Reportage
Mehr „stille Örtchen“
Stolz geht die Kenianerin Eirene Njeri Kamau voraus, um ihre Errungenschaft zu zeigen. Der Weg ist etwas umständlich: aus dem Haus heraus, außen an der Mauer des Grundstücks entlang, dann durch ein Tor zurück auf das Terrain, das früher ihr Garten war. Dort stehen acht kleine Wellblechhütten, die die 72-Jährige vermietet.
In der Ecke des Grundstückes ist das eigentliche Ziel dieser kleinen Besichtigungstour zu sehen: vier Toilettenhäuschen mit Hockklosetts. Sie gehören zu den Wohnhütten und verfügen über eine Wasserspülung, einen Abwassertank und einen Siphon, der das Aufsteigen der Gerüche aus dem Tank verhindert. Regelmäßig kommt ein spezieller Lastwagen, um das Abwasser abzusaugen. Dieses wird anschließend in einer dezentralen Anlage vorbehandelt, ehe es in einen Fluss geleitet wird.
„Ich wollte, dass meine Mieter auf eine vernünftige Toilette gehen können“, sagt Kamau. Leisten konnte sie sich die neue Toilettenanlage durch ein Programm zur Reform des Wassersektors in Kenia. Kamau bekam darüber einen Zuschuss von 80.000 kenianischen Shilling, etwa 680 Euro, und musste selbst nur noch umgerechnet 430 Euro zahlen. Der Vorteil für ihre Mieter*innen: mehr Hygiene, weniger Geruchsbelästigung und kürzere Wartezeiten. Zuvor mussten sich 40 Menschen eine Latrine teilen.
Verbesserung für 2,5 Millionen Menschen
Die neuen Toiletten in Ongata Rongai, einer Siedlung gut 15 Kilometer südlich der kenianischen Hauptstadt Nairobi, sind ein Beispiel für Verbesserungen, die in der Sanitär- und Trinkwasserversorgung in städtischen Armenvierteln Kenias erreicht werden konnten. Die GIZ hatte das Vorhaben im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums vor 15 Jahren gestartet. Insgesamt eine halbe Million Menschen konnten dadurch mit besseren sanitären Anlagen versorgt werden. Zudem werden zusätzlich zwei Millionen Menschen mit Trinkwasser beliefert.
Der Zugang zu sauberem Wasser und solider Sanitärversorgung ist seit 2010 als ein Menschenrecht anerkannt, aber für viele auch in Kenia nicht selbstverständlich. Vor allem in städtischen Slums sind die hygienischen Verhältnisse meist katastrophal, bei weiter wachsenden Einwohnerzahlen. Kenia hat rund 52 Millionen Einwohner*innen. Bis 2050 wird mit 90 Millionen Menschen gerechnet. Mehr als 50 Prozent davon werden in Städten wohnen: in Siedlungen, die bisher nicht über Wasserinfrastruktur verfügen. In einigen Fällen ist nur eine Toilette für Hunderte Menschen zugänglich.
Das macht die Lebensumstände unwürdig, und Infektionskrankheiten wie Durchfall oder Cholera können sich schneller verbreiten. Deshalb konzentrierte sich das Programm darauf, vor allem die Situation in den Armutsgebieten zu verbessern. Die Hebel dafür waren Investitionen und Reformen. Seit 2016 regelt in Kenia ein neues Gesetz die Wasserversorgung. Seitdem müssen sich alle beteiligten Institutionen darauf verpflichten, das Menschenrecht auf Zugang zu sauberem Wasser und sanitäre Einrichtungen umzusetzen. Außerdem wurde der Markt professionalisiert. Die früher oft informellen Versorger brauchen nun eine Lizenz. Bis dahin gab es viele Anbieter, die mit der Finanzierung und Logistik überfordert waren. Deshalb saßen die Bürger*innen immer wieder auf dem Trockenen, und viele Abwässer wurden ungeregelt entsorgt.
Verbraucher*innen bestimmen mit
Im Rahmen des Wasserprogramms wurde außerdem die Beteiligung der Verbraucherinnen und Verbraucher systematisch gestärkt. Sie schlossen sich auf lokaler Ebene zu 680 Vereinigungen zusammen. Diese sind die Kontaktstelle zwischen den staatlichen Institutionen, den Endabnehmer*innen und den inzwischen 70 Versorgern landesweit und werden an den Planungen zur Wasserversorgung beteiligt. Eine wichtige Veränderung. Die Menschen arbeiten mit daran, das Recht auf Wasser auch in Armutsgebieten umzusetzen.
Nach einer Laufzeit von 15 Jahren wurde das vom Deutschland unterstützte Programm Ende 2018 abgeschlossen. „Wir haben das Vertrauen, dass die kenianischen Institutionen jetzt genug Wissen haben, um die Wasser- und Sanitärversorgung auch ohne uns weiter zu entwickeln“, betont Landesdirektor Stefan Opitz. Doch trotz aller Erfolge weiß er: „Die Herausforderungen bleiben bestehen.“ Weiterhin hätten rund 45 Prozent der städtischen Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Wasser. Und auf dem Land stehen erste Schritte zur Verbesserung der Situation noch an.
Ansprechpartner: Stefan Opitz: stefan.opitz@giz.de
August 2019