Nachlese

„Die Bilanz ist gemischt“

Jörg Linke, der Leiter des GIZ-Kompetenzzentrums für Klimawandel, berichtet über die Ergebnisse der COP27 in Ägypten.

Text: Friederike Bauer Fotos: pa / photothek | Thomas Imo; pa / AA | Mohamed Abdel Hamid

Wie bewerten Sie die Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh – als Erfolg oder Misserfolg?

Ich ziehe eine gemischte Bilanz. Positiv hervorheben möchte ich, dass es zum ersten Mal gelungen ist, das Thema „Verluste und Schäden“ im Abschlussdokument zu verankern: Die Staatengemeinschaft hat einen internationalen Fonds beschlossen, um ärmere Länder dabei zu unterstützen, mit klimawandelbedingten Schäden und Verlusten umzugehen. In den Fonds sollen die Länder, die historisch für den Hauptteil der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich sind, einzahlen. Gewünscht ist aber, dass sich auch andere Staaten wie zum Beispiel China beteiligen.

Wie soll dieser Fonds funktionieren?

Viele Details zum Fonds sind noch unklar. Bis zur nächsten Klimakonferenz, die kommenden November in Dubai beginnen wird, sollen konkrete Vorschläge erarbeitet werden. Aber klar ist: Er soll gefährdete Länder vorausschauend stärken und ihre Anpassungsfähigkeiten verbessern. Darin unterscheidet er sich auch von bereits bestehenden Fonds, wie dem Green Climate oder dem Adaptation Fund, und voraussichtlich auch vom Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken, den Deutschland während der COP in Ägypten gelauncht hat. Der „Loss and Damage“-Fonds soll Länder im Notfall direkt finanziell unterstützen.

Sie sprachen am Anfang von einer gemischten Bilanz. Was war enttäuschend?

Meinem Eindruck nach hat die kontroverse Diskussion über „Verluste und Schäden“ alle anderen Verhandlungsthemen überlagert. Auch deshalb ist der Klimaschutz, also die Reduktion von Treibhausgasemissionen, entgegen aktuellen und eindringlichen Empfehlungen der Wissenschaft, nicht vorangekommen. Im Gegenteil, zwischenzeitlich sah es so aus, als würden die Vertragsstaaten hinter die Beschlüsse der COP26 von Glasgow zurückfallen und zum Beispiel das 1,5-Grad-Ziel in der Abschlusserklärung aussparen. Das ist zum Glück nicht geschehen, auch weil die EU mit dem Abbruch der Verhandlungen gedroht hatte. Angesichts der Dramatik der Lage wären aber weitergehende Übereinkünfte zum Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern, neben der Kohle auch Gas und Öl, dringend nötig gewesen. Das ist leider ausgeblieben. Durch die Diskussion über Schäden und Verluste sind die Zusammenhänge aus dem Blick geraten.

Im Vorfeld war viel über Ägypten als Gastgeber spekuliert worden. Wie haben Sie die Atmosphäre bei der Konferenz wahrgenommen?

Die Stimmung war sehr gedämpft. Der Zivilgesellschaft, insbesondere der Nichtregierungsorganisations-Szene, wurde nur bedingt Raum gegeben, ihre Positionen kundzutun, zum Beispiel bei Demonstrationen. Die freie Meinungsäußerung war eingeschränkt. Damit hat ein wichtiges Element in der internationalen Klimadiskussion gefehlt. Die Beschränkungen waren jeden Tag zu spüren. Auch in Sachen Nachhaltigkeit blieb Sharm El-Sheikh weit hinter dem zurück, was man von einer Klimakonferenz erwarten müsste.

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COP 27 talking man

Wie wird die Konferenz allgemein in Erinnerung bleiben?

Dieses Treffen war sicher insgesamt keine herausragende COP. Das lag trotz aller Defizite aufseiten der Gastgebernation nicht nur an Ägypten. Durch den Krieg in der Ukraine und die dadurch ausgelösten Energie- und Ernährungskrisen haben viele Länder mehr auf ihre eigenen Belange und Interessen geachtet, Fortschritte beim Klimaschutz sind in den Hintergrund gerückt. Eine Erkenntnis ist, dass die Erreichung ambitionierter Ergebnisse immer auch davon abhängt, wie geschickt ein Gastgeberland agiert und die Verhandlungen voranbringt.

Wie geht es nun weiter? Wie kommt wieder Schwung in die internationale Klimadebatte?

Kommt der Anstoß zu mehr Klimaschutz nicht durch die COPs, ist es umso wichtiger, dass Klimaschutz – und Anpassung – über die nationalen Klimaschutzbeiträge in den einzelnen Ländern konkret vorangetrieben wird. Aber auch Initiativen, Allianzen und Partnerschaften zwischen Entwicklungs- und Industrieländern können Impulse setzen und konkrete Maßnahmen hervorbringen, die zu einer klimafreundlichen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft führen. Dabei denke ich an Klima- und Energiepartnerschaften, wie sie Deutschland zum Beispiel in Südafrika, Indonesien oder Kenia unterstützt, oder an Initiativen zum Walderhalt, zu Methan oder grünem Wasserstoff.

Was bedeutet die Klimakonferenz für die GIZ?

Die COP hat deutlich gemacht, dass es immer stärker darum geht, Themen nicht mehr separat, sondern zusammen zu denken. In diesem Sinn wollen wir die Bundesregierung dabei unterstützen, eine über Ressorts hinweg kohärente Klimapolitik umzusetzen. Dabei haben wir vor allem die von Deutschland neu angekündigten Initiativen im Blick und bieten dafür aktiv unsere Unterstützung an. Das gilt zum Beispiel für den schon erwähnten Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken. Klimaschutz und Anpassung werden für die GIZ bei der internationalen Zusammenarbeit weiterhin eine sehr hohe Priorität haben.

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Woman with sign "LOSS & DAMAGE FINANCE NOW!"