Erklärt Wandel

Einiges geschafft, weiterhin viel zu tun

Wo die GIZ nach zehn Jahren steht und warum sie sich noch weiter wandeln muss

Text
Tanja Gönner
Illustration
Julian Rentzsch

Zehn spannende Jahre liegen hinter uns. Aus den drei Institutionen DED, GTZ und InWEnt wurde eine: die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, oder kurz: GIZ. Das war ein großer Einschnitt in die deutsche Landschaft der Entwicklungszusammenarbeit und eine riesige Veränderung in unserer Organisation. Rückblickend betrachtet, haben wir diese Fusion gut gemeistert. Sie war nicht einfach, hat Kraft gekostet, hier und da Schmerzen verursacht, aber wir sind inzwischen eine global agierende Organisation aus einem Guss.

Diese Reorganisation kam aus heutiger Sicht genau zur rechten Zeit. Denn sie hat uns vorbereitet auf die vielen Veränderungen, die seither von außen auf uns eingewirkt haben: Die offensichtlichste ist die Zunahme an fragilen Kontexten. Die Welt ist in den letzten zehn Jahren deutlich unruhiger geworden. Zwei Drittel unserer Kooperationsländer sind mittlerweile von Krisen, Gewalt und Konflikten gezeichnet. Das gilt aktuell für Afghanistan, aber auch für Länder wie Syrien, den Jemen oder Mali und in besonders bedrückender Weise für die Ukraine.

Kein Fall ist wie der andere. Immer spielen neue Faktoren eine Rolle, mal gibt es Bürgerkrieg, mal schwache Regierungen oder beides, dann wieder werden Regionen von Naturkatastrophen oder Hungersnöten heimgesucht. Dadurch bringt jede Situation besondere Herausforderungen und Aufgaben für eine Organisation wie die GIZ mit sich. Und trotzdem versuchen wir stets, Wirkungen und Erfolge zu erzielen, auch wenn sie manchmal nicht sofort sichtbar sind. Wie etwa Landwirtschaft in Mali zu fördern und damit einen Beitrag zu größerer Nahrungsmittelsicherheit in einem von Kämpfen gezeichneten Land zu leisten. Oder Bäuerinnen und Bauern in Nigeria fortzubilden und damit höhere Ernten zu erzielen. Oder die Gesundheitsversorgung im Jemen zu verbessern und Unterricht in Flüchtlingscamps zu organisieren.

Flucht und Migration im Fokus

Größere Instabilität zwingt Menschen häufig dazu, ihr Haus und ihre Heimat zu verlassen und woanders Sicherheit zu suchen. Das erleben wir derzeit eindrücklich im Ukraine-Krieg. Syrien, Afghanistan und viele andere Konflikte haben ebenfalls große Flüchtlingsströme verursacht, wodurch das Thema auch in der GIZ an Bedeutung gewonnen hat und weiterhin erlebt. Seit 2015 beschäftigen uns Flucht und Migration sehr intensiv und immer wieder in neuen Wellen.

Dazu kommt eine Corona-Pandemie, die uns jetzt schon mehr als zwei Jahre in Atem hält, Armut und Ungleichheit verstärkt und Entwicklungsfortschritte akut bedroht. Zumal die Impfquote in vielen Entwicklungsländern – anders als in den Industriestaaten – noch alarmierend gering ist. Im Niger zum Beispiel haben erst rund neun Prozent der Menschen mindestens eine Impfdosis erhalten, in der Demokratischen Republik Kongo sind es sogar nur zwei Prozent.

Dagegen versuchen wir anzukämpfen, indem wir kurzfristige Unterstützung mit der generellen Stärkung von Gesundheitssystemen koppeln. Im Nachgang zur Ebola-Epidemie in Westafrika 2014 hat die GIZ zum Beispiel eine „Schnell Einsetzbare Expertengruppe Gesundheit“ ins Leben gerufen, die auch jetzt während der Corona-Pandemie wertvolle Dienste leistet. Sie besteht aus mobilen Teams, die unter anderem Testkits, Schutzausrüstung und Laborgeräte zur Verfügung stellen und Gesundheitspersonal schulen.

