Was müssten wir tun, um den aktuellen Prozess aufzuhalten?
Wir können diesen Trend nur umkehren, wenn wir auf vielen Ebenen ansetzen. Es fängt bei der Politik an, die den richtigen Rahmen setzen und zum Beispiel mehr Natur schützen muss. Deshalb hoffe ich sehr, dass sich die Staatengemeinschaft beim bevorstehenden Weltnaturgipfel in Montreal ehrgeizige Ziele setzt und unter anderem beschließt, ein Drittel der Erdoberfläche unter Naturschutz zu stellen. Aber auch jede*r Einzelne kann etwas beitragen: Ein ganz wichtiger Teil davon ist, weniger Essen zu verschwenden, damit nicht noch mehr Boden in landwirtschaftliche Fläche umgewandelt wird. Ein noch größerer Beitrag wäre, weniger Fleisch zu verzehren. Der Anbau von Futtermitteln beansprucht sehr viel Land, das wir entweder als Schutzgebiete ausweisen oder für die direkte Nahrungsmittelproduktion nutzen könnten.
Was sind die Haupttreiber für den Verlust von Biodiversität?
Die gerade schon erwähnte Landwirtschaft hat den größten Anteil daran. Erstens, weil sie immer mehr Flächen beansprucht – das geschieht häufig durch das Abholzen von Wäldern. Und zweitens, weil die industrialisierte Landwirtschaft, die auf maximale Produktivität getrimmt ist, zu viel Pflanzenschutz- und Düngemittel verwendet und zu wenige Brachflächen, Hecken etc. dazwischen zulässt, damit sich Biodiversität entfalten kann. Dazu kommt: Wir entnehmen der Natur mehr, als nachwachsen kann. Das gilt für Fische genauso wie für Wild, für Heilkräuter ebenso wie für Holz. Und drittens spielt der Klimawandel eine immer größere Rolle beim Verlust an Biodiversität. Noch ist er nicht der Hauptfaktor, aber mit steigenden Temperaturen werden weitere Arten vom Aussterben bedroht. Der Erhalt von Natur ist auch ein wichtiger Puffer gegen die Erderwärmung, weil zum Beispiel Wälder und Moore natürliche CO2-Speicher sind. Gehen sie verloren, wird das Klima weiter angeheizt. Hier besteht eine enge Wechselwirkung. Auch deshalb brauchen wir so viel biologische Vielfalt wie möglich.
Was können wir alle zum Artenerhalt beitragen?
Wie bereits erwähnt, geht der Verlust an Biodiversität nicht nur uns alle etwas an, sondern wir können auch alle dazu beitragen, diese besorgniserregende Entwicklung zu stoppen und umzukehren. Als Erstes brauchen wir ein neues Bewusstsein dafür und müssen erkennen, dass wir ein Teil der Natur sind. Bisher scheint es oft so, als wären wir Menschen hier und die Natur dort. Das ist eine Fehlwahrnehmung, denn wir gehören zusammen. Daraus ergibt sich dann automatisch ein anderer Umgang mit der Natur. Und zweitens sollten wir, vor allem wir in den reichen Ländern des Globalen Nordens, weniger konsumieren und unsere Gewohnheiten auf Nachhaltigkeit umstellen. Denn nahezu alles, was wir verbrauchen, kommt in irgendeiner Form aus der Natur. Vieles von dem, was wir kaufen, brauchen wir nicht einmal. Sich beim Konsum zu mäßigen, wäre ein wirklicher Beitrag für den Erhalt der Biodiversität.