Klima ist Teil unserer DNA
Klimaschutz weltweit und warum er auch für die GIZ essenziell ist. Ein Beitrag von Jörg Linke, Leiter des GIZ-Kompetenzzentrums für Klimawandel
Energiekrise versus Klimaschutz?
Die Energiekrise lässt den Klimaschutz aktuell in den Hintergrund rücken. Jetzt werden einfach alle Ressourcen mobilisiert – ohne Rücksicht auf die Folgen fürs Weltklima. Diese Aussage ist im Moment oft zu hören. Aber ist sie auch korrekt? Tatsächlich erlebt Kohle derzeit eine Renaissance: Kraftwerke werden wieder angeworfen oder neu gebaut. Nicht nur in Deutschland, sondern zum Beispiel auch in Afrika.
Trotzdem greift diese Sicht zu kurz. Sie übersieht einen entscheidenden Punkt, der ebenfalls mit der Krise zu tun hat: Nie war das Bewusstsein für die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern größer als heute. Und nie war man sich der Konsequenzen dieser Abhängigkeit schmerzhafter bewusst als jetzt.
Deshalb bin ich der Ansicht, dass die Energiekrise, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, den weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben und damit dem Klimaschutz nützen wird. Abhängigkeit ist der eine Faktor, der andere der Preis. Wir erleben gerade, wie Gaspreise in die Höhe schießen. Auch beim Öl sind die Märkte volatil. Erneuerbare Energien aber sind nach den Anfangsinvestitionen nur noch mit sehr überschaubaren und stabilen Kosten verbunden.
„Die derzeitige Energiekrise wird den weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben und damit dem Klimaschutz nützen.“
Das überzeugt viele Regierungen und vor allem auch viele private Unternehmen: Sie sehen das Berücksichtigen von Klimafragen immer weniger als Bürde, sondern als Chance, als Motor für Innovationen und nachhaltige Entwicklung. Von daher dürften wir mittelfristig einen weltweiten Schub für nachhaltige Energieformen erleben.
Die Klimakrise als Brandbeschleuniger für Konflikte
Überhaupt ist die Wahrnehmung für die Gefahren des Klimawandels inzwischen so gut wie überall auf der Welt vorhanden. Die Zweifler sind in der Minderheit. Es überwiegt die Einsicht, dass höhere Erdtemperaturen zu den größten Herausforderungen unserer Zeit zählen und auch als Brandbeschleuniger für Konflikte fungieren können. Die Frage ist längst nicht mehr, ob, sondern wann, wie und wo der Klimawandel Konflikte verschärft.
Allerdings steuern wir mit den bisher weltweit in Aussicht gestellten Maßnahmen zum Klimaschutz auf eine globale Temperaturerhöhung von 2,5 bis 3 Grad Celsius zu. Das ist viel zu hoch und hätte verheerende Folgen. Die planetaren Grenzen würden überschritten. Viele sich extrem negativ auswirkende Prozesse wie das Schmelzen der polaren Eisfelder und Permafrostböden oder der Verlust der klimastabilisierenden Funktionen der tropischen Regenwälder wären nicht mehr aufzuhalten.
Trotzdem mangelt es noch an Ein- und Weitsicht, Ambition und der stringenten Umsetzung klimafreundlicher Technologien und Praktiken. Mit anderen Worten: Das Wissen ist vorhanden, beim Handeln hapert es noch. Teils aus psychologischen Gründen, weil ein derart fundamentaler Wandel mit Verhaltensveränderungen verbunden sein muss und sich Menschen damit schwertun. Aber es liegt auch an bestimmten Akteuren, die aus wirtschaftlichen oder politischen Eigeninteressen weiterhin hartnäckig dagegenhalten.
Klimawandel oben auf der politischen Agenda
Sichtbar war das zum Beispiel beim letzten UN-Klimagipfel in Glasgow. Dort wurde im Abschlussdokument zum ersten Mal auf die klimaschädliche Kohlekraft eingegangen – ein Meilenstein bei den Klimaverhandlungen. Allerdings war in den Verhandlungen zunächst von einem Kohleausstieg die Rede gewesen („phase out“), daraus wurde im Abschlussdokument leider nur ein Herunterfahren der Kohlekraft („phase down“). Es waren nur ein paar wenige Länder, die sich hier aufgrund des Konsensprinzips durchsetzen konnten.
