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Zwei Frauen mit Kopftuch und ein Mann am Handy
Reportage

Quelle des Miteinanders

Was tun, wenn ein Land mit wenig Wasser immer mehr Menschen versorgen muss? Unterwegs im Norden Jordaniens in Dörfern, die viele Flüchtlinge aufgenommen haben.

Text: Brigitte Spitz Fotos: Rajiv Raman

Kafa Al-Fayyad ist unermüdlich, wenn es darum geht, die Lebensqualität in ihrer Heimat zu verbessern. „In unseren Dörfern fehlt es an vielem, umso wichtiger ist es, dass hier etwas passiert“, sagt die quirlige Jordanierin in die Runde. Die Gemeinderätin hat aktive Bürger*innen der Region West-Irbid in ihrem Wohnzimmer versammelt, um über die Wasserversorgung zu berichten. Um etwas voranzubringen, braucht es alle, weiß sie: miteinander, nicht gegeneinander.

Jordanien ist eines der wasserärmsten Länder der Welt. Das war für die Kommunen schon eine Herausforderung, als „nur“ die jordanischen Haushalte versorgt werden mussten. Dann flohen 2011 Hunderttausende aus Syrien ins südliche Nachbarland, nachdem das Assad-Regime die Reformbewegung brutal niedergeschlagen hatte. Und die meisten blieben. Noch im September 2023 waren mehr als 653.000 syrische Flüchtlinge in Jordanien offiziell registriert, rund sechs Prozent der Gesamtbevölkerung. Eine große Aufgabe für das Königreich, das als eines der wenigen stabilen Länder im Nahen Osten gilt.

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Frau mit Kopftuch in Interviewsituation

Kafa Al-Fayyad, Aktivistin in Jordanien

Länder-Wiki
Land: Jordanien
Hauptstadt: Amman
Bevölkerung: 11,3 Mio.
Rang im Human Development Index: 102 von 191 Staaten/Gebieten
Nachbarn: Israel, Irak, Saudi-Arabien, Syrien und Westjordanland
Quelle: Weltbank; HDR

Mehr als 80 Prozent der geflüchteten Syrerinnen und Syrer leben außerhalb der offiziellen Flüchtlingslager. Die aufnehmenden Gemeinden mussten und müssen die notwendige Infrastruktur für die Geflüchteten bereitstellen. Orte wie Bait Yafa mit seinen rund 14.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Es nahm zunächst mehr als 150 syrische Familien mit rund 4.600 Personen auf. Inzwischen lebt noch gut ein Drittel von ihnen in Bait Yafa, westlich von Jordaniens zweitgrößter Stadt Irbid.

Mohammed Ayesh Al-Zawbani ist einer von ihnen, er sitzt in der Runde im Wohnzimmer von Kafa Al-Fayyad und erzählt, wie er 2012 in das Dorf kam, weil dort Verwandte lebten. Nur 35 Kilometer Luftlinie sind es bis zur syrischen Grenze. Nah und doch so fern.

Al-Zawbani gab sein Haus und sein gut gehendes Transportunternehmen in Syrien auf und floh mit seinen neun Söhnen und Töchtern. Er dachte, er würde nur kurz bleiben. Es kam anders. Inzwischen ist der 69-Jährige der „Muchtar“, das ehrenamtliche Oberhaupt, der Syrerinnen und Syrer in Bait Yafa. „So bin ich auch Teil des Dialogkomitees geworden“, erkärt Al-Zawbani, „dort kann ich die Anliegen meiner Landsleute einbringen.“

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Mann mit Bart in Interviewsituation

Mohammed Ayesh Al-Zawbani, syrischer Flüchtling in Jordanien

Alle am Wasserdialog beteiligen

Mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH sind in 14 Kommunen Dialoggruppen entstanden. An ihnen sind Vertreter*innen aller gesellschaftlichen Gruppen beteiligt, um eine bessere Wasserversorgung zu erreichen. Frauen, Männer, syrische Flüchtlinge, Einheimische und Menschen mit Behinderungen. Auch Imame wurden einbezogen, denn gerade in ländlichen Gebieten gilt das Wort der religiösen Führer. Und sie konnten für breite Akzeptanz in den Dörfern sorgen.

Die regelmäßigen Treffen in den Kommunen haben dazu beigetragen, Konflikte zwischen einheimischer Bevölkerung und Geflüchteten zu entschärfen. „Früher war in Syrien das Wasser nicht knapp. Es gab genug und es kostete fast nichts. Deshalb haben unsere Frauen auch in Jordanien anfangs sehr viel Wasser verbraucht“, erinnert sich Mohammed Ayesh Al-Zawbani. „Rund 200 Liter am Tag, das kam nicht gut an.“ Inzwischen wissen alle, dass in Jordanien Wasser gespart werden muss. Denn es wird nur einmal in der Woche in die Tanks auf den Dächern gepumpt und muss dann bis zur nächsten Lieferung reichen.

In Ham, dem Nachbarort von Bait Yafa, kommt das Wasser immer montags. In der Vergangenheit waren die alten Leitungen so rostig und marode, dass sie erst über zwei bis drei Stunden durchgespült werden mussten. Erst dann war das Wasser sauber genug. Eine enorme Verschwendung. Inzwischen wurde das gesamte Leitungssystem erneuert und es wurden, wo nötig, neue Wassertanks aufgestellt. Dadurch muss kein Wasser mehr ungenutzt im Boden versickern.

Die verbesserte Infrastruktur und die Dialoggruppen haben nicht nur die Dorfgemeinschaften vorangebracht. Auch die Kommunikation mit den staatlichen Wasserversorgern hat sich verbessert: „Früher gab es Spannungen zwischen den lokalen Gemeinschaften und den Versorgern – wir fühlten uns nicht ernst genommen“, erklärt die Kommunalaktivistin Al-Fayyad.

Durch die regelmäßigen Treffen am runden Tisch hätten die Verantwortlichen der Wasserwirtschaft erkannt, wie wichtig die Zusammenarbeit mit den lokalen Gruppen ist, um die Wasserverschwendung zu stoppen. Denn die Menschen vor Ort merken sofort, wenn irgendwo ein Leck ist. „Jetzt reicht ein Anruf bei der Notfallnummer und innerhalb von eineinhalb Stunden ist ein Team vor Ort“, sagt Kafa Al-Fayyad. „So fühlen sich alle stärker für das kostbare Wasser verantwortlich.“

80.000
Menschen haben eine bessere Wasserversorgung.

Wasser und Zusammenhalt

Nach der Flucht Hunderttausender Menschen aus Syrien startete das Projekt „Förderung partizipativen Ressourcenmanagements zur Stabilisierung der Situation in flüchtlingsaufnehmenden Gemeinden“. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat die GIZ gemeinsam mit jordanischen Partnern die Wassersicherheit in 14 aufnehmenden Kommunen vorangebracht – und gleichzeitig das Zusammenleben in den Dörfern verbessert.

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Zwei Männer, die einer Person außerhalb des Bilde freudig zuhören
Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:
SDG 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen
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