„Für ein konfliktfreies Miteinander“

GIZ-Landesdirektor Stepan Uncovsky über Friedensarbeit in Kolumbien

Stepan Uncovsky

Wie kann die GIZ die Friedensarbeit in Kolumbien unterstützen?
Deutschland wird im Friedensvertrag explizit als unterstützender Partner bei der Umsetzung des Friedensabkommens genannt. Wir fördern mit unseren Programmen zur Friedensarbeit die Aufarbeitung der Vergangenheit, die Suche nach den etwa 100.000 Vermissten und die Übergangsjustiz. Und wir versuchen, die Zivilgesellschaft zu stärken, damit ein friedliches Zusammenleben möglich ist. Aber auch andere Initiativen, etwa aus dem Wirtschaftsbereich, tragen zur Friedensarbeit bei: zum Beispiel, wenn Arbeitsplätze in ländlichen Regionen geschaffen werden.

Warum ist eine Förderung der ländlichen Regionen besonders wichtig?
Dort hatte der Konflikt seinen Ursprung. Durch mehr Arbeitsplätze und bessere Einkommen wollen wir Bedingungen für ein gutes, konfliktfreies Miteinander schaffen. Unser Ziel ist es, dass Umwelt-, Wirtschafts- und Friedensaspekte in einer partizipativen Raum- und Entwicklungsplanung Hand in Hand gehen: Welche Gebiete müssen geschützt werden? Wo wird in Zukunft angepflanzt, wo kann Industrie aufgebaut werden? Und was passiert mit Ländereien, die während des Konflikts ihren ursprünglichen Besitzern weggenommen wurden? Kolumbien gehört nach Syrien zu den Ländern mit der höchsten Anzahl von Binnenvertriebenen, sieben bis acht Millionen Menschen. Auch da versuchen wir, im Rahmen der „Sonderinitiative Flucht“ zu helfen und den Menschen eine Arbeits- und Einkommensperspektive zu bringen.

Was sind die größten Herausforderungen?
Die Regierung versucht zwar, den Friedensprozess voran zu treiben und die Entwicklungspläne für die Regionen umzusetzen. Doch die Bewältigung der Vergangenheit ist kompliziert. Nicht alle Kräfte, die zurzeit an der Macht sind, haben ein politisches Interesse daran, dass mögliche Vergehen aufgedeckt werden.  Das ist nicht ungewöhnlich in Gesellschaften, die so schwere Gewalt und Konflikte erlebt haben. Ziel unserer Projekte ist es deshalb auch, durch eine Verständigung innerhalb der Zivilgesellschaft den Grundstein für ein friedliches Zusammenleben zu legen. Worüber wir uns besonders freuen ist, wenn wir nach Gesprächen aus ehemaligen Konfliktregionen die Rückmeldung bekommen, dass die Menschen unsere Unterstützung für friedliches Zusammenleben schätzen – obwohl sie durch den Verlust von Angehörigen und Freunden traumatisiert sind.

Kolumbien hat drei Million Venezolaner aufgenommen. Was bedeutet das für die Arbeit der GIZ?
Wenn wir den Friedensprozess effizient unterstützen wollen, müssen wir auch den Migranten helfen. Denn sie sind billige Arbeitskräfte – auch für den illegalen Koka-Anbau. Die bewaffneten Gruppen rekrutieren ebenfalls unter den Flüchtlingen. Es ist kein Zufall, dass die größte Guerillagruppe ELN die Zahl der Kämpfer in nur eineinhalb Jahren  auf 4.000 verdoppelt hat. Um den ersten Hunger und die Versorgung kranker Neuankömmlinge kümmern sich der Staat und andere Organisationen. Wichtig ist aber auch eine sozioökonomische Integration und da gehören wir zu den wenigen, die versuchen, an dieser Stelle anzusetzen. Offizielle Quellen sprechen von drei Millionen Venezolanern, die sich in Kolumbien aufhalten. Was das für ein Land mit rund 50 Millionen Einwohnern bedeutet, kann man sich ausmalen. Wir versuchen, für die venezolanischen Flüchtlinge zusammen mit den aufnehmenden Gemeinden Perspektiven zu schaffen.

Was kann gerade Deutschland zum Frieden beitragen?
Der aktuelle Friedensprozess ist nicht der erste in Kolumbien. Es geht auch darum, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Deutschland hat da einiges an Erfahrung beizutragen. Bei der Aufarbeitung der Geschichte und beim Wiederaufbau etwa. Das interessiert Kolumbien genauso wie die deutsche Wiedervereinigung. Gefragt sind aber auch deutsche Erfahrungen mit der Migrationswelle im Jahr 2015. In Kolumbien gibt es zum Beispiel noch kein System, um die venezolanischen Flüchtlinge zu registrieren, damit sie arbeiten können.

Was ist ihr persönliches Ziel?
Ich möchte den Friedensprozess unterstützen – in der Hoffnung, dass unsere Programme sich irgendwann erübrigen. Wenn das Land zu einem endgültigen Frieden kommt, sind unsere Erfahrungen nicht mehr notwendig. Und dann haben wir vielleicht einen Partner, der sich daran erinnert, dass wir in schlechten Zeiten geholfen haben.

aus akzente 2/19

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