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COP 15 - seed wall dpa
Überblick

Welt­biodiversitäts­konferenz 2022: Die COP15 im Überblick

Im Dezember 2022 fand die UN-Biodiversitätskonferenz im kanadischen Montreal statt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur CBD COP15.

Text: Friederike Bauer

Wann und wo findet die Weltbiodiversitätskonferenz 2022 statt?

Die 15. Biodiversitätskonferenz, „Conference of the Parties“ (deshalb COP15), findet vom 7. bis 19. Dezember 2022 in Montreal, Kanada, statt. Sie war ursprünglich für 2020 geplant und sollte im chinesischen Kunming abgehalten werden, wurde dann aber wegen der Corona-Pandemie mehrfach verschoben und schließlich von China nach Kanada verlegt. Die Präsidentschaft liegt weiterhin bei China. Es ist das Treffen aller 196 Mitglieder des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, kurz CBD), welches das wichtigste multilaterale Vertragswerk für den Schutz der Biodiversität auf der Erde darstellt.

Was sind die Ziele der CBD COP15?

Das Treffen dient dazu, den Naturschutz generell voranzutreiben und den Verlust an Biodiversität rund um die Welt einzudämmen. In Montreal geht es vor allem um konkrete Ziele bis 2030. Dazu soll ein neues Biodiversitätsrahmenwerk (Global Biodiversity Framework) verabschiedet werden. Die bisherigen Übereinkünfte, die sogenannten Aichi-Ziele, sind ausgelaufen. Sie galten bis 2020. Deshalb braucht es jetzt einen neuen internationalen Rahmen für den Schutz der Biodiversität.

Was sind die Aichi-Ziele für biologische Vielfalt?

Im Jahr 2010 fand die 10. Vertragsstaatenkonferenz im japanischen Nagoya, Präfektur Aichi, statt. Dort wurde ein strategischer Plan verabschiedet, der 20 konkrete globale Ziele zum Erhalt der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2020 enthielt – die sogenannten Aichi-Ziele. Die Bilanz fällt allerdings ernüchternd aus: Keines der 20 Ziele wurde vollständig, nur sechs wurden teilweise erreicht. Deshalb sind die Verhandlungen in Montreal von großer Bedeutung.

Warum ist die UN-Biodiversitätskonferenz so wichtig?

Der Verlust an Artenvielfalt hat mittlerweile extreme Ausmaße angenommen: Nach UN-Angaben sind eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Die aktuelle Aussterberate übersteigt den natürlichen Verlust an Arten um das 100-Fache. Wissenschaftler*innen sprechen deshalb vom sechsten Massenaussterben, beim fünften Massenaussterben verschwanden die Dinosaurier vor etwa 66 Millionen Jahren von der Erde. Ohne massive Gegenmaßnahmen geht die natürliche Lebensgrundlage der Menschen in beispielloser Geschwindigkeit verloren – mit langfristigen Folgen für fast alle Lebensbereiche: von der Nahrung bis zur Verfügbarkeit von Wasser, von der Erderwärmung bis zur Luftqualität.

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COP origami panel dpa

Vielfalt, genauer betrachtet 

Biodiversität oder biologische Vielfalt ist ein Maßstab für die Fülle unterschiedlichen Lebens in einem bestimmen Lebensraum. Dabei unterscheidet man drei Ebenen: Vielfalt der Arten, Vielfalt innerhalb der Arten und Vielfalt der Ökosysteme. Alle drei Kategorien schwinden derzeit drastisch.

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Fiery-throated Hummingbird phototrip.cz – stock.adobe.com

Welche Folgen hat der Verlust an Biodiversität für den Menschen?

Die Natur versorgt uns mit Nahrungsmitteln, Baumaterialien, Energiequellen, Arzneimitteln und vielem mehr und ist damit überlebenswichtig für den Menschen. Was die Natur in verschiedener Form bereitstellt, nennt man Ökosystemdienstleistungen. Sie kommen in materieller Form als Ressourcen vor oder als regulierende Beiträge, zum Beispiel durch Bestäubung und Samenausbreitung, durch das Speichern des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) oder das Filtern von Luft. Schließlich können wir uns in der Natur auch körperlich und seelisch regenerieren – das sind immaterielle Leistungen. Sie alle kann die Natur am besten erbringen, je größer ihr Genpool ist, wenn sie also intakt und so vielfältig wie möglich bleibt. Schrumpft die Artenvielfalt, gerät unsere Lebensgrundlage in Gefahr: Nach UN-Angaben bedroht der Verlust an Biodiversität die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung, das entspricht hochgerechnet etwa 44 Billionen US-Dollar pro Jahr.