Insgesamt aber steht der Klimawandel bei den meisten Ländern der Welt weit oben auf der politischen Agenda; das gilt auch für viele unserer Partnerländer. Entsprechend bildet er in der Arbeit der GIZ einen Schwerpunkt. Unser klimarelevantes Portfolio ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen und liegt inzwischen mit 37 Prozent bei mehr als einem Drittel. Die Aufgabe der nächsten Jahre wird darin bestehen, das sogenannte Mainstreaming voranzutreiben – das bedeutet: die Arbeit der GIZ konsequent auf Klimafragen auszurichten. Dabei hilft vor allem die sogenannte Umwelt- und Klimaprüfung, die inzwischen für jedes von der GIZ durchgeführte Projekt Pflicht ist und bei der jedes Vorhaben auf seine Klimawirkung hin untersucht wird.
Klimarisikoanalysen, basierend auf mittel- bis langfristigen Vorausberechnungen (Projektionen), wie sich das Klima in einem Land oder einer Region zum Beispiel bis 2030 oder 2050 verändern wird, geben Auskunft darüber, welche Bevölkerungsgruppen, welche Sektoren und welche Regionen wie vom Klimawandel betroffen sein werden. Sie bilden – präventiv – die Grundlage, um durch entsprechende Anpassungsmaßnahmen Risiken zu verhindern oder zu entschärfen.
Klimafokus bei der GIZ
Neben dem „Mitdenken“ von Klimaaspekten setzen wir auch viele Projekte um, die direkt darauf abzielen, das Klima zu schonen oder sich an die neuen Verhältnisse anzupassen. Wie zum Beispiel in Indien, wo die GIZ ein Programm für „Climate Smart Cities“ unterhält, bei dem Städte Unterstützung dafür erhalten, ihre urbane Infrastruktur „klima-clever“ zu gestalten. Mit Costa Rica entwickeln wir Pläne und Strategien, wie das Land bis 2050 klimaneutral werden kann. Eine Energiepartnerschaft mit Marokko soll dabei helfen, die nachhaltige Energieproduktion dort hochzufahren. Mexiko unterstützen wir dabei, seinen Tourismus auf eine veränderte Temperaturwelt einzustellen. Und das sind nur einige wenige Beispiele aus unserem umfangreichen Portfolio, die zeigen: Klima ist mittlerweile Teil unserer DNA.
Klima und Biodiversität gemeinsam denken
Künftig wird es noch mehr um Anpassung in den Entwicklungsländern gehen, die unter dem Klimawandel besonders leiden, auch wenn sie bis heute nur sehr wenig Treibhausgase ausstoßen. Und um den Nexus, die Verbindung mit anderen Themen, wie zum Beispiel mit Biodiversität. Wir wissen heute, dass es zwischen Klima und Biodiversität gegenseitige Abhängigkeiten gibt, im Positiven wie im Negativen. In der Praxis und auch in der Entwicklungszusammenarbeit werden diese Zusammenhänge (Nexus) jedoch noch viel zu wenig berücksichtigt. Das wollen wir ändern.
Dabei werden die beiden bevorstehenden COPs helfen, die für Klima im November in Sharm El-Sheikh und kurz darauf im Dezember die für Biodiversität in Montreal. Von beiden Konferenzen wird auch abhängen, wie schnell wir bei der weiteren Umsetzung klima- und umweltfreundlicher Maßnahmen vorankommen. Und natürlich vom Krieg in der Ukraine, der mittelfristig den Ausbau der erneuerbaren Energien antreiben und die Abhängigkeit von Rohstoff- und Nahrungsmittelimporten verringern dürfte. Aber erst einmal ist der Krieg eine große Belastung und enorme Bedrohung – für uns alle.