„Die weltweite Impfkampagne darf nicht in Vergessenheit geraten, weil sonst Massenarmut und Hunger drohen.“

Generell gilt: Die Impfkampagne weltweit voranzutreiben, ist noch eine große Aufgabe, an der sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit aktiv beteiligt. Sie darf nicht in Vergessenheit geraten, weil sonst Massenarmut und Hunger drohen. Solche „Kreisläufe des Schreckens“ gilt es frühzeitig zu unterbrechen. Ausreichend Impfstoffe für die Entwicklungsländer bereitzustellen, ist ein wichtiger Ansatz dafür.

Überhaupt dürfen wir angesichts all der großen sicherheitspolitischen Themen, die uns derzeit beschäftigen, die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) nicht aus dem Blick verlieren. Die GIZ versteht sich als Anwalt der SDGs, die von der internationalen Gemeinschaft als gemeinsamer Fahrplan bis 2030 beschlossen wurden. Zusammen mit dem Pariser Klimaabkommen bilden sie das Rückgrat der internationalen Agenda für die nächsten Jahre. Bereits jetzt ist klar, dass die zwanziger Jahre das Jahrzehnt der Umsetzung werden müssen.

Ein Drittel unseres Portfolios mit Klimabezug

Die Ziele und Standards sind geschaffen, jetzt heißt es, die Transformation hin zu einer gerechteren und grüneren Zukunft stringent voranzutreiben. Die GIZ setzt alles daran, den Wandel in diesem Sinne weiter zu begleiten, so wie wir es in den vergangenen Jahren bereits getan haben: Ein Drittel unseres Portfolios hat mittlerweile einen Klima-Bezug. Wie zum Beispiel in Indonesien, wo wir erneuerbare Energien fördern oder den Auf- und Ausbau einer Recycling-Wirtschaft. Ambitionierte Ziele verfolgen wir jedoch nicht nur in Projekten, sie gelten auch für die GIZ selbst. Und auch hier machen wir deutliche Fortschritte: Seit 2021 arbeiten wir im In- und Ausland klimaneutral. Das ist ein wichtiger Meilenstein!

Die letzten Jahre haben also viel an Veränderung mit sich gebracht. Manche war gewünscht, manche eher unwillkommen. Aber als Organisation, die weltweit arbeitet, müssen wir mit beidem umgehen. Das heißt, wir müssen uns stetig weiterentwickeln, um den jeweils neuen Gegebenheiten gewachsen zu sein. Zumal Vielfalt und Volumen unserer Aufgaben deutlich gewachsen sind. Wir haben heute mehr Themen, mehr Umsatz und mehr GIZler*innen als vor zehn Jahren: Inzwischen arbeiten knapp 7.000 Mitarbeiter*innen mehr als 2011 in der GIZ, insgesamt haben wir einen Frauenanteil von rund 60 Prozent.

Digitalisierungsschub bei uns und Partnern

Um uns auf diese turbulentere Welt einzustellen, haben wir vor drei Jahren eine neue Unternehmensstrategie verabschiedet, die uns flexibler, schneller und effizienter macht, die auch neue Arbeitsformen vorsieht und dabei hilft, Kompetenzen schnell von A nach B zu verlagern. All das braucht es in volatilen Zeiten. Dazu gehört zudem ein neuer Digitalisierungsschub, im Umgang mit den Partnerländern, in den Projekten und bei uns selbst.

Es wurde schon oft gesagt, aber es macht die Sache nicht minder wahr: Ohne verstärkte digitale Anwendungen werden sich die SDGs nicht annähernd erreichen lassen. Und ohne Digitalisierung sind wir gerade in fragilen Kontexten kaum handlungsfähig – Stichwort: Remote Management, also das Steuern von Projekten mit digitalen Hilfsmitteln aus der Ferne. Auch hier befinden wir uns mitten in einer erheblichen Veränderung, der wir uns weder im privaten noch im beruflichen Leben entziehen können.

Wenn ich heute auf die vergangenen Jahre GIZ zurückschaue, dann war in dieser Zeit tatsächlich nichts so beständig wie der Wandel. Es ist kaum ein Jahr – eigentlich fast kein Monat – vergangen, in dem uns nicht irgendein unvorhergesehenes Ereignis auf Trab gehalten hätte. Wir blicken mit Zufriedenheit auf das Erreichte zurück, sehen es aber vor allem als Ansporn, uns für zehn weitere Jahre internationale Zusammenarbeit gut zu rüsten. Aufgaben gibt es zuhauf – die Weltlage bleibt weiterhin turbulent.

aus akzente 1/2022

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