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GIZ-Vorstandsmitglied Anna Sophie Herken Gaby Gerster
Interview

„Digitalisierung muss dem Wohl aller dienen“

GIZ-Vorstandsmitglied Anna Sophie Herken über den Stellenwert der Digitalisierung in der internationalen Zusammenarbeit – und was die re:publica damit zu tun hat 

Interview: Friederike Bauer

Frau Herken, Sie treten bei der diesjährigen re:publica auf. Warum?

Die re:publica ist eine der wichtigsten Fachveranstaltungen für Digitalisierung und die digitale Gesellschaft. Die GIZ bringt sich aktiv ein und vernetzt sich mit der Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und der Digitalszene. Zudem können wir dem Treffen eine internationale Perspektive geben und Erfolgsbeispiele aus unseren Projekten vorstellen – aber auch von anderen Organisationen lernen.

Die re:publica steht in diesem Jahr unter dem Motto „Who cares?“. Was hat dieses Thema mit der Arbeit der GIZ zu tun?

Das Motto passt genau zur Arbeit der GIZ. Unser Ziel lautet: ein besseres Leben für alle, besonders für die Schwächsten. Jeder Mensch hat das Recht auf Sicherheit und Würde. Damit auch künftige Generationen weltweit gut leben können, setzen wir uns für nachhaltige Entwicklung ein.  

Wir finden langfristige Lösungen, die wirken. Dafür bringen wir Menschen auf Augenhöhe zusammen. Auf diese Weise arbeiten wir mit lokalen Gemeinschaften genauso zusammen wie mit internationalen Organisationen, etwa der Weltgesundheitsorganisation WHO. Wir „kümmern“ uns – aber nicht auf paternalistische Weise, sondern partnerschaftlich.  

Wichtig ist mir an der Stelle zu betonen, dass unsere Arbeit nichts mit Wohltätigkeit zu tun hat. Vielmehr sind die Herausforderungen unserer Zeit meistens international oder betreffen sogar die ganze Welt, seien es Kriege, die Klimakrise oder Pandemien. Sie berühren uns alle und lassen sich auch nur gemeinsam lösen. Letztlich profitiert also auch Deutschland von der Arbeit der GIZ.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung für die Arbeit der GIZ?

Digitalisierung ist für die internationale Zusammenarbeit unabdingbar. Pandemien managen, den Klimawandel bekämpfen oder staatliche Leistungen schneller bereitstellen: Die Digitalisierung kann dabei helfen, Krisen zu bewältigen. Tatsächlich spielt die Digitalisierung bei 70 Prozent der nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) eine entscheidende Rolle. Ohne lassen sie sich nicht erreichen. Aber ohne die SDGs wird unsere Welt unsicherer und ungerechter.  

Wo stehen unsere Partner bei der Digitalisierung? Geht es schon um künstliche Intelligenz oder eher noch um den Zugang zur digitalen Welt?

Bis heute haben 33 Prozent der Weltbevölkerung, besonders Frauen und Mädchen, keinen Internetzugang. Auch klafft eine Lücke zwischen Stadt und Land. Und selbst wenn sie einen Zugang haben, wissen viele nicht, wie sie ihn nutzen können.  

Bei Schlüsseltechnologien wie der künstlichen Intelligenz droht der Globale Süden abgehängt zu werden. Schließlich mangelt es an den richtigen politischen Rahmenbedingungen für das Digitale. Ob es um Überwachung, Desinformation, manipulative Algorithmen, Zensur, den Missbrauch persönlicher Daten geht – das sind Herausforderungen, die es zu adressieren gilt. Damit die Digitalisierung dem Wohl aller dient und den Menschen in den Mittelpunkt stellt.  

Gibt es Länder im Globalen Süden, die uns voraus sind?  

Richtig ist, dass eine ganze Reihe der Länder, wie etwa Ruanda, beeindruckend vorangehen und uns in manchen Bereichen – wie beim mobilen Bezahlen – deutlich voraus sind. Sie haben schnell verstanden, dass Digitalisierung ihnen die Möglichkeit bietet, ganze Entwicklungsstufen zu überspringen. Von solchen Erfahrungen können auch wir in Deutschland etwas lernen!  

In welchen Sektoren halten Sie Entwicklungsfortschritte durch die Digitalisierung in ärmeren Ländern für besonders aussichtsreich? Wie kann die GIZ diesen Prozess beflügeln?

Das geht quer durch alle Sektoren. Digitale Technologien sind der Kern des derzeitigen Wandels. Als GIZ begleiten wir unsere Partner bei ihrer digitalen Transformation und unterstützen sie darin, das Potenzial für alle Lebensbereiche zu nutzen, ohne bestehende Ungleichheiten und Abhängigkeiten zu erhöhen. Dafür fördern wir zum Beispiel offene Datenanwendungen, technologische Standards und Open-Source-Produkte, die miteinander kompatibel und erschwinglich sind. So wollen wir weltweit zum Aufbau einer sicheren und nachhaltigen digitalen Infrastruktur beitragen.  

Auch mehr Zugang zu digitalen Technologien zu schaffen, ist uns ein Anliegen. Weil er die Voraussetzung dafür schafft, die Chancen der Digitalisierung wirklich zu nutzen. Wir beraten zudem zu internationalen Regelwerken – wie dem derzeit verhandelten Digitalpakt der UN – und belastbaren Regularien auf nationaler Ebene. Wenn die Regeln fair sind, können die Menschen das Potenzial digitaler Technologien zum Wohle aller ausschöpfen und gleichzeitig Risiken minimieren.  

Ein großes Potenzial liegt bei der Gesundheitsversorgung. Welchen Beitrag kann die GIZ speziell auf diesem Gebiet leisten?

Im Gesundheitssektor ist der Nutzen besonders offenkundig: In Zeiten von Pandemien zum Beispiel benötigen Kliniken, Labore oder Behörden Zugang zu Echtzeitdaten, damit sie schnelle Entscheidungen treffen können. Das haben wir als GIZ früh erkannt und unterstützen im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums den Aufbau von robuster Infrastruktur und einen reibungslosen Datenaustausch über Ländergrenzen hinweg. Solche Projekte können das Risiko neuer Pandemien mindern und ein schnelleres, koordiniertes Handeln in Krisenzeiten ermöglichen.  

Welche Rolle spielen die Privatwirtschaft und Tech-Unternehmen bei der digitalen Transformation? Wie arbeitet die GIZ mit privaten Firmen zusammen?

Angesichts geopolitischer Interessen und der dominierenden Marktpräsenz einiger IT-Konzerne ist das eine wichtige Frage für unsere Partner. Klar ist: Technologieunternehmen stehen oft an der Spitze der Innovation. Im Austausch und der Zusammenarbeit mit ihnen liegt daher ein großes Potenzial für wirksame Digitalisierung. Deshalb arbeiten wir als GIZ auch mit IT-Konzernen, Verbänden der Digitalwirtschaft und Start-ups zusammen – beispielsweise durch den Aufbau offener Datensätze und Trainingsangebote im Tech-Bereich.  

Allerdings dürfen die Innovationen der Privatwirtschaft nicht dazu führen, dass sich der digitale Graben weiter öffnet und nur wenige von modernen Schlüsseltechnologien profitieren. Als „Honest Broker“ setzen wir uns für einen fairen Interessenausgleich ein, um bessere Ideen für alle Menschen zu entwickeln.

Wie will sich die GIZ in Zukunft aufstellen, um Menschen zu unterstützen und globale Krisen in einer digitalen Welt besser zu managen?

Die digitale Transformation wird die GIZ deutlich verändern, einschließlich der Arbeits- und Lernkultur unserer Mitarbeitenden. Derzeit stellen wir das Unternehmen auf ein sicheres IT-basiertes Fundament mit digitalisierten Prozessen. Künftig werden wir datenbasierter arbeiten und in starken Kooperationen technologische Lösungen für unsere Partner entwickeln. Die Veränderungen sind heute schon in vollem Gange. Die GIZ wird so leistungsstärker und zukunftssicherer aufgestellt, während verschlankte Prozesse die Arbeitsweise effizienter machen. Eine solche „gelebte Digitalisierung“ wird der GIZ, den Auftraggebern und Partnern zugutekommen und uns den gemeinsam festgelegten Zielen näher bringen. Davon bin ich überzeugt.  

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anna-herken Mirjam Knickriem

Anna Sophie Herken, Vorstandsmitglied der GIZ

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