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Blue sea star ead72/stock.adobe.com

Warum sind tropische Regenwälder entscheidend für den Erhalt von Biodiversität?

Die Tropenwälder sind besonders reich an Biodiversität. Sie beheimaten etwa zwei Drittel aller bekannten Arten. Zugleich leben dort auch die meisten bedrohten Arten: 47 Prozent aller Pflanzenarten sind im tropischen Raum gefährdet, deutlich mehr als auf der restlichen Welt – dort sind es im Schnitt 25 Prozent. Deshalb sollte nicht noch mehr Tropenwald verloren gehen. Derzeit fallen Wälder vor allem der Landwirtschaft zum Opfer. Sie gilt als einer der größten Vernichter von Biodiversität.

Welche Rolle spielen Naturschutzgebiete für die Artenvielfalt?

Naturschutzgebiete helfen, Ökosysteme zu schützen und Arten zu erhalten. Bestände können sich erholen, wenn man sie in Ruhe lässt. Allerdings gilt die alte Vorstellung vom Naturschutz als Festung (sogenannte „fortress conservation“), bei dem Naturschutzgebiete gegen die Außenwelt abgeschottet werden, inzwischen als überholt. Heute ist klar: Naturschutz kann nur mit indigenen Völkern und lokalen Gemeinden funktionieren, nicht gegen sie. Sonst kommt es zu Konflikten und Wilderei. Deshalb wird in Montreal auch intensiv über das Zusammenspiel von Naturschutz und Nutzung diskutiert werden.

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Logging - Aerial view of deforestation Richard Carey/stock.adobe.com

Wo stehen die internationalen Verhandlungen über die neuen globalen Ziele zum Schutz der Natur?

Wie bei der UN-Klimakonferenz von Paris im Jahr 2015 hofft man in Montreal auf einen Durchbruch für den Erhalt der weltweiten Biodiversität. Er soll dazu beitragen, eine Trendwende hin zu einer naturfreundlichen Wirtschaft und Gesellschaft einzuleiten. Der Entwurf dafür sieht vier langfristige Ziele bis 2050 und 20 Aktionsziele bis 2030 vor. Zu den wichtigsten gehört jenes, 30 Prozent der Erde bis zum Jahr 2030 unter Schutz zu stellen, das sogenannte „30x30“-Ziel. Allerdings müssen die Vertragsstaaten bis zur Verabschiedung noch viele offene Fragen klären; so ist das „30x30“-Ziel unter den Vertragsstaaten noch umstritten; genauso die Frage, wie die dafür nötigen Mittel aufgebracht werden sollen. Deshalb ist mit harten Verhandlungen in Montreal zu rechnen.

Welche Position beziehen Deutschland und die EU dazu?

Deutschland unterstützt das „30x30“-Ziel und spricht sich außerdem dafür aus, zerstörte oder degradierte Ökosysteme wiederherzustellen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei der UN-Vollversammlung in New York im vergangenen September zugesagt, ab 2025 jährlich 1,5 Milliarden Euro für diesen Zweck bereitzustellen. Das ist doppelt so viel wie die rund 750 Millionen Euro, die Deutschland zwischen 2017 und 2021 im Schnitt für Biodiversität in anderen Ländern investiert hat. Auch die EU als Ganzes unterstützt das 30-Prozent-Ziel.

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Pygathrix Nemaeus EyeEm/stock.adobe.com

Natur als Schlüssel

Biodiversität ist zentral für das Erreichen der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Ihr sind mit SDG 14 und 15 zwei Ziele gewidmet – nämlich der Erhalt von Artenvielfalt unter Wasser und an Land. Die beiden SDGs gelten als entscheidender Hebel, um auch die anderen SDGs zu erreichen. Studien zufolge wirkt der Erhalt von Natur wie ein Katalysator auf die anderen 15 SDGs. Deshalb gelten sie als Schlüssel-SDGs.

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Hummingbird hawk-moth Vlasto Opatovsky/stock.adobe.com