Reportage

Reden über das Normalste der Welt

Eine Schule im Norden von Uganda zeigt, wie tabufreier Umgang mit dem Thema Menstruation funktionieren kann.

Text: Bettina Rühl Fotos: Martin Kharumwa

Tony Opito steht auf der Bühne der Aula, rund 180 Schülerinnen und Schüler schauen ihn an. „Wir sprechen heute über etwas ganz Normales“, sagt Opito, „wir sprechen über die Menstruation.“ Opito ist stellvertretender Direktor der Ikwera-Negri-
Schule in Apac, rund 280 Kilometer nördlich von Ugandas Hauptstadt Kampala. An dieser ländlichen Schule ist er für Hygiene und Gesundheit verantwortlich. Und der weibliche Zyklus gehört dort zum Unterrichtsstoff. Opito spricht freiheraus weiter: „Menstruation bedeutet, dass Blut aus dem Uterus der Frau und durch die Vagina fließt.“   

So ein Satz – ausgesprochen in einer Aula voll besetzt mit pubertierenden Jugendlichen – würde vermutlich in jeder Schule auf der Welt Verlegenheit auslösen. In Uganda ist er geradezu gewagt: Denn vor allem auf dem Land ist die Menstruation noch immer ein Tabu. Darüber wird oft geschwiegen, Frauen und Mädchen werden damit allein gelassen.  

Nicht so an der Ikwera-Negri-Schule. Dort wird bei dem Thema in der Aula zwar auch etwas gekichert, aber dann sind die Jungen und Mädchen wieder konzentriert und hören dem Konrektor zu. Opito und sein Team setzen auf Information. 

Menschenwürdige Hygiene während der Menstruation

Die Ikwera-Negri-Schule ist in Uganda ein Vorbild für den aufgeklärten Umgang mit dem Thema Menstruation. Es gehört dort unter der Überschrift „Lebenskompetenzen“ zum Lehrplan. Die Lehrenden mussten zuvor selbst lernen, wie sie den Mädchen und Jungen am besten Wissen darüber vermitteln.  

Außerdem hat die staatlich geförderte Schule ihre Toiletten so ausgebaut, dass die Mädchen menschenwürdig und sicher für ihre Hygiene sorgen können. Die Schule bietet auch Binden an und zeigt den Schülerinnen, wie sie sie benutzen können. Möglich gemacht hat das die Zusammenarbeit der ugandischen Regierung mit dem globalen Programm „Sanitation für Millions“.  

Zurück zur Aula. Nach der Einführung des stellvertretenden Direktors übernimmt Mary Alori. Die Lehrerin hat eine Wegwerfbinde und eine auswaschbare Stoffbinde, einen Eimer und zwei Unterhosen dabei. Sie führt vor, wie die Binden in die Unterhose eingelegt und befestigt werden. „Ihr könnt mit diesem Höschen nun alles tun, was ihr möchtet. Ihr könnt auch rennen oder Fußball spielen – es gibt keinen Grund, irgendetwas nicht zu tun, nur weil man seine Tage hat.“  

Früher hätten an der Ikwera-Negri-Schule einige Mädchen wegen der Menstruation im Unterricht gefehlt, berichtet Direktorin Janet Lydia Ajwang. Mädchen aus ärmeren Familien mussten sich oft mit Lumpen oder Toilettenpapier behelfen. „Sie hatten keine Monatsbinden oder haben sich so geschämt, dass sie nicht zum Unterricht kamen.“

Das waren keine Einzelfälle, sagt Molly Grace Akello, Bildungsbeauftragte der Kommune Apac. In der Region, in der die Ikwera-Negri-Schule liegt, hätten noch vor wenigen Jahren nur 30 Prozent der Mädchen die sieben Jahre dauernde Grundschule abgeschlossen. „Mittlerweile macht immerhin jedes zweite Mädchen seinen Grundschulabschluss.“ 

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Die Ikwera Negri Schule

Bessere Hygiene für alle

„Sanitation for Millions“ ist ein globales Programm, das den Zugang zu sicheren sanitären Einrichtungen und Hygiene verbessert. Es wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) initiiert. Zu der Finanzierung haben außerdem die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, der britische Solidaritätsfonds Water Unite, das ungarische Ministerium für Äußere Angelegenheiten und Außenhandel und die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank beigetragen. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH führt „Sanitation for Millions“ mit lokalen Partnern in Uganda, Jordanien, Kolumbien und Pakistan durch.

Die Gründe für den Schulabbruch sind komplex, aber Verantwortliche in der ugandischen Regierung sind überzeugt, dass die Stigmatisierung der Regelblutung in Familien und dörflichen Gemeinschaften sowie die fehlenden Möglichkeiten der Menstruationshygiene zentrale Gründe dafür sind. Durch die Fehltage – Monat für Monat – verpassen Mädchen viel Unterricht, verlieren den Anschluss und geben schließlich auf.   

Die Gefahr besteht bei Mary Ayugi nicht. Die selbstbewusste 11-Jährige hat gerade noch auf der Schulbühne gemeinsam mit anderen ein Gedicht über Menstruationshygiene und Toiletten vorgetragen – ganz ohne Lacher. Nun führt sie Gäste in den neuen Sanitäranlagen herum.  

Bei den Mädchentoiletten gibt es auch eine Umkleidekabine. Die Schülerinnen können sich bei Bedarf waschen, ihre Kleidung samt Mehrfachbinden reinigen und zum Trocknen aufhängen. Außerdem gibt es draußen eine Anlage zum Händewaschen, an der viele Schülerinnen und Schüler nebeneinander Platz finden.  

Noch hat Mary keine Menstruation, wie sie ganz offen erzählt. Aber sie fühlt sich in ihrer Schule gut vorbereitet und aufgehoben. „Es gehört einfach zum Körper der Frau“, sagt sie, und das klingt ganz selbstverständlich.

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Mary Ayugi

Frauen und Kinder im Blick

„Sanitation for Millions“ unterstützt Partner beim Bau von frauenfreundlichen und integrativen Sanitäranlagen in öffentlichen Einrichtungen. Das Programm bildet lokale Fachkräfte für deren Betrieb und Wartung aus und vermittelt Wissen rund um Hygiene in allen Teilen der Gesellschaft. Benachteiligte und vulnerable Gruppen wie Frauen und Kinder stehen besonders im Fokus des Programms. Rund zwei Millionen Menschen profitierten bisher direkt vom verbesserten Zugang zu sicherer Sanitärversorgung.

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Sanitation for Millions
Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:
SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen SDG 4: Hochwertige Bildung SDG 5: Geschlechtergleichheit SDG 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum SDG 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion