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Luftaufnahme von mehreren Frailejón-Pflanzen, die in einer kargen, grasbewachsenen Landschaft wachsen. Andres Bo
Überblick

Weltbiodiversitätskonferenz 2024: Die COP16 im Überblick

Ende Oktober findet die nächste UN-Biodiversitätskonferenz (Convention on Biological Diversity, kurz CBD) im kolumbianischen Cali statt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur CBD COP16.

Wann und wo findet die Weltbiodiversitätskonferenz 2024 statt?

Die 16. Biodiversitätskonferenz, „Conference of the Parties“ (COP16), findet vom 21. Oktober bis zum 1. November 2024 in Cali, Kolumbien statt. Das Treffen steht unter dem Motto „Frieden mit der Natur“ (Paz con la Naturaleza). Es findet in einer der biodiversesten Gegenden der Welt statt, mit reicher Natur sowohl in den Anden als auch im Amazonas, dem Pazifik und der Karibik. Kolumbien gilt als Biodiversitäts-Hotspot, das heißt, es ist eine Region, in der eine große Zahl an endemischen Pflanzen- und Tierarten vorkommt, die zugleich in besonderer Weise bedroht sind.

Wer nimmt an der COP16 teil?

An der Konferenz nehmen die 196 Vertragsstaaten des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, kurz CBD) teil. Zudem sind Vertreter*innen der Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft vor Ort. Zu Letzterer zählen Nichtregierungsorganisationen (NRO) sowie indigene Völker und lokale Gemeinschaften. Die CBD ist das wichtigste multilaterale Vertragswerk für den Erhalt der Biodiversität auf der Erde. Nur vier Staaten, unter ihnen die USA, haben das Dokument bisher nicht ratifiziert. Sie nehmen in Cali als Beobachter teil.

Was sind die Ziele der CBD COP16?

Bei der Konferenz soll die Umsetzung des 2022 in Montreal verabschiedeten Globalen Biodiversitätsrahmens vorangetrieben werden. Dieses Treffen galt seinerzeit als bahnbrechend, unter anderem, weil dort 23 konkrete Ziele zum Biodiversitätserhalt bis 2030 verabschiedet wurden. Für die bevorstehende COP16 in Cali waren nun alle Staaten aufgefordert, dieses Rahmenabkommen in Nationale Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne (National Biodiversity Strategies and Action Plans, kurz NBSAPs) zu überführen und beim Sekretariat der Biodiversitätskonvention einzureichen. Das ist bisher nur zum Teil geschehen, auch haben nicht alle NBSAPs schon den notwendigen Ambitionsgrad.

Wie sieht die Agenda der COP16 aus?

In Cali verhandelt die Staatengemeinschaft über zahlreiche Themen, die für den Erhalt der Biodiversität relevant sind: Dort geht es zum Beispiel um effektiven und gerechten Schutz, um den Biodiversitätserhalt in produktiven Sektoren wie der Land- und Forstwirtschaft oder der Fischerei. Auch die Wiederherstellung von Ökosystemen spielt eine wichtige Rolle. Zentral wird zudem sein, die Fortschritte der Vertragsstaaten beim Biodiversitätserhalt zu bewerten und offene Fragen beim Monitoring zu beantworten. Eine große Bedeutung kommt in Cali überdies Fragen der Finanzierung zu. Schätzungen der UN zufolge liegt der Investitionsbedarf für Naturschutz und -erhalt bei 700 Milliarden US-Dollar pro Jahr, von denen derzeit nur rund 120 Milliarden aufgebracht werden. Auch der in Montreal gegründete Global Biodiversity Framework Fund ist noch deutlich unterfinanziert. Wie man diese Lücken schließen und welche Rolle dabei der Privatsektor spielen kann, wird ebenfalls ein wichtiges Thema in Cali. Denn klar ist: Naturschutz kostet Geld.

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COP origami panel dpa

Warum ist die UN-Biodiversitätskonferenz so wichtig?

Wir erleben derzeit eine fundamentale Umgestaltung der Natur. Jede achte Art ist vom Aussterben bedroht; die Rate liegt damit heute mindestens 10 bis 100 Mal höher als in den letzten 10 Millionen Jahren. Wissenschaftler*innen sprechen deshalb vom sechsten Massenaussterben. Ohne Gegenmaßnahmen geht unsere natürliche Lebensgrundlage in rasender Geschwindigkeit verloren. Die Natur selbst wird auch mit weniger Vielfalt auskommen, der Mensch hingegen nicht. Die Natur versorgt uns mit fast allem, was wir für unsere Existenz benötigen, vom Trinkwasser über die Nahrung bis hin zur Kleidung und zu Medikamenten. Die COP16 beschäftigt sich mit Maßnahmen, die dabei helfen sollen, den Zielen des Globalen Biodiversitätsrahmens näher zu kommen.

Was ist das 30x30-Ziel?

Das 30x30-Ziel gehört zu den 23 Zielen aus dem Globalen Biodiversitätsrahmen und gilt als eines der prominentesten und wichtigsten davon. Es sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 30 Prozent der Erdoberfläche, sowohl im Meer als auch an Land, unter Schutz gestellt werden sollen, weil gut gemanagte Naturschutzgebiete ein besonders wirksames Mittel sind, um den Biodiversitätsverlust zu stoppen. Weitere Ziele sind, 30 Prozent degradierten Landes wiederherzustellen und die Verbreitung invasiver Arten um die Hälfte zu vermindern.

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Blue sea star ead72/stock.adobe.com

Vielfalt, genauer betrachtet

Biodiversität oder biologische Vielfalt ist ein Maßstab für die Fülle unterschiedlichen Lebens in einem bestimmen Lebensraum. Dabei unterscheidet man drei Ebenen: Vielfalt der Arten, Vielfalt innerhalb der Arten und Vielfalt der Ökosysteme. Alle drei Kategorien schwinden derzeit drastisch.

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Fiery-throated Hummingbird phototrip.cz – stock.adobe.com

Welche Folgen hat der Verlust an Biodiversität für den Menschen?

Was die Natur in verschiedener Weise für uns Menschen bereithält, nennt man Ökosystemleistungen. Sie kommen in materieller Form als Ressourcen vor oder als regulierende Beiträge, zum Beispiel durch Bestäubung und Samenausbreitung, durch das Speichern des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) oder das Filtern von Luft. Schließlich können wir uns in der Natur auch körperlich und seelisch regenerieren – das sind immaterielle Leistungen. Sie alle kann die Natur am besten erbringen, je größer ihr Genpool und gesünder die Ökosysteme sind, wenn sie also intakt und so vielfältig wie möglich bleibt. Schrumpft die Artenvielfalt, gerät unsere Lebensgrundlage in Gefahr: Nach UN-Angaben bedroht der Verlust an Biodiversität die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung, das entspricht hochgerechnet etwa 44 Billionen US-Dollar pro Jahr. Deshalb nimmt die Biodiversität bei den Nachhaltigen Entwicklungszielen mit den beiden SDGs 14 (Leben unter Wasser) und 15 (Leben an Land) eine prominente Rolle ein, ist darüber hinaus auch für viele der anderen SDGs unentbehrlich.

Warum sind tropische Regenwälder entscheidend für den Erhalt von Biodiversität?

Die Tropenwälder sind besonders reich an Biodiversität. Sie beheimaten etwa zwei Drittel aller bekannten Arten. Zugleich leben dort auch die meisten bedrohten Arten: 47 Prozent aller Pflanzenarten sind im tropischen Raum gefährdet, deutlich mehr als auf der restlichen Welt – dort sind es im Schnitt 25 Prozent. Deshalb sollte nicht noch mehr Tropenwald verloren gehen. Zumal Wälder auch natürliche CO2-Speicher sind, weshalb Biodiversität starke Verbindungen zum Klimaschutz hat. Derzeit fallen Wälder vor allem der Landwirtschaft zum Opfer. Sie gilt als einer der größten Treiber des Biodiversitätsverlustes und ist zugleich selbst negativ vom Artenschwund betroffen.

