Erklärt

Die richtigen Schlüsse ziehen

Warum und wie sich die GIZ für die grüne Wirtschaftsbelebung engagiert.

Text
Ingrid-Gabriela Hoven
Illustration
Julian Rentzsch

INGRID-GABRIELA HOVEN ist Vorstandsmitglied der GIZ.

  INGRID-GABRIELA HOVEN  

ist Vorstandsmitglied der GIZ.
ingrid-gabriela.hoven@giz.de

Die Corona-Krise ist in vielerlei Hinsicht ein großes Lernfeld: Sie hat uns vor allem gezeigt, wie verletzlich wir sind. Aber sie hat uns auch gelehrt, dass wir nicht weiter auf Kosten der Natur leben können, weil wir uns sonst den berühmten eigenen Ast absägen, auf dem wir sitzen. Obwohl noch nicht ganz sicher ist, wie das Virus „in die Welt“ kam, gilt eine Zoonose als die wahrscheinlichste Variante: das Überspringen des Virus von Tieren auf den Menschen.

Tatsächlich gehen rund 70 Prozent aller neu auftretenden Krankheiten wie Ebola, Zika, Influenza oder HIV/Aids auf solche Zoonosen zurück. Nach Angaben des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) gibt es noch Hunderttausende nicht erkannte Viren in Säugetieren und Vögeln, von denen ein guter Teil auf den Menschen überspringen könnte. Je mehr intakte Ökosysteme zerstört werden, desto wahrscheinlicher ist eine solche Übertragung. Deshalb sind wir gut beraten, aus der Corona-Krise die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und ein entscheidender lautet: Wir müssen ernst machen mit dem Umsteuern in Richtung Nachhaltigkeit. Die SDGs, das Pariser Klimaabkommen sowie die globalen Biodiversitätsziele geben die Richtung dafür vor. Diese Erkenntnis ist nichts Neues, aber die Corona-Krise als Beschleuniger hat uns die Dringlichkeit der Sache noch einmal klar aufgezeigt.

Sozial gerechte und grüne Wirtschaftsbelebung fördern 

Das Gute ist, dass wir jetzt auch einen mächtigen Hebel dafür haben: die milliardenschweren Konjunkturprogramme, die fast überall auf der Welt aufgelegt wurden, um die Volkswirtschaften nach Corona wieder anzukurbeln. Diese Programme für nachhaltige Investitionen einzusetzen, lautet das Gebot der Stunde. Während man sich in früheren Krisen – Ölkrise, Finanzkrise – meist auf das unmittelbar Ökonomische konzentriert hat, um den Wirtschaftsmotor wieder zum Laufen zu bringen, können wir mit diesen öffentlichen Mitteln jetzt Veränderungen im Sinne einer sozial gerechten und grünen Wirtschaftsbelebung anstoßen. Und das sollten wir auch.

Konkret bedeutet das, nicht nur die unmittelbaren Folgen der Krise abzufedern, so richtig und wichtig das ist, sondern auch langfristig strukturbildend zu wirken. Nicht mit alten Rezepten arbeiten, vielmehr die jetzige Lage für die Art von Transformation nutzen, die ohnehin ansteht, aber bisher nicht schnell und konsequent genug vonstattengeht. Also verstärkt in erneuerbare Energien und Energieeffizienz investieren, Wälder erhalten oder wieder aufforsten, die Mobilitätssysteme umbauen, auf effiziente Bewässerung umstellen, die Landwirtschaft naturnäher gestalten, auf Kreislaufwirtschaft setzen und manches mehr.

Klima- und Umweltschutz mit sozialer Gerechtigkeit verbinden

Die GIZ nutzt diese einmalige Gelegenheit und berät ihre Partnerländer dabei, Wirtschaftsstrukturen abzusichern und weiterzuentwickeln, die auf nachhaltigen Produktions- und Konsummustern basieren und dabei Klima- und Umweltschutz mit sozialer Gerechtigkeit verbinden. Denn ohne die Entwicklungs- und Schwellenländer bleibt der Klimaschutz Stückwerk, auch der Ressourcenverbrauch lässt sich nur mit ihnen drosseln. Die ärmeren Länder verbrauchen zwar in der Regel von allem weniger pro Kopf als Menschen in den Industriestaaten, aber in der Summe sind sie ein entscheidender Baustein hin zu einer nachhaltigen Zukunft.

Drei Beispiele sollen zeigen, wie Maßnahmen zur Green Recovery aussehen: Die GIZ hat Kolumbien dabei beraten, nachhaltige und grüne Ansätze in das nationale Covid-Recovery-Programm aufzunehmen, bei dem jetzt unter anderem Investitionen in erneuerbare Energien und in die Pflanzung von 180 Millionen Bäumen auf dem Plan stehen. In Kenia ist durch die Pandemie der Tourismus nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Da der Naturschutz dort zu 90 Prozent aus Einnahmen des Tourismus getragen wird, drohte auch er zu leiden. Deshalb hat die GIZ Wildhegegebiete von lokalen Massai-Gemeinschaften unterstützt und damit 100.000 Einwohner*innen geholfen, die von diesen Gebieten abhängen. Zusammen mit der Europäischen Investitionsbank unterstützt die GIZ eine Fazilität namens „FELICITY“, mit deren Hilfe Kommunen grüne Maßnahmen in Angriff nehmen können. Die mexikanische Stadt Naucalpan zum Beispiel hat mit den Geldern ein Projekt zum Abfallmanagement angestoßen. Und das sind nur drei Beispiele aus einer langen Liste.

Biodiversität erhalten und Klimakrise bewältigen

Wichtig ist uns dabei, dass die Maßnahmen auf die langfristigen Umwelt- und Klimaschutzziele einzahlen und gleichzeitig dabei helfen, Jobs zu generieren und die Lebensverhältnisse zu verbessern. Dann fahren sie eine doppelte Dividende ein und schaffen zugleich die Akzeptanz in Bevölkerungen und Gesellschaften, die für diesen fundamentalen Umbau nötig ist. Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend für das Erreichen der SDGs, den Erhalt der Biodiversität und die Bewältigung der Klimakrise. Sie wegen der Corona-Pandemie und deren Folgen aus dem Blick zu verlieren, wäre genau die falsche Antwort. Die Weltgemeinschaft muss noch viel konsequenter als bisher auf „Grün“ setzen. Und sie sollte auch darüber nachdenken, Gelder verstärkt in Länder zu leiten, die sich ambitionierte Ziele im Sinne der SDGs und einer Green Recovery gesteckt haben.

aus akzente 3/21

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