung in der Klage der Quilombola-Gemeinschaften von Alcântara gegen den brasilianischen Staat vor dem Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Auch das ist ein herausragender Fall: Auf dem Gelände der traditionellen Gemeinschaften hatte die brasilianische Luftwaffe in den 1980er Jahren eine Raketenabschussbasis errichtet.

Grüner Leuchtturm

Man könnte sagen: Das Recht auf eine saubere Umwelt ist eine Art ökologisches Menschenrecht. Und das müssen die Staaten Lateinamerikas sicherstellen, so hat es der Gerichtshof schon vor einigen Jahren entschieden. Dabei war der Corte IDH schneller als die Vereinten Nationen, wie Padilla nicht ohne Stolz betont. Zumal die UN-Resolution  vom Juli 2022 nur eine unverbindliche Richtlinie ist.

Der Gerichtshof hat über die Jahre seine Urteile und gutachterlichen Betrachtungen immer weiter auf „Grün“ gestellt. Mit Spannung werde derzeit eine „Opinión consultiva“, also ein Gutachten zu der Frage erwartet, wie sich Klimanotstand und Menschenrechte verhalten, sagt Jorge Padilla. Chile und Kolumbien wollen vom Gericht wissen, inwieweit der Staat verpflichtet ist, die Rechte jeder und jedes Einzelnen sowie die bestimmter Bevölkerungsgruppen als Ganzes in Zeiten des Klimanotstands zu schützen.

„Beide Länder versuchen letztendlich mit ihrem Antrag, den Ökozid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit neu zu begründen“, unterstreicht der 42-Jährige. Das Gericht brütet über diesem Thema schon seit Anfang 2023 und wird dabei von einer Vielzahl von „Amici Curiae“ unterstützt, also Stellungnahmen von Nichtregierungsorganisationen, Expert*innen und Wissenschaftler*innen.

Plattform informiert über richtungsweisende Urteile

Das IIDH begleitet die Entwicklung der Rechtsprechung des Tribunals seit jeher eng. Das Institut arbeitet die Urteile des Gerichts auf und sorgt dafür – auch mit Unterstützung der GIZ –, dass die Gutachten und Urteile weite Verbreitung finden.
 
Besonders stolz ist Jorge Padilla dabei auf ein Dokumentationstool, das die Verbreitung der Urteile und Gutachten vereinfacht. Padilla öffnet auf seinem Computerbildschirm eine Seite und dem Betrachter eröffnet sich eine Plattform mit Zugang zur Rechtsprechung des Gerichtshofs. Über das „Digesto Themis“-Tool kann man die zugehörige Jurisprudenz anhand der Artikel der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (CADH) finden.
 
Seit 2020 gibt es zudem eine Plattform, die sich „Zugang zur Justiz“ nennt und einen raschen und übersichtlichen Überblick über Leitentscheidungen von Gerichten in den Amerikas bietet. Diese können von überall konsultiert werden. Dadurch können Nichtregierungsorganisationen, Anwältinnen und Anwälte oder Menschenrechtszentren in anderen Ländern die Erkenntnisse viel leichter für ihre eigenen Verfahren verwenden. Diese Plattform hat das IIDH gemeinsam mit der GIZ entwickelt.

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Jorge Padilla Alonso Segura Mora

Jorge Padilla

Zugang zu Recht ausbauen

Mit dem Vorhaben „Regionales Völkerrecht und Zugang zur Justiz in Lateinamerika“ fördert die GIZ Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Costa Rica, Ecuador, Kolumbien und Mexiko. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) werden beispielsweise Richter*innen und juristische Akteure und Akteurinnen geschult. Richtungsweisende Fälle werden aufgearbeitet und einem breiten Publikum zur Verfügung gestellt.

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Jorge Padilla Alonso Segura Mora

„Auf der Seite haben wir die Urteile knapp und informativ zusammengefasst, zeigen die Strategie des Verfahrens, wer es geführt hat, die Geschichte des Falls, das Urteil und letztlich den Status der Umsetzung des Urteils“, erläutert Padilla.

„Heute hat der Staat die Verpflichtung, für eine gesunde Umwelt zu sorgen.“

Jorge Padilla

Umwelturteil aus Mexiko ging um die Welt

Zum Beispiel ein Urteil aus Mexiko, bei dem eine Nichtregierungsorganisation erfolgreich gegen das dortige Umweltministerium geklagt hatte. Es ging bei diesem Rechtsstreit von 2019 darum, Informationen über gefährliche Abfälle zu bekommen. Der Fall ist inzwischen fast 1.300 Mal konsultiert worden – und zwar von Chile bis Finnland und Hongkong.

Zudem sind auf der Seite Stellungnahmen Dritter zu bestimmten juristischen Fragestellungen hinterlegt, die in einem Verfahren abgegeben wurden. Die Plattform erlaubt Organisationen, Menschenrechtsanwält*innen und Interessierten, Informationen über den aktuellen Stand in anderen Ländern zu erhalten. Sie können sich mit den dortigen Beteiligten austauschen und die Informationen für ihre eigenen Fälle nutzen: für die Einhaltung von Menschenrechten rund um den Globus.

Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:
SDG 5: Geschlechtergleichheit SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum SDG 10: Weniger Ungleichheiten SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz SDG 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
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