Welche Rolle spielen Naturschutzgebiete für die Artenvielfalt?

Naturschutzgebiete helfen, Ökosysteme zu schützen und Arten zu erhalten. Bestände können sich erholen, wenn man sie in Ruhe lässt. „Lass die Natur mal machen“, lautete unlängst die prägnante Anzeige eines großen deutschen Unternehmens mit einem Aufruf zu mehr Artenschutz. Allerdings gilt die alte Vorstellung vom Naturschutz als Festung (sogenannte „fortress conservation“), bei der Naturschutzgebiete gegen die Außenwelt abgeschottet werden, inzwischen als überholt. Heute ist klar: Naturschutz kann nur mit den Menschen vor Ort, insbesondere mit indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften, funktionieren, nicht gegen sie. Sonst kommt es zu Konflikten und Wilderei. Indigene Völker haben im Globalen Biodiversitätsrahmen ihre Rechte und ihren Bedarf stärker durchsetzen können und sind nun in Cali eine wichtige, anerkanntere Interessengruppe.

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Logging - Aerial view of deforestation Richard Carey/stock.adobe.com

Wie geht es weiter mit dem internationalen Biodiversitätsschutz?

Die Vertragsstaaten der CBD treffen sich alle zwei Jahre. Die nächste Konferenz wird im Herbst 2026 stattfinden; der Ort steht noch nicht fest. Auch dann wird es wieder darum gehen, Fortschritte im Naturerhalt zu bewerten und zudem bessere Kriterien für das Monitoring zu erarbeiten. Bisher liegt eine der Herausforderungen beim Biodiversitätserhalt im systematischen Messen von Verlusten und Gewinnen. Anders als beim Klimaschutz mit dem CO2 gibt es hier keine einheitlich anerkannte Maßzahl. An den sogenannten „Metrics“ arbeiten derzeit verschiedene von den Mitgliedstaaten beauftragte technische Ausschüsse.

Welche Position beziehen Deutschland und die EU dazu?

Deutschland unterstützt die Ziele des Globalen Biodiversitätsrahmens ausdrücklich. Umweltministerin Steffi Lemke sprach seinerzeit von einem historischen „Durchbruch“. Die Bundesrepublik gehört auch zu den größten internationalen Finanziers im Naturschutz. Ab 2025 will die Bundesregierung jährlich 1,5 Milliarden Euro für diesen Zweck bereitstellen. Das ist doppelt so viel wie bisher. In der EU ist der Biodiversitätserhalt ein wichtiger Teil des „Green Deal“. Erst vor kurzem hat die EU ein Naturschutzgesetz verabschiedet, nach dem 20 Prozent geschädigter Flächen bis 2030 wiederhergestellt werden müssen. Das bedeutet, in der EU werden in den kommenden Jahren Millionen von Bäumen gepflanzt und empfindliche Ökosysteme wie Hochmoore geschützt.

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Pygathrix Nemaeus EyeEm/stock.adobe.com

Natur als Schlüssel

Biodiversität ist zentral für das Erreichen der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Ihr sind mit SDG 14 und 15 zwei Ziele gewidmet – nämlich der Erhalt von Artenvielfalt unter Wasser und an Land. Die beiden SDGs gelten als entscheidender Hebel, um auch die anderen SDGs zu erreichen. Studien zufolge wirkt der Erhalt von Natur wie ein Katalysator auf die anderen 15 SDGs. Deshalb gelten sie als Schlüssel-SDGs.

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Hummingbird hawk-moth Vlasto Opatovsky/stock.adobe.com